Leopold Ransenberg – Januar 1890 in Straßburg – 16. Januar 1968 in Karlsruhe
Leopold Ransenberg – Sohn jüdischer Eltern – wurde in Straßburg geboren und heiratete dort 1915 die evangelische Maria Katharina Richert (gest. 27.03.1979 in Karlsruhe). Das Ehepaar hatte die beiden Söhne Max und Walter Ransenberg. KFV-Mitglied Leopold Ransenberg hatte nach der Etablierung der NS-Diktatur in Deutschland die Deportation schon früh geahnt und versuchte vergeblich dafür Vorkehrungen zu treffen: Ransenberg, seit 1935 arbeitslos, beabsichtigte zu Kriegsbeginn in die USA zu flüchten und gewann auch einen Bürgen für die Finanzierung der Überfahrt. Das US-Konsulat in Stuttgart lehnte seinen Bürgen jedoch als nicht überzeugend genug ab. Ein Jahr später wurde seine 1879 in Posen geborene jüdische Mutter Bertha Ransenberg, geborene Silber, am 22. Oktober 1940 nach Gurs, Frankreich deportiert. Am 30. Mai gelang sie von Drancy nach Ausschwitz, wo sie von den Nazis ermordet wurde. Sein Vater Ludwig (1860-1939) starb bereits ein Jahr zuvor.[1] Am 14. Februar 1945, einige Wochen vor der Besetzung Karlsruhes durch die Franzosen, musste nun auch Familienvater Leopold Ransenberg als einer von 17 noch in der Stadt lebenden Mitbürgern, Juden in „Mischehe“ und Kinder aus solchen Ehen, vom Karlsruher Hauptbahnhof aus die Fahrt ins Ungewisse antreten.
Vorausgegangen war ein Brief vom 5. Februar in dem per „Ladung“ die letzten in „Mischehe“ lebenden Personen sowie „Halbjuden“ zum Büro der Karlsruher Gestapo in der Ritterstraße einbestellt wurden. Den über 20 Personen – darunter Leopold Ransenberg – wurde dort eröffnet, dass sie sich am Abend des 14. Februar „betreffs Arbeitseinsatz“ im Luftschutzkeller des Karlsruher Hauptbahnhofs einzufinden hätten.[2]
- Februar 1945: Am Tag der Deportation begleitete Otto Tensi (24. 02. 1893-1984), ehemaliger Spieler des KFV und später Ehrenmitglied des Vereins, in sehr gedrückter Stimmung seine Frau Jòsza (1897-1974) zum Karlsruher Bahnhof. Auch sie war eine der 17 Einbestellten gewesen. Als Tensi im Büro der Gestapo nach dem Zweck des Arbeitseinsatzes fragte, wurde er des Raumes verwiesen. Jòzsa hatte bereits mit 14 Jahren den gegenüber wohnenden 17-jährigen Otto Tensi kennen gelernt. „Schon früh verliebten sich Jòzsa und Otto ineinander. Otto war bei Jòzsas Familie herzlich willkommen. Beide heirateten am 30. August 1919 in der evangelischen Stadtkirche“[3] (1928 ließ sich Jòzsa christlich taufen). Im März des gleichen Jahres begann er noch an der Seite von Julius Hirsch und Gottfried Fuchs die Frühjahrsverbandsrunde gegen Germania Durlach. Eingetreten war er in den KFV 1914. 1934 erhielt er die silberne Ehrennadel des KFV. Bis 1922 führte Tensi eine Weinstube in seinem Elternhaus in der Adlerstraße, bevor er als Buchbinder arbeitete. Ab 1933 warf aber die Diktatur ihre Schatten auf das Ehepaar: Tensis Schwiegermutter Adele Spitzer begann 1940 mit Schlaftabletten Selbstmord, Schwiegervater Emanuel starb 1943 in einem südfranzösischen Internierungslager. Da Buchbindermeister Tensi auch Akten von öffentlichen Stellen band, wurde er dazu aufgefordert, seine Frau nicht mehr weiter zu beschäftigen. Manch ein Auftrag wurde ihm entzogen. Später bekam Otto allerdings gar keine Aufträge mehr, so dass die Familie bald Probleme hatte, den nötigen Unterhalt aufzubringen.
[1] Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, URL: http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3443/suche/R.html
[2] Vgl. Werner, Josef: Blick in die Geschichte Nr. 86 vom 19. März 2010; 1940-1945: Deportationen besiegelten das Ende der Karlsruher Juden.
[3] Frenzel, Sophie: Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, Emanuel Spitzer, URL: http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/4107/suche/S.html.




- Februar 1945: Die Waggons mit den Einberufenen setzte sich nach Einbruch der Dunkelheit (aufgrund drohender Fliegerangriffe) in Gang und nach zweitägiger Bahnfahrt kamen die 17 Karlsruher in Theresienstadt an und erlebten dort Kälte, Hunger, Durst, schwere Arbeit und den vielfachen Tod. Zu der Gruppe der 17 Karlsruher gehörten mit Esther und Heino auch die Kinder des KFV-Nationalspielers Julius Hirsch. Jòzsa Tensi hat Leben und Sterben in Theresienstadt in einem Tagebuch festgehalten.
Nach drei Monaten wurde Theresienstadt im Mai 1945 befreit, die 17 Karlsruher, die verlässlich zusammenhielten, erlöst. Leopold Ransenberg wurde bald zu einer Art Führungsfigur für die Karlsruher Gefangenen. Im April schreibt Tensi in ihrem Tagebuch: „Leopold ist unser Freund. Ich wusste, dass er ein fabelhafter Mensch ist mit Herz und viel Liebe, aber er hat in der großen Not, in der wir uns befinden, alle Erwartungen übertroffen. Mit seiner Ruhe und Güte sowie Überlegenheit in vielen Dingen ist er uns fast unersetzlich. Wer ihn als Freund hat, ist geborgen“.
Heinold Hirsch sagte später bei einem Interview zur Befreiung des KZ durch die Rote Armee: „Wir hatten einen Anführer im Lager, das war der Herr Ransenberg, er war die Seele unserer Gruppe (…) Damals hatten sie außerhalb ein paar Deutsche eingefangen, und die Leute hatten natürlich alle Wut auf diese Deutschen und wollten an die ran.” – „Die Russen?” – „Nein, unsere Lagerinsassen! Da ist der Herr Ransenberg zusammen mit zwei anderen und einem Gewehr hingegangen und hat diese Deutschen beschützt. Nachts stand er da und hat aufgepasst, dass ihnen auch nichts passiert. Das muss man sich mal vorstellen!”
Nach der Befreiung führte Leopold Ransenberg die 17 Karlsruhe in einer einmonatigen, beschwerlichen Reise im Güterzug, Omnibus, den letzten Teil der Strecke schließlich mit einem Lkw mit Holzvergaser über die Autobahn, zurück nach Karlsruhe.[1]
Ransenberg war es, der die jüdische Gemeinde in Karlsruhe neu aufbaute. Am 1. Dezember 1945 lud Leopold Ransenberg im Namen des provisorischen Vorstands der jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe zur Gründung der jüdischen Nachkriegsgemeinde in die in Karlsruher Gaststätte „Zum Weißen Berg“ ein. Als erster Vorsitzender des Oberrats der Israeliten Badens setzte Ransenberg sich fortan vielfach für die NS-Opfer ein und wurde auch wieder für seinen Fußballklub, den KFV, aktiv. Leopold Ransenberg gründete das „Kaffee-Kabarett Roland“, in der Kreuzstraße 14, und war dessen Direktor (bereits seine Eltern Ludwig und Bertha führten das Lokal). Bis 1952 gab es dort täglich Tanzmusik und Kabarettbegleitung und auch der KFV feierte 1946 im Hochsommer das 55-jährige Jubiläum sowie einige Jahre später (1952) seine Amateurvizemeisterschaft im Lokal von „Leo“, der im oberen Stock des Varietés mit seiner Frau wohnte. 1956 führte er auch das Hotel „Windsor“ in der Adlerstraße 33. Im März 1965 wurde Leopold Ransenberg, inzwischen Ehrenvorsitzender der jüdischen Gemeinde Karlsruhe, durch Vize-Kanzler Mende und Oberbürgermeister Klotz das Bundesverdienstkreuz verliehen. Ransenberg ruht auf dem liberalen jüdischen Friedhof, Grabnummer 905.
[1] Vgl. ebd.