Rafet Bekir – 22.Mai 1899 in Konstantinopel/ Istanbul – 5. April 1977 in Karlsruhe
Am 4. September 1921 hatten Emil und Seppl Oberle, Spieler des FC Phönix Karlsruhe, die in Konstantinopel aufgewachsen waren, ein Freundschaftsspiel ihres Teams gegen Galatasaray Istanbul (damals noch „Galata-Serai Konstantinopel“) im Karlsruher Fasanengarten organisiert. Phönix Karlsruhe gewann zwar mit 1:0, doch der nur 1,60 Meter große Rafet Bekir der türkischen Mannschaft stahl mit seiner „katzenartigen Geschmeidigkeit“ und einem perfekten Salto mit gleichzeitigen, beidbeinigen Weiterleiten des Balles den Karlsruhern die Show. Rafet wurde zuvor von Galatasary eigens für die Auslandstournee, die von Genf, Lausanne über Karlsruhe, Frankfurt und Norddeutschland führte, vom Lokalrivalen Besiktas ausgeliehen. Als sich Bekir beim darauf folgenden Spiel gegen den HSV verletzte, wurden die Oberle-Brüder aktiv: Die beiden Phönix-Spieler, die der türkischen Sprache noch mächtig waren, besuchten den Türken im Hamburger Krankenhaus und überzeugten ihn, nach Karlsruhe zu ziehen und für Phönix aufzulaufen. Bekir ließ sich auf das Abenteuer ein, zog nach Nordbaden, schrieb sich an der Universität ein und avancierte schnell zum Star der Schwarz-Blauen. Noch Jahrzehnte später schwärmt die KSC-Chronik von ihm: „Wie wunderbar sah das doch aus, wenn er als kleiner Spieler, der er war, vor dem Tor oft so hoch sprang, daß sein Kopf über der Torlatte auftauchte, oder wenn er mit dem rechten oder linken Fuß auch aus größter Entfernung so unheimlich scharf schoß, daß der gegnerische Torwächter überhaupt nicht reagierte“. Nach zwei Jahren wechselte Bekir nach Pforzheim.


1926
zog es ihn schließlich zum KFV, wo er mit elf Jahren Spielzeit die längste
Station seiner Karriere einlegen sollte. Für den KFV erwies sich Bekir als
absoluter Glücksgriff: Der Innenstürmer verfügte über Spielverständnis,
Übersicht und Sprungkraft. 1930 ließ er sich im Spiel gegen seinen Ex-Verein,
dem Lokalrivalen FC Phönix, zu einem rüden Foul gegen den Torwart hinreißen,
für das er 13 Wochen gesperrt, schließlich aber vorzeitig begnadigt wurde („Der
ritterlichste und fairste Spieler der KFV-Mannschaft hatte bei einem
Zusammenstoß mit dem Phönixtorwart ‚schlagfertige‘ Selbstjustiz geübt oder
auszuüben versucht. Beides gilt als Tätlichkeit. Platzverweis war also der
Paragraphenweisheit letzter Schluß“, Badische Presse). Ein Trainerengagement des
Türken beim VfR Bretten scheiterte 1931, an der zu hohen Vergütung von 200 Mark
pro Monat, die Bekir für sich vorsah.
In
Istanbul hatte der junge Bekir von Engländern das Fußballspiel gelernt. Mit 19
Jahren bestritt er bereits sein erstes von insgesamt drei Länderspielen für die
Türkei. Sowohl 1924 in Paris als auch 1928 in Amsterdam nahm er an den
Olympischen Sommerspielen teil. Auch für die badische Verbandsmannschaft lief
Bekir auf. In seiner türkischen Heimat blieb er unvergessen. Am Bosporus wurde
er liebevoll „Bombacı“ (türkisch für „Bomber“) genannt. Für einige
Gastauftritte kehrte er gelegentlich nach Istanbul zurück. Sein letztes
Pflichtspiel für den KFV bestritt er als 38-jähriger beim VfL Neckarau im April
1937 in der Gauliga Baden.

Nach seiner aktiven Karriere führte Bekir jeweils einen Kiosk an der Ecke Karlsstraße/Kaiserstraße sowie an der Schützenstraße und lebte mit seiner Frau Else (seit 1979 ebenso KFV-Mitglied) in Ettlingen. Mit 78 Jahren verstarb der große Bombaci an Herzschwäche in Karlsruhe und wurde nach islamischer Tradition begraben zu der eigens der türkische Generalkonsul anreiste. „Ich bin als Türke geboren und möchte auch als Türke sterben“, so Bekir, in einem Zeitungsinterview kurz vor seinem Tod.
Vereinsstationen:
Fenerbahçe Istanbul 1913-1916, Altınordu İdman Yurdu 1916-1918 İttihatspor 1919-1920, Galatasaray Istanbul 1921, FC Phönix Karlsruhe 1921-1923, 1. FC Pforzheim 1923-1926, Karlsruher FV 1926-1937

