Fußball der ersten Stunde und der International Football Club Karlsruhe
Der geneigte Kinogänger weiß es schon seit geraumer Zeit: Fußball wurde in Deutschland vermutlich erstmals in Braunschweig gespielt, ohne dass dies eine konkrete Vereinsgründung nach sich gezogen hätte. Der durch den Kinofilm „Der ganz große Traum“ (2011) bekannt gewordene Lehrer Konrad Koch, richtete 1874 mit seinen Kollegen am Braunschweiger Gymnasium Martino-Katherineum einen freiwilligen Spielenachmittag ein (Kurioserweise ist der Produzent des Films, der gebürtige Karlsruher Raoul Reinert, ein ehemaliger Spieler des KFV. In seinem zweiten Jahr in der A‑Jugend verletzte er sich jedoch so schwer, dass er nur noch gelegentlich spielte). Rasch bildete sich eine Schülergruppe, die nach englischem Vorbild Fußball spielte, wobei der Einsatz der Hände noch erlaubt war. Auch Schulen in Hamburg, Göttingen und Bremen folgten dem Beispiel. Von einem echten Durchbruch des jungen Sports konnte jedoch noch keine Rede sein. In einer zweiten Verbreitungswelle des Fußballs – in den 1880er Jahren – waren es abermals Schüler, die den Sport maßgeblich vorantrieben, diesmal jedoch außerhalb der Schule. Beteiligt an diesen ersten Fußballspielen waren oftmals junge Engländer, die aus unterschiedlichsten Gründen (bspw. als Studenten) im Deutschen Reich weilten. Neben Berlin, in dem bereits um 1890 eine kleine Fußballszene existierte, wurde Karlsruhe zum Ausgangspunkt einer dynamischen Entwicklung des Fußballsports in Süddeutschland. 1888 wurde in Berlin mit dem BFC Germania 1888 der bis heute älteste, noch existierende Fußballverein Deutschlands gegründet. Karlsruhe sollte bald folgen…
Der Rasensport war in den 1870er Jahren in Karlsruhe noch relativ unbekannt. „Der einzige Sport […] war das Schwimmen in Maxau oder in der Militärschwimmschule, zu welcher man mit dem Bimmelbänchen, das am alten Bahnhof abging, oder in einem Fünf-Kilometer-Marsch zu Fuß
gelangen konnte“, schreibt die Badische Presse am 21.9.1929 rückblickend. Doch bereits 1871 gab es „kickerbegeisterte Briten“ auf einem kleinen Exerzierplatz in Karlsruhe (dem späteren Engländerplatz), denen sich deutsche Jungen anschlossen. So soll es bereits in diesem Jahr den urkundlich nicht verbürgten „Gymnasiastenschüler-Fußball- und Rugby-Club Karlsruhe“ gegeben haben. Auch der KFV erhebt den Anspruch, schon vor 1891 (dem heute bekannten Gründungsdatum) eine Rolle gespielt zu haben. 1966 schreibt der Verein in seiner Chronik: „Eigentlich war der KFV der erste Fußballclub auf dem Kontinent, der den grünen Rasen betrat“. Doch zurück zur verbürgten Gründungsgeschichte: Die auf dem kleinen Exerzierplatz spielenden Engländer zogen nach und nach das Interesse der Schüler der umliegenden Schulen auf sich. Katalysator und organisatorischer Weichensteller der neuen Sportbewegung in Karlsruhe wurde schließlich Walther Bensemann, der im Herbst 1889 mit seiner Familie von Montreux in die badische Landeshauptstadt zog. Bensemann, der schon in jungen Jahren in einer Schweizer Privatschule mit dem englischen Sport in Berührung kam und mit Schulfreunden den Footballclub Montreux gründete, infizierte schnell seine Mitschüler am Karlsruher Großherzoglichen Lyzeum (heute Bismarck-Gymnasium) mit dem jungen Fußballsport. Bensemann erinnerte sich später an seine ersten Wochen in Karlsruhe:
„Im September 1889 ließ ich aus der Schweiz einen Fußball kommen; der Ball wurde morgens vor der Schule aufgeblasen und in der
10-Uhr-Pause musste bereits ein Fenster des Gymnasiums daran glauben. […] Direktor Wendt schickte uns auf den kleinen Exerzierplatz,
Engländerplatz genannt. Hier hatten zwei Jahre zuvor einige Engländer sowie Gymnasiasten Rugby gespielt. Wenige Tage nach der Übersiedlung
gründeten wir den ‘Karlsruher Footballclub’, der zuerst nur aus Pennälern bestand, dem aber in Kürze etwa 15 bis 20 Engländer beitraten.“
Der „International Football-Club“, den Bensemann schließlich am 16. September 1889 offiziell gründete, war der erste Fußballverein in Süddeutschland, der nach „Association“-Regeln spielte. Zu den Gründungsmitgliedern des Footballclub gehörten auch Walter Lüdhoff, der aus der Burenrepublik Oranje-Freistaat (heute Südafrika) stammte und dort zehn Jahre später im Burenkrieg fiel sowie der spätere Weinheimer Bürgermeister Dr. Karl Alexander Wettstein (Bürgermeister von 1912–1920). Beide machten sich neben Bensemann „um die Konsolidierung des neuen Vereins“ verdient.
Bald folgten dem IFC weitere Vereinsgründungen in Karlsruhe. Karl Geppert, späterer Verbandsfunktionär und Spieler des FC Alemannia (ein früherer Fusionsverein des Karlsruher SC) erinnert sich: „Im Allgemeinen war es so, dass der Besitz eines Balles zu einer Clubgründung führte. Schnell hatten sich ein Dutzend Jungen um den Ball und seinen Besitzer gesammelt und der Club war fertig. Der Ballbesitzer wurde nach dem Gewohnheitsrecht erster Captain und der beste Spieler Zweiter. Den Ball unterm Arm des ersten Captains zog die Schar von Platz zu Platz, um ihr Glück zu versuchen. Wurde kein freier Platz gefunden, so wurde von dem ungeschriebenen Gesetz Gebrauch gemacht, die am Platze spielende Elf mit den Worten zu begrüßen: Match oder Platz verlassen!. Fühlte sich die angesprochene Mannschaft stark genug, kam es zum Match, andernfalls verließ sie das Feld und kickte sonst in der Gegend herum. […] Es hat lange gedauert, bis wir wirkliche Tore erschwingen konnten; viele Monate hindurch wurde das Goal durch zwei Bäume, zwei Röcke, oder zwei Mützen gebildet. Diese natürlichen Hilfsmittel genügten vollkommen, um 30–40 Leute stundenlang, nachmittagelang zum Kicken anzuspornen“. Vereinswechsel waren zu dieser Zeit problemlos möglich. Die Fußballklubs unterschieden sich zunächst noch stark von bürgerlichen Vereinen, die eine sehr viel stärkere Bindungskraft aufwiesen. Man konnte sich einem Klub anschließen und nach einigen Spielen wieder für einen anderen weiterspielen. Dies änderte sich erst 1897 mit der Gründung des „Verbandes Süddeutscher Fußballvereine“.
Die junge Fußballszene erregte in Karlsruhe nicht zuletzt wegen der – für damalige Zeiten ausgefallene – Spielkleidung allzu oft Missfallen: „Natürlich wurde in langen Hosen gespielt, und diejenigen unter uns, die in kurzen Hosen über die Kaiserstraße gingen, um eine auswärtige Mannschaft abzuholen, erregten unangenehmes Aufsehen und fielen wegen auffälliger Kleidung unter einen Strafparagraphen der Schulgesetzte. Spaziergänger, die statt außen herumzugehen, mitten über den Engländerplatz wollten, zeigten sich oft sehr rabiat, wenn sie zufällig vom Ball getroffen wurden und holten gern einen Polizeibeamten herbei, der dann unsere Personalien feststellte“ (Walther Bensemann am 21. September 1929 in der Badischen Presse). IFC-Spieler Lüdhoff erhielt gar einen Strafzettel über fünf Mark wegen Beamtenbeleidigung, nachdem er wohl einem Polizeibeamten nicht ernst genug gegenüber trat. Die Hosen der KFVler ähnelten den späteren Knickerbockers. „Die Trikots waren einfache Leinenblusen aus buntem Stoff, die vorne zugeknöpft wurden. Der Mannschaftskapitän trug als Zeichen seiner Würde ein Samtkäppchen mit Quaste und eine breite Schärpe, die sich später zu einem Wimpelchen verkleinerte, das neben an der Hose befestigt wurde. Oftmals sah man den KFV-Kapitän Wetzler in diesem Aufzug seine Mama durch die Straßen der Stadt nach dem Sportplatz geleiten“ (Badische Presse, 30.5.1942, No. 124).
Gründung des KFV und Überzeugungsarbeit von Martha Langer
Allmählich entstanden im noch jungen International Football Club persönliche Spannungen zwischen Walther Bensemann und einigen anderen IFC-Mitgliedern. Näheres ist jedoch nicht bekannt. Bensemann und einige deutsche Mitschüler vermuteten wohl auch einen Nachteil im englischen Vereinsnamen, da sich die meisten Vorurteile der Bevölkerung gegen den Fußball als englischen Sport richteten. Bensemann trat mit seinen engsten Getreuen aus, um einen neuen Verein zu gründen. Am 17. November 1891, mittags auf dem Engländerplatz unter einem einzelnen dicken Kastanienbaum an der Südseite des Platzes kam man schließlich zusammen. Dicht umdrängten die Gymnasiasten mit ihren bunten Mützen den Redner Walther Bensemann. Im bewussten Gegensatz zum International Football Club, gab man dem neuen Klub den schlichten, rein deutschen Namen „Karlsruher Fußballverein” und wählte die Vereinsfarben hellblau und weiß. Unter der Spielleitung von A. Zimmer traten neunzehn Spieler in Bensemanns neuen Verein ein, u.a. Richard Drach, Ernst Langer, K. Wetzler, C. Roth, H. Helbing, W. Stutz, G. Just und R. Wagner. Gekräftigt begann man mit 25 Akteuren das Übungsspiel. Da Bälle und Torstangen dem Verein bereits gestiftet wurden, konnte mit dem Training sofort begonnen werden. In den ersten Wochen fanden noch keine sogenannten „Wettspiele“ (ein veralteter Begriff für Pflichtspiele oder offizielle Begegnungen) statt. Gegen den zunächst einzigen verfügbaren Gegner, dem International FC, mit dem man sich zuvor über die Nutzung des Engländerplatzes einigte, fand im März 1892 das erste Spiel des neu gegründeten KFV statt: „Es schien überhaupt, als ob kein Wölkchen am Himmel sich zeigen wollte. Das Interesse am neugegründeten Verein, dessen Spieler in ihrem hellblauen Blusen den Zuschauern einen hübschen Anblick boten, wuchs zusehends, zumal bei der Schuljugend“. Im ersten Spiel musste der KFV eine 0:1‑Niederlage hinnehmen:
1. Spiel des KFV, März 1892,
KFV – International FC Karlsruhe 0:1
KFV-Aufstellung: von Schleinitz, König, Stutz, Pfeiffer, Walther Bensemann, Ernst Langer, Roth, Werner, Helbing, Zimmer, Fritz Langer. Platz: Kleiner Exerzierplatz, Karlsruhe.
Von Kombinationsspiel konnte 1892 noch keine Rede sein, „dafür sah man schon recht beachtenswerte Leistungen in weiten Schüssen wie im Kopfspiel, und im Dribbeln“. Im gleichen Jahr (1892) gründete der KFV bereits eine Jugendmannschaft.
In der Anfangszeit des Vereins blieben die Engländer des IFC weiterhin das Maß aller Dinge. KFV-Gründungsmitglied Otto Jüngling schreibt dazu: „Der junge Verein hatte sich einen guten Lehrmeister genommen; es waren die Mitglieder eines in Karlsruhe schon länger bestehenden English F.C., also Engländer, die er auch schon im Frühjahr 1892 ein unentschiedenes Wettspiel lieferte“ (Anmerkung d. Redaktion: Vermutlich meinte Jüngling damit den IFC). Wie überall in der Gründerzeit des Fußballs, „so begegnete man auch hier der neuen Bewegung, nachdem sie durch den K.F.V. feste Formen angenommen hatte, mit größtem Mißtrauen“, erinnert sich der spätere Meisterspieler Ruzek an die Anfänge des KFV. Die Anfeindungen vor allem aus dem Bereich der nationalkonservativen und oft katholischen Lehrerschaft, Teilen des Adels und sehr massiv der Deutschen Turnerschaft gegen das „undeutsche“ Spiel Fußball begannen an Schärfe zuzunehmen, je größer die Popularität des Fußballs wurde. Dem „Deutsche Sprachverein“ missfiel der Gebrauch englischer Begriffe, die durch den Fußball nach Deutschland kamen. Schüler, die ohne Erlaubnis spielten, drohten empfindlichen Strafen, weshalb das Antreten mit Künstlernamen keine Seltenheit war. Neben der Missgunst aus breiten Schichten der Bevölkerung gab es immer wieder unvorhergesehene praktische Herausforderungen zu bewältigen: Das Hofforst- und Jagdamt drohte dem KFV beispielsweise mit Entzug der Spielerlaubnis auf dem Engländerplatz, dem bis dato einzigen „fußballfähigen Platz“ in Karlsruhe, da beim Aufstellen der Torstangen vor den Partien Löcher entstanden, die man in der Eile beim Abbau öfters vergessen hatte wieder zuzuschütten. Der Weg des jungen KFV war dennoch nicht ausschließlich von Widersachern gesäumt: In der Karlstr. 17, neben dem Restaurant „Moninger“, der späteren KFV-Stammkneipe, fand der KFV einen großen Schutzengel: Martha Langer, Mutter von fünf Söhnen, worunter Ernst, Fritz und Wilhelm eine gewichtige Rolle im KFV einnehmen sollten . Martha Langer „unterstütze den jungen Verein mit Rat und Tat und blieb, von dem hohen Wert des Rasensports einmal überzeugt, treu bei der Sache. Allen Vorurteilen zum Trotz erschien sie selbst an den Übungstagen am Fußballplatz und munterte ihre jungen Freunde auf, dem K.F.V. treu zu bleiben und durch ein schönes Spiel dem Sport neue Anhänger zu gewinnen, und dem Gerede über die Gefährlichkeit des Fußballspiels den Boden zu entziehen“. Sie ging auf andere Eltern zu, schrieb Briefe und wehrte sich oft temperamentvoll gegen die Kritiker. Mit großer Mühe musste stets bei den Eltern die Spielerlaubnis für die Söhne erbeten werden. Das Haus der Langers fungierte schon bald als ein Treffpunkt der örtlichen Fußballszene und wurde zu einem „Mittelpunkt des Kampfes gegen die Fußballfeinde“.
Kurioserweise war Martha Langers Mann der Forstrat des zuständigen Forstamtes, der die Löcher der Torstangen am Engländerplatz anmahnte. Ob die Familie Langer dadurch in Kontakt mit dem KFV kam, ist nicht bekannt. An Ostern 1892 war Bensemann zur Nachfeier von Ernst Langers bestandenem Abitur im Haus der Langers eingeladen (auch Bensemann machte in diesem Jahr Abitur). In der an Anekdoten nicht armen Runde gestand Bensemann seine Schwierigkeiten mit dem badischen Dialekt: „Er scheint mir der eleganteste und zugleich schwierigste von allen. Wissen Sie, neulich spielten wir auf dem Engländerplätzle gegen eine Klassenmannschaft des Gymnasiums, nun ja, wir waren natürlich überlegen und wischten ihnen auf den Flügeln immer wieder durch. Da rief der Kapitän des gegnerischen Teams seinen Verteidigern zu: „Heb sie doch!“ Worauf diese erwiderten: „Heb du sie doch, wannd ihne nachkommscht!“ Sehen Sie, so schön könnte ich es nie sagen“. Im September des gleichen Jahres eröffnete der KFV mit 25 bis 30 Aktiven und einer Jugendmannschaft die Spielzeit 1892/93. Das erste Spiel gegen einen auswärtigen Kontrahenten fand am 14. September gegen den FC Baden-Baden statt (7:0). Bei seinem ersten echten Auswärtsspiel seiner Vereinsgeschichte schlug der KFV die Baden-Badener im Rückspiel mit 3:1. Unter Ernst Langers Spielleitung gewann der KFV drei von sechs Spielen, zwei Spiele endeten unentschieden, bei einer Niederlage (gegen die mehrheitlich englische Mannschaft des College Heidelberg 0:1) und einem 22:4 Torverhältnis! „Gesellschaftsspiele“ oder „Wettspiele“ lauteten die gängigen Bezeichnungen für Freundschaftsspiele, die zu jener Zeit auch regelmäßig in auswärtige Städte führten. Dafür vereinbarte man meist je ein Spiel in der jeweiligen Heimatstadt des Kontrahenten, so dass dem ersten Spiel bald ein Rückspiel auf dem eigenen Platz folgte. Für damalige Verhältnisse forderte der Fußball den jungen KFVlern eine beachtliche Mobilität ab. Ein überregionales Straßennetz bestand erst in Ansätzen, sodass die Eisenbahn für Überlandverbindungen die erste Wahl war. Die Reisen führten zu einer Vertiefung von sozialen Kontakten unter den Fußballern, was den Aufbau der neuen „Lebenswelt Fußball“ förderte. Diese sozialen Vorzüge gepaart mit dem Bedürfnis nach räumlicher Freizügigkeit, was der Fußball durch die auswärtigen Spiele bot, waren zwei der zentralen Anziehungspunkte für die Fußballer der ersten Generation. Bensemannn finanzierte große Teile der Kosten des Spielbetriebs und der Reisen des KFV. Auch eine Reisekasse bestand zeitweise, in der bspw. Strafen aufgrund von Regelverstößen eingezahlt wurden und später zur Finanzierung einer Auswärtsfahrt aufgebraucht wurde. Die Reisepraktiken der Fußballer wurden von den Zeitgenossen mit großer Verwunderung wahrgenommen, so dass führende Turnfunktionäre in jener Zeit gar die „zunehmende Reiselust der Fußballvereine“ als „Wettspielpest“ anprangerten.

Erneuter programmatischer Streit und (Aus-)Gründung der Karlsruher Kickers
Binnen zweier Jahre wuchs der KFV auf über 100 Mitglieder. Schon bald etablierte sich ein junger Lehramtspraktikant aus Bensemanns Gymnasium neben dem Engländerplatz namens August Marx zunehmend als Autorität im noch jungen KFV. Der Akademiker Marx informierte sich gründlich über die Fußballbewegung in England und empfahl das Fußballspiel in den Schulsport mitaufzunehmen. Die mittwochs stattfindenden Fußballspiele auf dem Engländerplatz wurden vom Gymnasium anfangs als Spielenachmittag betrachtet. Marx fand erstmals mahnende Worte, insbesondere für die – nach seiner Meinung – unsozialen Reisepraktiken der Schülerfußballvereine, welche die Schüler vor Finanzierungsproblemen stellte und die voller Versuchungen steckten. Tatsächlich war es für die KFV-Spieler – trotz der gelegentlichen Unterstützung Bensemanns – „Ehrensache, die Auswärtsfahrten aus eigener Kasse zu bestreiten“ (Badische Presse, 30.5.1942, No. 124). Der spätere Nationalspieler Max Breunig ist für ein Spiel der KFV-Jugendmannschaft gar nach Pforzheim 35 km (!) gelaufen, weil er gerade knapp bei Kasse war. Marx‘ Bedenken zu den Reisepraktiken der jungen Fußballer richteten sich insbesondere gegen die, auf Reisen kaum vermeidlichen Wirtshausbesuche, welche nicht selten zu alkoholischen Exzessen und übermäßigem Rauchen führten („Keim zu den verschiedensten unerfreulichen Ausschreitungen“). Implizit kritisierte Marx wohl eines der organisatorischen und kulturellen Vorbilder der frühen Fußballvereine: Die studentische Verbindung. Bekannt für die Affinität zu exzessiven Alkoholkonsum lehnte Marx eine zu große Nähe zu solchen Verbindungen vehement ab. Roland Binz, Dozent an der Deutschen Sporthochschule Köln, resümiert das kernig: „Alkoholkonsum als eine Form des selbstorganisierten jugendlichen Initiationsritus und sexueller Erfahrungshunger sind zwei herausragende Bedürfnisse männlicher Adoleszenz, und die Gelegenheiten zu ihrer Befriedigung reizte eben auch zur Mitgliedschaft in Fußballvereinen vor der Jahrhundertwende“. Marx trat im KFV vehement dafür ein, keine Wettspiele sondern nur noch Übungsspiele an Werktagen auszutragen sowie auf Spiele gegen auswärtige Mannschaften gänzlich zu verzichten. Bensemann wurde schnell zu Marx‘ zentralen Opponenten innerhalb des KFV. 1894 schrieb Marx in Richtung Bensemann einen polemischen Artikel: „Wenn die Wettspiele sich häufen, wenn jedes Spiel mit seinem großen Apparat von Vorbereitungen zu einer Haupt- und Staatsaktion aufgebauscht wird, so gewinnt die Sache eine Wichtigkeit, die sie nach ihrem wahren Wert niemals hat noch haben darf, die dagegen sehr geeignet ist, die jungen Köpfe zu verwirren. … Und wenn vollends die Ergebnisse eines solchen Wettkampfes andern Tags in Zeitungsartikeln, abgefaßt in jedem unglaublichen geschmacklosen deutsch-englischen Jargon, ausposaunt werden, wenn dort der Sekundaner Müller oder der Tertianer Maier gedruckt lesen kann, welch ausgezeichnete Kraft die Welt an ihm besitze, wenn ein Wettspiel, bei dem schließlich zwei hiesige Vereine gegen einander kämpfen, unter dem bescheidenen Titel eines „Kampfes um die Meisterschaft des Kontinents“ in den Zeitungen angekündigt wird, dann ist eine an sich gute Sache zur reinen Karikatur verzerrt und jeder, der es mit unserer Jugend gut meint, wird gegen das Eindringen eines renommistischen und unwahren Wesens Front machen“.
Um 1893 setzte sich Marx im programmatischen Richtungsstreit des KFV schließlich durch und Bensemann verließ erneut einen von ihm gegründeten Verein. Zum zweiten Mal formierte Bensemann darauf einen Gegenverein: Die „Karlsruher Kickers” oder der „Meisterclub des Kontinents“, wie Bensemann den neuen Verein in aller Bescheidenheit nannte. Mit den Karlsruher Kickers sollte nun auch ein neuer Typus von Fußballklub geschaffen werden: Eine Art Auswahlmannschaft, in der die besten Spieler Süddeutschlands spielen. Mit Bensemann traten Dreiviertel der Mitglieder sowie 10 Spieler der ersten Mannschaft, u.a. auch seine Freunde Ernst und Fritz Langer, Roth, Ivo und dessen Bruder Erwin Schricker aus dem KFV aus. Nur noch ein dutzend Spieler hielten dem idealistischen jedoch nicht verbitterten August Marx die Treue. Die Kickers in ihren rot-blauen Blusen mit schwarzen Aufschlägen wurden zu einer erfolgreichen Mannschaft und verloren nur ein einziges Mal im ersten Jahr ihres Bestehens (insgesamt wurden 28 Spiele bestritten). Die Mannschaft erlangte schnell einen legendären Ruf in Süddeutschland, was auch daraus ersichtlich wird, dass viele Vereine sich ebenso „Kickers“ oder „Cickers“ nannten. So führten auch die 1899 gegründeten Stuttgarter Kickers ihren Namen auf die Karlsruher Mannschaft zurück. Auch die Etymologie dieses Fußballbegriffs fand in konservativen Reihen keine Freunde: „Jeder deutschfühlende Zuschauer kommt in Versuchung, einem solchen Bürschchen, wenn es von […] Kicken spricht, handgreiflich darzuthun, wie wenig sich das für einen deutschen Jungen passt“, schreibt der „Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland“ in seinem Jahrbuch von 1901.
Gleichzeitig gründete Bensemann am 4. Juni 1893 mit der Süddeutschen Fußball-Union (SDFU) den ersten regionalen Fußballverband im süddeutschen Raum, dem sich neben den Kickers und dem KFV auch Vereine aus Straßburg, Stuttgart und Baden-Baden anschlossen. Analog zum KFV führten auch im ersten Fußballverband programmatische Auseinandersetzungen zu Spannungen. Die Meinungen über das Tragen eventueller finanzieller Verluste bei Turnieraustragungen und die Regeln hinsichtlich des Umgangs mit Alkohol an Spieltagen ließen einen unvereinbaren ideellen Graben entstehen. Im Frühjahr 1894 eskalierte der Streit, als der Verband die Karlsruher Kickers vom Verbandsmitgründer Bensemann „wegen grober Verletzung seiner Pflichten“ ausschloss. Schon 1895 wurde der Verband wieder aufgelöst.



Vereinigung des KFV mit dem International Football Club
Die Weigerung an Wettkampfspielen teilzunehmen, führte den jungen KFV unterdessen fast in den Ruin. 1893 überwinterte der KFV nur mit drei Spielern. Doch die Rettung war in Sicht: Im Frühjahr 1894 vereinigte sich der KFV mit dem International Footballclub von 1889, der ebenfalls fast „pleite machte“. Ein großer Teil der englischen Spieler des IFC schloss sich nun dem KFV an. Der Name „Karlsruher Fußballverein“ wurde beibehalten, jedoch die Farben des International Football Club (rot und schwarz) übernommen. Die schwarz-rote Blouse auf dunklen Hosen wurde allerdings erst 1896 zum ersten Mal getragen (im Spiel gegen den 1. FC Pforzheim 7:2). Das Training leitete von nun an der Engländer Captain R. Cooper, der vorherige Kapitän und hervorragender Halbrechter der „Internationalen“, der in kurzer Zeit die neu formierte KFV-Mannschaft auf „Kombinationsspiel“, d. h. „Aufgabenteilung innerhalb der Mannschaft, Platzhalten, Stellungsspiel und Ball zuschieben […] Daneben überschätzte man allerdings die Kunst des Dribbelns.“ (Badische Presse, Nr. 122, 28.5.1942) drillte. 1893/94 standen dem KFV u.a. folgende Spieler zur Verfügung: R. Cooper, Richard Drach, Flex, Grevé, Mac Garvé, Hediard, Jacobs, Just, Ludwig Kammerer, Müller, Niebuhr, Puck, Wagner, Ziegler und Zimmer. Aufgrund der anfänglichen Schwierigkeiten wurden 1894 nur fünf Spiele ausgetragen, wovon zwei gewonnen und drei verloren wurden (Torverhältnis 9:11). Im Karlsruher Adressbuch von 1894 findet sich nun auch erstmalig die Erwähnung des Vereins unter den Namen „Roth R., I. Kapitän“.
„Da der internationale Club sich mit dem K.F.V. vereinigt hat, werden sich wohl manche gute Matches zwischen den beiden Clubs ergeben; besser wäre es freilich, alle die Clubs zu vereinigen“ kommentierte Bensemann den Zusammenschluss in der Zeitschrift „Spiel und Sport“ vom 24. 03. 1895 und ließ bereits durchblicken, dass er eine Rückkehr seiner Kickers zum KFV wohl nicht ausschloss. Ein Match zwischen dem gestärkten KFV und den Kickers ließ nicht lange auf sich warten: „Mit einem feinen Siege von 5:1 über die Treulosen, die Kickers, bewies die neue Schule ihre Überlegenheit; eine glänzende (englische) Läuferreihe unterstützte die gut zusammenspielende Stürmerreihe und konnte den nur dribbelnden Gegner leicht in Schach halten“ frohlockt der KFV 1912 rückblickend über den Ausgang der Partie. Doch bis zur Wiedervereinigung mit Bensemanns Kickers musste der KFV noch warten und erneut zwang der Spielermangel den KFV fast in die Knie. „Im Jahre 1894/95 konnte der KFV infolge seiner wenigen aktiven Spieler, zeitweise waren es deren fünf, keine Wettspiele veranstalten. Die älteren Spieler des KFV gingen von Karlsruhe weg, jüngere Spieler waren, da die Geschichten von Bensemann bekannt waren, keine zu bekommen. Es war ein wahres Glück, dass damals die wenigen Spieler so zusammenhielten, denn die Aussichten auf bessere Zeiten waren schlecht. So schlug sich der KFV bis 1895 durch, besseren Zeiten entgegensehend“, erinnert sich der spätere Meisterspieler Hans Ruzek in einem Artikel.
Doch die Geduld wurde bald belohnt: Die Kickers lösten sich 1895 wieder auf und Bensemann und seine Getreuen kehrten mehrheitlich zum KFV zurück. Bensemann wurde erneut der spiritus rector des Vereins. 1895/96 schien nach einem erneuten Zugewinn an Mitgliedern die Krise überwunden und der KFV konnte gar wieder zwei volle Mannschaften stellen. Bensemann vollzog schließlich die endgültige Abkehr von der Marx’schen Spielpraxis, auf Wettspiele zu verzichten. Marx hatte den Verein inzwischen verlassen.
Die Gepflogenheit des KFV nur werktags zu spielen, führte schnell zu einem Mangel an Gegnern und erneut fallenden Mitgliederzahlen. Erst im Herbst 1896 legte man den Charakter des Gymnasiastenklubs ab und spielte nun auch am Wochenende. Der KFV-Vorsitzende Ernst Roth schrieb 1904 zu dieser Emanzipation von der Schulwelt: „In den ersten Jahren des Bestehens ausschließlich Schülerklub, mußte man bald, gezwungen durch den Umstand, daß die Schüler zum Teil das Abiturium bestanden, zum Teil die Anstalt verließen, um sich dem Studium oder auch dem Kaufmannstande zu widmen, dringend veranlaßt durch die freundschaftlichen Beziehungen, die man mit Sportvereinen anderer Städte unterhielt, die Umbildung in einen den eingetretenen Verhältnissen entsprechenden größeren Sportklub vornehmen. So setzt sich der heutige Verein zusammen aus Schülern der hiesigen höheren Lehranstalten, aus Kaufleuten, Bankbeamten, Studierenden, höheren und niederen Staatsbeamten und Ingenieuren, eingeteilt in Junioren und Senioren. Zu diesen ersteren nehmen wir die Schüler der Mittelschulen bis zu Unterprima.“ Meist überließ der KFV in den vorangegangenen Jahren dem FC Phönix, dessen Mitglieder zum Großteil Kaufleute und Beamte waren, an Sonntagen den Engländerplatz, während der KFV – der vorrangig aus Schülern bestand – werktags spielte. Durch den ausgeweiteten Spielplan entstanden nun neue Konflikte aufgrund der knappen Platzressourcen in Karlsruhe: Lokalrivale Phönix beschwerte sich am 13. März 1899 beim Bezirksamt, dass er am Vortag „den Engländerplatz zum Spielen beschlagnahmt und seine Goalstangen längst aufgestellt“ hatte, „als der Fußballverein Frankonia sowie der Fußballverein zwecks Abhaltung eines Wettspiels anrückten und den Platz besetzten“.
März 1897: Das 0:10 gegen Straßburg bringt die sportliche Wende
Nachdem der KFV seine ersten Krisen überstanden hatte, ließ der nächste Schock – diesmal sportlich – nicht lange auf sich warten: Mit einem Rekordergebnis von 0:10 verlor er gegen den Straßburger FV! Die jungen Recken des KFV zogen sofort die Konsequenzen: „Das war ein teures Lehrgeld! […] neues Training begann – es wurde bei jeder Witterung trainiert, was bis dahin nicht geschah“, vermerkt die Vereinschronik zum 30. Jubiläum (1921). Auch eine Generalversammlung wurde unmittelbar einberufen, in welcher der noch recht jugendliche Unterprimaner Rudolf Wetzler zum neuen Spielführer gewählt wurde. Das Training zeigte schnell seine Wirkung: Mit 0:0 endete das Rückspiel gegen Straßburg.
Taktisch war das neue Spiel der Schwarz-Roten nun von einer offensiveren Ausrichtung geprägt, welche der energische, willensstarke Kapitän Rudolf Wetzler (geb. 19.01.1879, späterer Domänenrat bzw. Ober-Domänenrat (Finanzbeamter) in Baden-Baden, Emmendingen und Konstanz) vorgab:
„Das Hauptaugenmerk wurde auf eine gute Stürmerreihe gelegt, die den Ball durch Kombinationsspiel möglichst lange behalten musste. Die Verteidigung wurde dadurch entlastet; sie gewann Zeit, gegenüber neuen gegnerischen Angriffen die taktisch richtige Stellung einzunehmen und so die weitere Defensive vorzubereiten“.
In den 11 Spielen der folgenden Spielzeit wurden bis auf die beiden Spiele gegen Straßburg alle gewonnen. Im Oktober 1897 trugen die größten Vereine der Region bereits eine Art Privatturnier aus, an deren Ende der KFV mit acht aus neun Siegen die erfolgreichste Mannschaft war, sich dem Freiburger FC aber mit 2:7 geschlagen geben musste. Neben Wetzler etablierte sich eine weitere frische Führungspersönlichkeit im Verein: Friedrich Wilhelm Nohe. Neue Auseinandersetzungen mit Bensemann waren vorprogrammiert…
Die Spieler, die von 1896 bis 1898 eingesetzt wurden, waren Ernst Langer, Wilhelm Langer, Fritz Langer, E. Specht (gest. 1900), W. Müller, H. Roberts (Engl.), Howard I (Engl.), Howard II (Engl.), J. Carré, Rudolf Wetzler, Brodley (Engl.), Hans Ruzek, Mauerhoffer, Richard Drach, R. Cooper (Engl.), Fritz Gutsch, Albert „Bob“ Alterhaim, August Kistner (geb. 10.09.1881), Otto Jüngling, Alfred Walz, Baier, Fritz Gutsch, Julius „Julle“ Zinser, Levi, A. Tafel, K. Schmidt, Hock, Butz, Adolf (gest. 1973) und Karl Sauter sowie Ludwig „Louis“ Heck (geb. 24. 04.1880), der später Zahnarzt in Kehl und Bochum wurde.
Auch Friedrich „Fritz“ Gutsch (9. September 1878 in Karlsruhe – 23. März 1971 in Friedberg, Hessen) war ein KFVler der allerersten Stunde und stand bereits mit Walther Bensemann in den 1880er Jahren zusammen auf dem Engländerplatz. Der Verteidiger wurde 1905 mit dem KFV deutscher Vizemeister und trat daneben auch als Schiedsrichter auf den Platz. Der Bankangestellte heiratete 1920 in Frankfurt am Main Antonia Cäcilie Schmorl und zog mit ihr 1961 in das hessische Friedberg.





Erster offizieller Verbandswettbewerb und internationale Wettspiele
Am 17. Oktober 1897 wurde in der Karlsruher Gaststätte „Zum Landsknecht“ mit dem Verband Süddeutscher Fußball-Vereine (VSFV) einer der ersten Fußballdachverbände gegründet, dessen Vorsitzender ab Ostern 1898 nicht zufällig der KFV-Vorsitzende Nohe wurde, der den Interimsvorstand u.a. mit dem KFVler Richard Drach (später Regierungsbaumeister und Oberbaurat) teilte. Damit begann die Zeit der Austragung von offiziellen Meisterschaftsspielen! 1898 nahm der KFV an der erstmals ausgespielten süddeutschen Meisterschaft teil, die durch den VSFV organisiert wurde. Fritz Gutsch, bekannt durch seine „nachahmenswert vornehmen Spielweise“ löste Wetzler als KFV-Spielführer ab (Wetzler dagegen spielte 1898/99 kurzzeitig für den Freiburger FC und gewann die Süddeutsche Meisterschaft, kehrte jedoch bald wieder zurück und wurde 1921 KFV-Ehrenmitglied). Schon im ersten Rundenspiel verlor der KFV gegen den späteren Sieger, den Freiburger FC, mit 0:2. Mit Fritz Gutsch – eigentlich Verteidiger der Schwarz-Roten – stellte der KFV immerhin den Schiedsrichter der Finalpartie um die süddeutsche Fußballmeisterschaft.
Die ersten Meisterehren blieben den KFV damit versagt. Hunderte Zuschauer umjubelten dagegen kurz darauf das furiose 7:0 des KFV im Privatspiel gegen den belgischen Meister FC Lüttich an Ostern 1899. An diesem Tag kam es zu einer schicksalhaften Begegnung, die den Verein im kommenden Jahrzehnt prägen sollte:
„Es war ein Bild für Götter, als er […] in Regen und Wind mit der Kutsche am Exerzierplatz vorfuhr. Die beiden Schimmel standen hinten und ließen mit hängenden Köpfen die Wasserbächlein über sich rinnen, Prinz Max war Feuer und Flamme beim Spiel. Ein Lakai stand dabei und hielt ihm den Regenschirm über den Kopf“ (Badische Presse, 3.6.1942, No. 127). Prinz Max, der schon 1887 auf dem Engländerplatz Rugby gespielt haben soll, wurde im Oktober 1905 Schirmherr des KFV.
Am 21. Mai 1899 gewann der KFV 1:0 gegen die Berliner Viktoria, die Bensemann nach Karlsruhe kommen ließ und in jener Zeit als die unbestrittene Elitemannschaft Berlins galt. Der KFV spielte mit: Wilhelm Langer, Fritz Gutsch, A. Tafel, Karl Sauter, Ernst Langer, Albert Alterheim, Hans Ruzek, Louis Heck, Julius Zinser, Rudolf Wetzler und Fritz Langer.
Nachdem Bensemann eine englische Mannschaft nach Deutschland einlädt, wo diese u.a. in Karlsruhe am 28.11.1899 gegen eine deutsche Auswahl
antritt (eines der sogenannten Urländerspiele), kommt es zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen ihm und der Führung des süddeutschen Fußballverbandes, an dessen Spitze Nohe stand. Bensemann wird daraufhin für mehrere Jahre aus dem Verband ausgeschlossen. Der KFV-Gründer stand nun insbesondere in Opposition zum Verbandschef und gleichzeitig auch neuen KFV-Vorsitzenden Nohe, der den KFV für eine erneute Erklärung gegen Bensemanns Unternehmungen (Einladung englischer Mannschaften nach Karlsruhe) gewonnen hatte und der Bensemann persönlich eine Intrige vorwarf, da er KFV-Spieler nötigte für das England-Gastspiel kurzfristig aus dem Verein auszutreten. Bensemann wiederum warf Nohe vor, selbstherrlich im KFV durchzusetzen was ihm beliebt und durch eine Doppelfunktion als Vorsitzender des Verbandes süddeutscher Fußballvereine die anderen Klubs zu geißeln. Bensemann kommentiert im „Spiel und Sport“ verärgert etwas über die Maßen: „Nun ja, für den Verein gab es keine Wahl, nein, wirklich nicht. Die Stellung seines autokratischen Leiters schnitt ihm jede Möglichkeit ab, den illiberalen Tendenzen des Verbandsvorstandes energischen Widerstand entgegenzusetzen. Fritz Langer und Julle Zinser haben den Verein im Zorn verlassen, die besten Stürmer also sind fort, und aus dem alten Ruhm des KFV ist eine Chimäre geworden“. Die erwähnten KFV-Spieler Langer und Zinser (spielte kurzzeitig für die Frankfurter Kickers) kehrten jedoch nach kurzer Zeit wieder zum KFV zurück.
Auch der Berliner Fußballpionier Gustav Manning (1873–1953) meldete sich in dem Streit zu Wort und warf Bensemann vor „auf die Idee seiner nationalen und internationalen Fußballpolitik“ verfallen zu sein und „von wohlbekannter dritter Seite [Manning spielte hier auf Bensemanns Freund Schricker an] nach seinem missglückten Pumpversuche anderwärts das Geld geliehen hatte“, um die Partien deutscher Auswahlmannschaft gegen internationale Gegner (sogenannte Urländerspiele) zu finanzieren. Die persönlichen Fehden zwischen Bensemann, Schricker sowie Manning und Nohe rissen Gräben durch die Intellektuellen der deutschen Fußballszene. Doch auch das Verhältnis zwischen den Langer-Brüdern und Bensemann kühlte sich spürbar ab. Oft genug überwarfen sich die Pioniere aufgrund ihres autokratischen Führungsstils, programmatischer und ideeller Divergenzen, persönlicher Geltungsbedürfnisse sowie unvereinbarer Vereins- und Verbandsinteressen.
Apropos Verband: Auch 1899 gab es mit dem „Karlsruher Fußballbund“ einen neuen Verband, an dem neben dem KFV, auch die Vereine Phönix,
Frankonia, Germania, Alemmania, Victoria und Südstadt Mitglied wurden. Bensemanns neuen Verband war aber nur eine sehr kurze Lebenszeit
beschieden. Bensemanns Freund Fritz Langer wurde zum Kapitän der Auswahlmannschaft des Verbandes ernannt. In der einzig ausgetragenen
Meisterschaft des Verbandes – quasi eine Stadtmeisterschaft – gewann der KFV mit 9:0 gegen Phönix. In der süddeutschen Fußballmeisterschaft
verlor der KFV, nach einem Sieg gegen die Mannheimer FG 1896, nur knapp gegen den Straßburger FV das Finale um die süddeutsche Meisterschaft
1899/1900 (3:4). In dieser Saison hatte Otto Jüngling die Spielwartgeschäfte des KFV übernommen.
Die gleichstarke, homogene Stürmerreihe des Klubs war der Nukleus der neuen KFV-Erfolgsserie. Nicht selten führte diese Stärke zu zweistelligen Ergebnissen, gipfelnd in ein 29:0 gegen den FC Kaiserslautern am 4. August 1901: An diesem Augusttag „erteilten die damals schon auf einsamer Höhe stehenden Karlsruher dem jungen F.C.K. eine mehr als derbe Lektion […] Karl Seifert stand ratlos im Tor […] und als Tor um Tor fiel verlor die Mannschaft ganz das Vertrauen zu sich selbst und ließ einen Torsegen über sich ergehen“ (aus der Kaiserslauterner Vereinschronik): Der höchste Sieg der Vereinsgeschichte des KFV. Am 3. Juni 1900 schlug er den bisher ungeschlagenen DFC Prag, „die damals beste Mannschaft des europäischen Festlandes“, mit 5:1‑Toren. Immer furioser und ausladender wurden die Ergebnisse des KFV. Selbst die zweite Mannschaft kam in fünf Spielen auf 42:6‑Tore.




KFV als DFB-Gründungsmitglied
Am 28. Januar 1900 war der KFV einer der 86 Vereine, die im Rahmen des „I. Allgemeinen Deutschen Fußballtags“ den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gründeten. Vertreten wurde der KFV durch Gustav Manning, Sohn eines jüdischen Kaufmanns und junger Doktor der Medizin. Manning war gleichzeitig Repräsentant von Vereinen aus Mannheim, Pforzheim, Hanau und Straßburg, während Bensemann den FC Phönix und den Karlsruher FC Südstadt auf der Gründungsversammlung vertrat. Bensemann beantragte als Delegierter den Namen „Deutscher Fußball-Bund“ (DFB) statt wie vorgeschlagen „Allgemeiner Deutscher Fußball-Bund“ (ADFB) und verpasste dem Verband so seinen bis heute bestehenden Namen. Auch das Image des Fußballs verbesserte sich zusehends. Der Sport wurde immer populärer und man war sich dessen auch bewusst. KFV-Ehrenmitglied und Landtagsabgeordneter Dr. Karl Heimburger (1859–1912) gab den Fußballern in diesem Kontext folgenden Leitsatz mit auf den Weg: „Wenn die Rose sich selbst schmückt, schmückt sie auch den Garten“.
Erster Titel: Süddeutscher Meister 1901
In der Saison 1900/01 wurde von 18 Wettspielen keines verloren (bei einem Torverhältnis von 146:5). Nach einem 9:0 gegen die Stuttgarter Kickers stand der KFV im Halbfinale der süddeutschen Meisterschaft gegen den FC Bayern München, der aber nicht antrat. Kampflos gelang der KFV ins Finale, wo er die Germania 94 Frankfurt schlug: Der KFV war damit zum ersten Mal süddeutscher Meister und der erste Titel der Vereinsgeschichte perfekt.
Seit Februar 1900 wurde der KFV spielerisch durch einen neuen Mittelläufer verstärkt, der neben Bensemann und Nohe in Zukunft die Geschicke des Vereins stark beeinflussen sollte: Ivo Schricker. Am 2. Februar 1902 gab er sein Debüt im Spiel gegen seinen bisherigen Stammverein, dem Straßburger FV (9:0). Am 14. April 1901 musste sich auch eine süddeutsche Verbandsmannschaft „dem Verein“ mit 1:2 geschlagen geben. Mit Leichtigkeit gewann der fast schon als unschlagbar geltende KFV mit einem 7:2 gegen den Straßburger FV, 5:1 gegen den 1. FC Pforzheim und zog erneut ins Finale der süddeutschen Meisterschaft ein. Am 6. April 1902 besiegte der KFV dort den 1. Hanauer FC 93 in Hanau klar mit 4:0. Die zweite von acht süddeutschen Meisterschaften war damit gewonnen. Von 1900 bis 1902 verlor der KFV kein einziges Spiel gegen eine süddeutsche Mannschaft. Einzig der Mannschaft der Universität Oxford unterlagen die Karlsruher mit 1:3. Die Engländer mussten auf ihrer Reise durch Kontinentaleuropa in Karlsruhe jedoch das erste Gegentor ihrer „Tournee“ hinnehmen! Am abendlichen Festbankett erklärten die Engländer noch niemals gegen eine so starke Mannschaft auf dem Festland gespielt zu haben.
30. 03. 1902: KFV – Oxford University A.F.C. 1:3
KFV-Aufstellung: Wilhelm Langer, Jacques Johann Zweerts, A. Holdermann, „Bob“ Altenhain, Ivo Schricker, Karl Sauter, Hans Ruzek, Louis Heck, Julius Zinser, Rudolf Wetzler, Otto Jüngling.
Platz: Karlsruhe, Schiedsrichter: Egetmeyer



