in diesem Beitrag geht es um die Jahre 1903-1914
Die Gebrüder Link oder warum der KFV 1906 als amtierender Vizemeister nicht an der deutschen Meisterschaft teilnahm
Der beidfüßig spielende Heinrich Link kam zusammen mit seinem Bruder Eugen von Frankonia Karlsruhe zum KFV. 1905/06 besaß Heinrich Link nur eine Spielgenehmigung für die zweite Mannschaft des KFV und durfte folglich zunächst nicht für die erste Mannschaft spielen. Dennoch wurde er in der ersten Mannschaft eingesetzt, mit dramatischen Folgen: Alle Spiele der Saison 1905/06 wurden gegen den KFV gewertet. Für die Deutsche Fußballmeisterschaftsendrunde wurde der amtierende Vizemeister disqualifiziert. Der peinliche Reglementverstoß wurde später beschwichtigend im Sinne einer „Disqualifikation wegen Formfehler“ totgeschwiegen. Eugen und Heinrich Link blieben dem KFV weiter erhalten. Aus beiden Spielern wurden später erfolgreiche Trainer: Heinrich Link wurde 1921/22 vom FV Daxlanden als Trainer verpflichtet. Link gelang es mit Daxlanden Meister der B-Klasse zu werden und stieg mit einem Sieg im Entscheidungsspiel gegen Söllingen in die A-Klasse auf. Nach einer durchschnittlichen Runde 1922/23 wurde der FVD im darauffolgenden Jahr Meister in der A-Klasse und schaffte damit den Einzug in die erstklassige Kreisliga. Schon im ersten Jahr konnten Links Schützlinge hinter dem Meister KFV den 2. Platz erringen. Eugen Link trainierte 1925 den 1. FC Bruchsal, der u.a. vom damaligen KFV-Spieler Quasten unterstützt wurde und nur knapp den Sprung in die Bezirksliga Württemberg/Baden, der damaligen höchsten Spielklasse, verpasste. 1934/35 wurde Eugen Link Trainer der 1. Mannschaft des KFV.
Die Gebrüder Zinser – Architekten auf und neben dem grünen Rasen
Die Gebrüder Gottfried jun. Und Julius Zinser (1879 – 13. Mai 1929) traten schon früh dem KFV bei. Beide waren auch erfolgreich im Rudern und errangen den ersten Sieg bei einem Auslandsstart des Karlsruher Ruder-Vereins „Wiking 1899“ in Luzern im Zweier. Julius Zinser war der talentiertere Fußballer der Bürder und wurde 1905 Vizemeister mit dem KFV. Sowohl Gottfried als auch Julius traten in die die Fußstapfen ihres Vaters und wurden Architekten. Nach Julius Zinsers Plänen wurde u.a. 1912 die Fabrikhalle der Heidelberger Federhalterfabrik gebaut sowie das Heinsteinwerk Heidelberg, welches im gleichen Zeitraum entstand (heute beherbergt das Gebäude u.a. einen deutsch-französischen Kindergarten). Zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters starb KFV-Vizemeister Julius Zinser 1929 nach kurzer Krankheit in Karlsruhe. Von seinem Bruder Gottfried Zinser stammen die Entwürfe des Klubhauses des KFV von 1909.
Flucht auf dem Fahrrad: Breunig und Hirsch in Not
(aus der Badischen Presse vom 8.1.1928, No. 13)
Soeben hatte an einem wunderschönen ersten Maitag 1910 der K.F.V. seinen ebenbürtigen Rivalen Phönix im schweren Kampf des Zwischenrundenspiels um die Deutsche Meisterschaft besiegt. Er, der weniger hart Getroffene, von zwei Unglücklichen, wurde zum Ventil, durch welches sich die Enttäuschung der in ihrer Überzahl phönixgetreuen Zuschauer Luft machte. Der Abstrom der Enthusiasten bildete Wirbel. Am Eck der Telegraphenkaserne staute er sich und glich einem grollenden Wasserbecken, das jeden Augenblick seine Massen über zwei arme Radfahrer schütten konnte: Max Breunig und Julius Hirsch.
Das Murren der Fanantiker ging in Schmähungen über: „Da kommet se, de Maurer!“ Ganz freche höhnten: „Maurerbuwe!“ Andere markierten moralische Entrüstung: „Solltet euch schäme! Hätt‘ leicht no‘ ein paar Mann ausleihen müssen, für Euer Tor zu verkleistern!“ Ganz rabiate warfen ernstlich die Frage auf, ob sie den Radfahrern, die noch nicht aufgesessen waren, überhaupt einen Abgang, zum mindesten aber einen bößen gönnen sollten. Eine Menschenkette zog sich über die zum allzeit staubigen Exerzierplatz führende Straße. Der große, pechhaarige, ewig gelb gesichtige Max bewegte nicht im Geringsten die Lippe. Er schwang sich seelenruhig auf sein gar nicht gepflegtes Rad trat dann gemütlich die Pedale, und erst als der Renner sich quietschend fortbewegte, drehte er sich um, pfiff seinem Juller und rief ihm lachend zu: „Schau nur, daß du nachkommst Juller, gleich leg‘ ich e‘ mächtiges Tempo vor! Die erbosten Phönixanhänger hatten schon längst ihre Hände gelößt, staunend bildeten sie das Spalier für die beiden K.F.V.-ler die sich auf ihren ächzenden „Rennern“ im Zuckeltrab fortbewegten und mit keinem Gedanken der Meute achteten, die sich damit begnügte, ihnen nur ein paar knurrende Leute nachzuschicken. Langsam entschwanden beiden den Blicken der Gebändigten. Zuletzt war nur mehr Hirschens großer Kapuzenmantel zu sehen, der im Rande des Exerzierplatzes und vor dem Mailüftchen wie der Burnus eines Arabers flatterte.
Früher Altmeister gegen späten Rekordmeister: Die erste Begegnung gegen die Bayern
(Aus der Chronik des FC Bayern München)
„Das erste Spiel gegen den K.F.V.
Einen neuen Antrieb erfuhr der F.C. Bayern durch das größte sportliche Ereignis seiner Jugendjahre, als nämlich der damalige Süddeutsche Meister „Karlsruher Fußball-Verein“ auf dem Platz an der Clemenstraße im Mai 1905 nur mit einem Haar seiner ersten Niederlage entging. Mit einem 0:0 zog der gefürchtete K.F.V. damals ab. Das war aber auch ein Spiel wie man es bis dahin in München noch nicht gesehen hatte. Freilich war es nicht so einfach, den berühmten K.F.V. nach München zu bekommen; denn in der Kasse waren wenige Mark und der Einnahmen bei den vorausgegangen Spielen waren ebenfalls nur wenige. Aber der K.F.V. mußte her, koste was es wolle. So gab man denn an die Mitglieder Gutscheine hinaus, um wenigstens das Fahrgeld wie verlangt, vorher nach Karlsruhe senden zu können.“














Der KFV schreibt deutsche Fußballgeschichte
Die große Zeit des Karlsruher Fußballvereins begann ohne Zweifel nach der Jahrhundertwende, als die Mannschaft von 1901 bis 1905 fünfmal in Folge Süddeutscher Meister wurde – das erste Endspiel der seit 1898 ausgespielten Meisterschaft hatte der KFV noch mit 0:2 gegen den Freiburger FC verloren.
Süddeutscher Serienmeister ohne Glück in der Deutschen Meisterschaft
Auch in den Jahren 1909 bis 1912 wurde der KFV, dessen Mitgliederzahl im Jahr 1908 auf 355 gestiegen war, noch dreimal Süddeutscher Meister. Aber erst im Jahr 1910 gewann der Verein, der zeitweise das deutsche „Dream-Team” seiner Zeit war und zuvor wiederholt nur knapp diesen Titel verpasste, die ersehnte Deutsche Meisterschaft. Zu den Kuriosa der deutschen Fußballgeschichte gehört dabei ohne Zweifel, dass die KFV-Verantwortlichen im Jahr der erstmals ausgespielten Deutschen Meisterschaft 1903 auf ein gefälschtes, angeblich vom Deutschen Fußballbund abgesandten, Telegramm hereinfielen, mit dem das Halbfinalspiel in Leipzig gegen Prag abgesagt wurde. Die Karlsruher traten nicht an, und das Spiel wurde trotz aller Proteste des KFV für Prag gewertet. Nach Meinung vieler zeitgenössischer Experten verpasste mit dem KFV die damals spielstärkste deutsche Mannschaft den ersten Meistertitel.
Auch im folgenden Jahr scheiterte der KFV, da er das erste Endrundenspiel gegen Britannia Berlin mit 1:6 verlor. Etliche Stammspieler des KFV hatten keinen Urlaub für die lange Reise nach Berlin bekommen und die Bahnfahrt steckte den Spielern, die zur Halbzeit noch nur knapp mit 1:2 hinten gelegen hatten, zudem in den Knochen. Da das Spiel aber entgegen der Regel nicht an einem neutralen Ort stattfand, war der KFV auch nur unter Protest angetreten. Das neue DFB-Präsidium unter der Leitung des KFV-Vorsitzenden Friedrich Wilhelm Nohe gab dem Einspruch des KFV statt und setzte die Deutsche Meisterschaft in diesem Jahr kurzerhand aus.
Nun wurde die Mannschaft gezielt verstärkt, in der Spielrunde 1904/05 standen mit dem Verteidiger Adolf Bouvy und dem Torhüter Schierbeek gleich zwei Niederländer in der Mannschaft. Doch auch mit diesen beiden Verstärkungen verpasste der KFV, die „Mannschaft der Stunde”, die Deutsche Meisterschaft erneut knapp. Zuvor in allen Spielen ungeschlagen unterlag man im Endspiel Union 92 Berlin, wenn auch unglücklich mit 2:0. Das Torverhältnis von 109:27 am Ende des Spieljahres belegt die Dominanz des KFV und die Durchschlagskraft des Sturms, den Zeitgenossen als ideal bezeichneten.
11. Juni 1905, Köln: Niederlage trotz holländischer Unterstützung
Endlich war es geschafft! Der KFV stand nach dem 1:0 gegen den Duisburger SV zum ersten Mal im Finale der deutschen Meisterschaftsendrunde. Die Duisburger waren nach einem sehr zähen Kampf besiegt worden, „indem Zinser aus ca. 3 Meter Entfernung einen von Holdermann gezenterten Ball ungedeckt einsenden“ konnte (Neue Sportwoche, 28.05.1905). Die Anfahrt der Spieler und Fans zum Endspiel kannte 1905 noch andere Dimensionen: Neben dem Fahrgeld zahlte der DFB 15 Mark für Unterkunft und Verpflegung. Für den Berliner Kontrahenten des KFV führte der Weg vom Anhalter Bahnhof in der vierten Klasse (Holzbänke) nach Köln, wo sich die Hauptstädter abends erst noch um eine Unterkunft bemühen mussten. Die Berliner Mannschaft wurde von genau einem(!) Schlachtenbummler begleitet: August Winkler, der vom Beruf Löwenbändiger war. Elf solcher Löwenbändiger waren auch auf dem Platz vonnöten, wenn man der zeitgenössischen Sportpresse glauben mochte, die den KFV bereits als großer Favorit handelte. Gekommen ist es – wie so oft im Fußball – ganz anders: Nach 10. Minuten war es schon passiert: „Wagenseil […] ließ eine Flanke Pisaras raffiniert abrutschen und am verdutzten Hüter vorbei ging der Ball hinein“. KFV-Keeper Schierbeek lag mit dem Spielball geschlagen in der rechten Ecke des Tores: 1:0 für Berlin. Geschockt vom frühen Gegentor gelang es den Badenern nicht mehr, entscheidende Spielanteile zu gewinnen. Interessante Randnotiz: In großer Zahl wohnten Holländer (mehrheitlich von Sparta Rotterdam) dem Endspiel in Köln bei. Ob das an den beiden niederländischen KFV-Spielern lag? Offensichtlich war zumindest, auf welche Partei sich der westliche Nachbar schlug: Mit dem Schlachtruf „Hepp, hepp Karlsruhe“, feuerten sie den KFV frenetisch an. Doch auch in der zweiten Hälfte zeigten die Karlsruher keine Leistungssteigerung. Das „Lauf-, Stoß- und Schwungspiel, [..] das blitzschnelle, von Kurt Heinrich bestimmte Kombinationszüge eingeflochten wurden, spitz und eckig genug“ überraschte den Favoriten. In der 50. Minute sicherte Kurt Heinrich „den Ball, gab ihn flach an Mittelstürmer Frühde, dieser umspielte – Schricker (!!). Der beste Spieler des KFV war Ivo Schricker. Er „trug die ganze K.F.V.-Mannschaft auf seinen Schultern. So war sie durch den unvermuteten Elan der Reichshauptstädter aus den Fugen gegangen“. Dann ein Blitz-Kreuzpaßball zu Pisara, der das ganze Feld aufrollte. Der aalgewandte Linksaußen ging durch. Einen Augenblick besann er sich: sollte er schießen? Schneller als gedacht und gesagt, entschloß er sich zu etwas Besserem, – er gab an seinen Nebenmann rechts ab. Herzog stand so günstig vor der entblößten Torhälfte, daß ein Ruck genügte, um den Ball unheimlich scharf gegen die Netzwand zu stoßen“. Der KFV-Goalmann Schierbeek zeigte ein famoses Spiel, Fritz Gutsch, Adolf Bouvy und Rudolf Wetzler enttäuschten hingegen. Nach dem Spiel wurden beide Mannschaften vom DFB zu einem Bankett eingeladen. Der gastgebende Verein Köln 99 (ein Vorgänger des 1. FC Köln), überreichte den gewinnenden Berliner einen Lorbeerkranz mit roter Schleife und einer Widmung. Kuriose Begleiterscheinung: Wieder angekommen in Berlin, wurden die Spieler der Union wegen der roten Schleife von Polizisten angehalten, da sie in den Spielern verkappte Sozialisten vermuteten, die auf dem Weg zu einer Kranzniederlegung waren („Aber mit Humor und einer Portion Berliner Mutterwitz konnte die Situation geklärt werden“). In Berlin selbst nahm man nicht viel Notiz von der gewonnen Meisterschaft. Union Berlin fusionierte später übrigens mit Vorwärts 90 Berlin zum SV Blau-Weiß 90 Berlin, der 1987 ein kurzes Intermezzo in der Bundesliga einlegte, ehe er 1992 Konkurs anmeldete und schließlich aufgelöst wurde. Als Nachfolger gründete sich 1992 ein Fußballverein mit gleichen Namen, der sich als Nachfolger sieht.
In Köln-Merheim auf dem Platz von Köln 99, standen sich die beiden Kontrahenten 1905 in einem der bedeutendsten Sportstätten Deutschlands gegenüber: Im Weidenpescher Park. 2002 wurden hier noch die entscheidenden Spielszenen für den Film „Das Wunder von Bern“ gedreht. Es ist das Stadion mit der wahrscheinlich ältesten Holz-Stahl-Tribüne des Landes. Ab 2012 wurde das alte Spielfeld teilweise als Parkplatz benutzt.
Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1905, 11. Juni 1905:
Berliner TuFC Union 92 – KFV 2:0 (1:0)
KFV: Willem Christiaan Schierbeek, Fritz Gutsch, Adolf Bouvy – Wilhelm Langer, Ivo Schricker, Max Schwarze, Franz Ruzek, Louis Heck, Rudolf Wetzler, Julius Zinser, A. Holdermann
Stadion: Weidenpescher Park, Köln. Zuschauer: 3.500,
Schiedsrichter: Dr. Reginald Joseph Westendarp (Hamburg)
Tore: 1:0 Wagenseil (10.), 2:0 Herzog (50.)
Auch 1905/06 verfügte der KFV noch über eine starke Mannschaft, die in Freundschaftsspielen zum Teil spektakuläre Ergebnisse erzielte, zu dem 8:0 im Eröffnungsspiel im neuen Stadion gegen den FC Zürich kamen u. a. ein 11:0 gegen Viktoria Hanau und gegen den Düsseldorfer FC. Auch der heute übermächtige FC Bayern München unterlag mit 2:8. Die in der Meisterschaft errungenen Punkte wurden dem KFV aber wegen eines Formfehlers aberkannt. Man hatte einen nur für die zweite Mannschaft spielberechtigten Spieler in der ersten Mannschaft eingesetzt, so dass der KFV die Süddeutsche Meisterschaft erstmals wieder seit 1901 einem anderen Club, dem FC Pforzheim, überlassen musste.
Nun setzte auch aufgrund der Überalterung der Mannschaft und der Versäumnisse bei der Nachwuchsförderung eine Periode des sportlichen Niedergangs ein. So kam es auch, dass nicht der KFV, sondern eine andere Karlsruher Mannschaft, der FC Phoenix, im Jahr 1909 erstmals den deutschen Meistertitel in die badische Residenz holte.
Der KFV wird hoffähig
Der KFV hatte sich aber inzwischen auch gesellschaftlich etabliert. Er stand seit 1904 unter dem Protektorat des Prinzen Max von Baden, der zu den Rugbyspielern der ersten Stunde auf dem Engländerplatz gehört hatte und 1918 letzter Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs werden sollte. Mit dem badischen Prinzen kamen nun auch hochrangige Beamte und Militärs ins Stadion und auch zur Stadt Karlsruhe, die seit Oktober 1899 Einladungen zu Fußballspielen auf dem Engländerplatz erhielt, waren engere Kontakte geknüpft worden. So konnte der Verein ein Problem angehen, das ihn mit dem zunehmenden Erfolg mehr und mehr beschäftigte.
Krise und Neubeginn mit einem englischen Trainer
Nach der durch eigenes Verschulden verpassten Süddeutschen Meisterschaft verlor der Verein vorübergehend seine Spitzenstellung. Der sieggewohnte KFV verlor nun häufiger und der FC Phoenix wurde die dominierende Karlsruher Mannschaft. Die Wende kam erst wieder 1909, als der Verein mit der Verpflichtung des ersten englischen Trainers William J. Townley, der zuvor die europäische Spitzenmannschaft DFC Prag trainiert hatte, erneut eine Vorreiterrolle in Deutschland übernahm, die sich sofort auszahlte. Townley, in seiner aktiven Zeit Torhüter von Arsenal London, brachte den Spielern Technik, Taktik und das Flachpass-Spiel bei. Seine Ideen fielen auf fruchtbaren Boden. Akteure wie Hermann Bosch, Max Breunig, Fritz Förderer, Gottfried Fuchs, Julius Hirsch, Ernst Hollstein, Hans Ruzek und Fritz Tscherter gehörten zu den herausragenden Spielern der Zeit, die meisten von ihnen spielten auch erfolgreich in der Nationalmannschaft. Im Länderspiel gegen Holland am 24. März 1912 in Zwolle standen z. B. allein sechs KFV-Spieler auf dem Platz. Da außerdem Phönix Karlsruhe zwei Spieler stellte, könnte man tatsächlich von einer auf drei Positionen verstärkten Karlsruher Stadtauswahl sprechen, die Zeitzeugenberichten zufolge ein überzeugendes Spiel gegen die spielstarke holländische Mannschaft ablieferte. Blockbildung ist also keine Erfindung der letzten Jahrzehnte.
Deutscher Meister 1910
Mit dieser mit Nationalspielern gespickten Mannschaft und dem ersten professionellen Trainer aus dem Mutterland des Fußballs holte der KFV 1910 endlich die ersehnte Deutsche Meisterschaft und errang durch den 1:0 Sieg über Holstein Kiel am 15. Mai in Köln den größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte. Das Spiel stand lange auf Messers Schneide und der KFV benötigte in der Verlängerung einen Elfmeter, den der wegen seines strammen Torschusses gefürchtete Mannschaftskapitän Max Breunig souverän und mit Wucht verwandelte. Stolz schickte man direkt nach dem Spiel ein Telegramm an die Stadt Karlsruhe: „soeben hat unsere Mannschaft mit einem Sieg von 1:0 Toren die Deutsche Meisterschaft errungen“. Unter den zahlreichen Gratulanten waren der Empfänger dieses Telegramms Oberbürgermeister Karl Siegrist und der Protektor des Vereins Prinz Max von Baden. Zu dem großen Festkommers des KFV am 25. Juni im Friedrichshof wurde u. a. der gesamte Stadtrat eingeladen.
15. Mai 1910, Köln: Der größte Tag!
Die Partie begann an diesem heißen Pfingstsonntag turbulent. In der ersten Halbzeit lenkte ein Kieler Verteidiger regelwidrig einen Ball mit der Hand ab, was Schiedsrichter Gräfe aber nicht sah. Es wäre ein sicheres Tor gewesen. Der kräftige Friedrich Werner von Holstein rannte schließlich einen KFV-Spieler um: Strafstoß! Der Elfmeterspezialist Breunig trat an: „Aber auch der stärkste Strafstoßschütze kann sich mal in der Höhe des Tores versehen: Breunig trat den Ball über die Latte, daß das Projektil erst 50 m weiter hinten zu Boden kam!“ Kurz vor der Halbzeit geriet auch der KFV-Keeper Dell in größere Bedrängnis, hielt jedoch das Unentschieden fest. 0:0 zur Pause. „Das Cölner Publikum schien sich in zwei Hälften geteilt zu haben: hie Holstein – hie Karlsruhe“ (Neue Sportwoche). In der 2. Halbzeit gewann der KFV zusehends Spielanteile: „Fortsetzung des Monologs, den die Badener den Waterkantlern hielten“. Die Eckball-Bilanz nach Abpfiff des Spiels lautete 12 zu 2 für den KFV! Gottfried Fuchs „wandte sich schlangengleich durch die gesamte Deckung und Wehr, schoß aber vorbei“. In der 87. Minute vergab Fuchs erneut eine „Hundertprozentige“. Nach 90. Minuten kam es zum Novum in der Geschichte der deutschen Fußballmeisterschaft: Es war das erste Endspiel das in Verlängerung gehen musste. Dass es überhaupt so weit kam, lag auch an dem Kieler Torhüter Adolf Werner, der ein überragendes Spiel machte. In der 114. Spielminute dann der magische Moment: „9 Minuten des zweiten Stundenviertels waren bereits verflossen, als ein schriller Pfiff das Leben auf dem Spielfeld einige Momente erstarren ließ. Was war los? Die Erklärung ließ nicht lange auf sich warten. Karlsruhes Linksinnen (Hirsch) war nach Auffassung des Unparteiischen regelwidrig gestoppt worden.“ Auch dieses Mal schnappte sich Breunig den Ball, der – wohl aufgrund der Nervösität – abermalig nur schlecht geschossen wurde. Der Ball „sauste auf den Gegner zu, schon hatte dieser die Lederkugel gefaßt – Chance wieder dahin? Doch eher als gefragt kam die Antwort! Von der ungeheuren Wucht des Schlages wurden Arm und Hand Frieses mitfortgerissen. […] Es langte auch schon, daß sie ein Stücklein mitflogen und erst hinter der Torlinie durch eine große Willens- und Muskelanstrengung ihres Besitzers in dieser Rückwärtsbewegung gehemmt werden konnten. Aber die Hand war glücklich verstaucht und der Ball glücklich oder unglücklich – je nachdem – im Tor“. Der Jubel kannte nach Abpfiff der 120 Minuten kein halten mehr: Der KFV war deutscher Fußballmeister!
Das Fest ging am Folgetag im Mannschaftshotel des KFV weiter (Badische Presse, 20.06.1942, No. 142): „Standardquartier der Karlsruher war seinerzeit in Köln das Hotel „Kaiser Wilhelm“. […] Am Montag nach dem Spiel, nach dem Festsommers, war am Frühstückstisch die reinste Faschingsstimmung. Einer kam auf den ausgefallenen Gedanken, eines von den appetitlichen Butter-Röllchen nach der Decke zu werfen. Es blieb oben hängen. Das böse Wettspiel machte Schule, sofort war ein richtiges Bombardement im Gang. Alles warf Butter-Röllchen, ohne an Schaden und Ungehörigkeit zu denken, aus lauter Übermut. Und als die lustige Korona abzog, war die Decke reichlich mit Butter-Zäpfchen behangen. Es sah fast aus wie in einer Tropfsteinhöhle. Nun erzählt Ernst Hollstein, einer von den damaligen, daß er 1917 als Soldat einmal in Köln durchreiste und eingedenk schönerer Zeiten wieder im „Kaiser Wilhelm“ abstieg. „Ich nahm mein Frühstück im selben Raum, in dem wir damals als neugebackene deutsche Fußballmeister saßen und sah mich in seliger Erinnerung in den vier Wänden um … waren da an der Decke tatsächlich noch Fettflecken zu sehen – die Spuren unserer Butter-Röllchen vom Pfingstmontag 1910 …“
Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1910, 15. Mai 1910:
KFV – FV Holstein Kiel 1:0 n.V.
KFV : Adolf Dell – Carl Hübner, Ernst Hollstein – Hans Ruzek, Max Breunig, Max Schwarze – Fritz Tscherter, Fritz Förderer, Gottfried Fuchs, Julius Hirsch, Hermann Bosch
Weidenpescher Park, Köln. Zuschauer: 5.000, Schiedsrichter: Max Grafe (Leipzig)
Tore: 1:0 Breunig (114., Elfmeter)
26. Mai 1912, Hamburg: Hollstein gegen Holstein
Aus allen norddeutschen Städten kamen am Pfingstmontag 1912 Zuschauer nach Hamburg, um das Spektakel zwischen Holstein Kiel und dem KFV mitzuverfolgen. 9000 Zuschauer!
Abbildung: Ein seltenes Foto: Die Anlage des SC Viktoria Hamburg (damals der größte norddeutsche Verein) während (!) des Endspiels zwischen dem KFV und Kiel. Neben der Tribüne erlaubten Erderhöhungen auf den übrigen Seiten des Spielfeldes dem Zuschauer eine freie Sicht auf das Spiel. Quelle: Thomas Staisch.
Die Karlsruher bereiteten sich auf dieses Finale so gut vor, wie noch nie. Für drei Tage verpflichtete der KFV erneut Meistertrainer William Townley (inzwischen Trainer in Fürth). Am Vorabend lagen die Karlsruher Spieler bereits um neun Uhr in ihren Hotelbetten. Doch ein „Handicap bedrückt sie: Fuchs […] ist verletzt. Mannschaftskapitän Fritz Tscherter erklärt: Du kannst nicht spielen. Fuchs: Ich will aber spielen.“ Die Knieverletzung zog sich Fuchs beim vorherigen Meisterspiel zu. Townley entscheidet darauf, Fuchs eine Gipsbandage zu verabreichen und ihn aufzustellen.
Matchday, 26. Mai: Wie so oft in der Geschichte des Fußballs, enttäuschte auch dieses hochgehandelte Finale die Zuschauer: „War das Aeußere angetan, etwas ganz besonderes erwarten zu dürfen, so war man leider von dem Kampfe selbst enttäuscht“. Die Kieler gewannen letztlich verdient die Meisterschaft, weil sie ganz gewiss besser und gefährlicher auftraten. Der KFV zeigte seine technische Überlegenheit, blieb aber völlig unter seiner Form. „Nur der eiserne Verteidiger Ernst Hollstein zeigte große Klasse“. Aber der Reihe nach:
Nach Anpfiff des Finals spielt der KFV zunächst „gegen Sonne und Wind und wird etwas zurückgedrängt“, aber die KFVler Hollstein und Burger halten hinten zuunächst alles sauber. Einige Male wird Kiel gefährlich, doch bis zur Halbzeit möchten auf beiden Seiten keine Tore fallen. In der Halbzeit schneidet Townley die Gipsbandage von Fuchs auf. Zu sehr behindert sie den Topstürmer der weit unter seiner Form agiert. In der zweiten Hälfte spielt der KFV nun mit dem Wind im Rücken und wird von den Zuschauern bereits als der sichere Gewinner gehandelt. Hirsch arbeitet sich einige Mal nach vorne, blieb aber ohne Erfolg. Die Norddeutschen strahlen durch ihr starkes Spiel auf den Flügeln vergleichsweise eine größere Torgefährlichkeit aus. Als Fick II im Karlsruher Strafraum unfair vom Karlsruher Hübner zu Boden geworfen wird, gibt Schiedsrichter Schröder einen Elfmeter für die Norddeutschen. Es herrscht Unruhe bei den Norddeutschen. Der Kieler Keeper Werner erinnerte sich noch lange Zeit nach dem Finale an die Anspannung vor dem Elfmeter: „Wie der Mann [Anmerkung d. Red.: der Schiedsrichter] die elf Meter abschreitet! Pedantisch genau, Haken auf Haken. Wie er noch um eine Spannweite korrigiert, wie er den Ball niederlegt, schrecklich!“ Der Kieler Nationalstürmer Möller verwandelt mit einem scharfen Schuss in die linke Ecke. 1:0 für Kiel! Auf Seiten des KFV enttäuschte insbesondere der berühmte, internationale Innensturm. Nur selten zeigte der KFV das „vielgerühmte blitzschnelle Durchpassen mit anschließenden Schuß“. „Die Hauptschuld an dem Versagen ist Förderer zu geben, denn dieser fungierte im ganzen Spiel als überzähliger Läufer, und stand häufig noch hinter Breunig“. Als er nach vorne aufrückte, standen die Norddeutschen bereits hinten und deckten. Nach dem Rückstand versucht der KFV nervös auszugleichen. Förderer „geht in Mitte, bald darauf halbrechts und spielt wieder als vierter Läufer“. Ein wenig unsortiert und behäbig wirkten die KFV-Angriffe. Gottfried Fuchs „ist seltsam bewegungslos“. Ein Redakteur schreibt nach dem Spiel etwas boshaft über Fuchs: Er „erinnerte mich lebhaft an jenen englischen Internationalen, von dem eine Zeitung schrieb, ein Zuschauer habe sich wegen der Zahlung des Eintrittsgeldes beschwert, weil dieser Internationale das Spiel viel besser sich habe ansehen können, obwohl er dafür nicht bezahlt habe. Auch Fuchs hat das Spiel, wenn auch nicht besser, so doch aus nächster Entfernung gesehen; er war Statist.“
Abbildung: Auf dem linken Bild köpft Breunig eine Flanke von Möllers (Kiel) aus dem Strafraum. Hinter Breunig steht KFV-Keeper Burger bereit. Im Vordergrund der Elfmeter-Sünder Kurt Hüber. Auf dem rechten Bild versucht Hirsch (rechts vorne) zusammen mit Fuchs (links) die Kieler Abwehr zu knacken. Quelle: Thomas Staisch.
Der Siegtorschütze von 1910, Max Breunig, zeigte eine durchschnittliche Leistung. Man hatte sich mehr erhofft. Bosch dagegen spielte gut, Hollstein war der vermutlich beste KFV-Mann auf dem Platz und verhinderte zusammen mit dem ebenfalls überzeugenden Torwart Burger noch weitere Gegentore. Kiel gewann nach dem Führungstreffer an Selbstvertrauen. Mit den Zuschauern im Rücken stürmen sie weiter an, aber Ernst „Hollstein zerstört alles“. Am Ende gewinnt Kiel gegen den Favoriten KFV und wird zum ersten Mal deutscher Fußballmeister!
Die große Zeit des KFV geht zu Ende
Zwei Jahre später kam der Verein zwar wiederum ins Endspiel, erneut gegen Holstein Kiel, doch diesmal verlor man 1:0, nicht zuletzt weil sich Mittelstürmer Gottfried Fuchs früh verletzte. Nach der Süddeutschen Meisterschaft 1912 zeigte die Leistungskurve des KFV dann aber deutlich nach unten. Mit Julius Hirsch verließ einer der besten Stürmer den Verein, er folgte dem Trainer Townley nach Fürth, wo er mit der dortigen Spielvereinigung 1913 noch einmal Deutscher Meister wurde. Der Kapitän und Mittelläufer Max Breunig wechselte zum FC Pforzheim und der linke Verteidiger Ernst Hollstein beendete wegen seines Studiums die aktive Laufbahn. Zudem brach sich Fritz Förderer 1913 das Bein und fiel lange Zeit aus.
Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1912, 26. Mai 1912:
FV Holstein Kiel – KFV 1:0 (0:0)
KFV: Franz Burger, Carl Hübner, Ernst Hollstein, Wilhelm Gros, Max Breunig, Hermann Bosch – Fritz Tscherter, Fritz Förderer, Gottfried Fuchs, Julius Hirsch, Hermann Kächele
Victoria-Platz, Hamburg-Hoheluft, Zuschauer: 9.000, Schiedsrichter: Paul Schröder (München-Gladbach)
Tore: 1:0 Möller (52., Elfmeter)












1914 trat das nicht für möglich gehaltene dann ein: der KFV musste nach der Niederlage gegen den Lokalrivalen FC Phönix am 22. März 1914 den bitteren Weg des Abstiegs gehen. Die seit 1911 in München erscheinende Fachzeitschrift „Fußball“ widmete dem KFV einen „Nachruf“: „Der KFV ist der populärste Fußballverein innerhalb Deutschlands gewesen, seine Geschichte ist eng verwachsen mit dem Werdegang des deutschen Fußballsports; für unsere Bewegung bedeutet der Name KFV ein Programm. Die spielerischen Erfolge des KFV sind ohne Beispiel. Höhepunkte des deutschen Fußballsports sind mit der Fähigkeit dieses Vereins verbunden.“ Doch die Rettung nahte. Der süddeutsche Verbandstag in Nürnberg beschloss mit allen Stimmen der dort vertretenen Vereine, durch eine Änderung des Spielsystems den Verbleib des KFV in der höchsten Spielklasse.
Der nächste und viel gravierendere Einschnitt stand aber kurz bevor: im Ersten Weltkrieg wurden die Aktiven des KFV zu einem großen Teil eingezogen. Von den Spielern der Meistermannschaft fiel der rechte Läufer Hans Ruzek am 24. Oktober 1914, der Verteidiger Kurt Hüber am 17. August 1915 und der Linksaußen Hermann Bosch am 16. Juli 1916. Der rechte Läufer und Nationalspieler Wilhelm Groß, der zur Vizemeistermannschaft 1912 gehörte, kam am 22. August 1917 bei einem Luftkampf ums Leben. An sie und weitere Gefallene des Ersten Weltkriegs – insgesamt waren es 67, darunter der Bruder von Julius



