
“It is with a heavy heart that I ave to record the death of the Chairmann of Stranraer Football Club, Mr. James Lawrence, who passed away on Wednesday last in the Victoria Infirmary, Glasgow, after an operation. Jimmie Lawrence lived for the game of football and it is no exaggeration to say that he died for it. His trouble was caused through over-training while he was in charge of a football team in Germany and he was forced to retired prematurely. Over enthusiasm and eagerness to show the young Germans the finer points of the game strained his heart.” (Wigtown Free Press Newspaper, 29. 11. 1934, S. 2)
Mit nur 49 Jahren erlag der schottische Trainer einem Herzleiden, nachdem er sich als Trainer lange Zeit völlig verausgabt hatte.
Begonnen hatte Lawrences Weg in der Industriemetropole Glasgow bei Patrick Athletic und Glasgow Perthshire. In jener Zeit vertrat er auch gelegentlich beim Erstligisten Hibernian Edinburgh in der schottischen Hauptstadt deren Stammtorwart Harry Rennie. Im Jahr 1904 wurde er vom englischen Erstligisten Newcastle United verpflichtet, für den er dann bis April 1922 spielte. Während dieser 18 Jahre absolvierte er insgesamt 432 Spiele in der Liga und 64 Spiele im Pokal, bis heute Vereinsrekord! Die Anzahl der Spiele wäre noch weit höher gewesen, wenn nicht der Spielbetrieb wegen des Ersten Weltkrieges zwischen 1915 und 1919 ausgesetzt gewesen wäre. Sein Debüt zwischen den Pfosten bei Newcastle United feierte er – schon nach zwei Probespielen – im Heimspiel am 1. Oktober 1904 mit einem 2:0 Sieg gegen Manchester City FC. Bereits in der ersten Saison gewann er mit den Nordengländern die englische Fußballmeisterschaft und damit den ersten Titel der Vereinsgeschichte. In den Jahren 1907 und 1909 folgten zwei weitere Meisterschaften sowie 1910 auch der FA Cup – im vierten Anlauf, nachdem man 1905, 1906 und 1908 als Verlierer vom Platz ging. 1907 lernte Lawrence den KFV kennen: Newcastle United gastierte in Karlsruhe und schlug den überforderten KFV mit 7:0. Lawrence galt als „an intellectual joker in the dressing-room and off the field […]. He was a fine, consistent goalkeeper, always attempting to raise spirits, he was cool, confident and extremely popular, both with Tyneside`s supporters and his colleagues.” Am 1. April 1911 bestritt James Lawrence im Goodison Park in Liverpool, beim 1:1 gegen England vor 38.000 Zuschauern sein einziges Länderspiel für Schottland. Als er im April 1922 mit einer 1:2 Niederlage gegen Bradford City AFC sein letztes Spiel für Newcastle bestritt, war er bereits stolze 42 Jahre alt. Lawrence war, für einen Profi-Fußballer ungewöhnlich, auch politisch aktiv. Beim Aufbau der Spielergewerkschaft „Association Football Players Union“ (dem Vorgänger der heutigen Professional Footballers Association) spielte er eine bedeutende Rolle. Von 1921 bis 1922 wurde er zu zum Präsidenten der Fußballergewerkschaft gewählt. Vom Mai 1922 bis Januar 1923 managte Lawrence den damaligen Zweitligisten South Shields FC sowie anschließend bis Juli 1925 den englischen Traditionsverein Preston North End FC.
Dann der Sprung auf den Kontinent: James Lawrence wurde im August 1925 vom KFV als Nachfolger für seinen Landsmann Burton verpflichtet. Bei seinem Amtsantritt stellte er entschlossen klar: „Ich will arbeiten, in dem Bestreben, dem Pionier des Fußballsportes in Süddeutschland Erfolg und Ehre zu verschaffen“. Nachdem William Townley 1909 das 2-3-5-Spielsystem nach Karlsruhe brachte, war es mit Lawrence wiederum ein Brite, der einen fußballerischen Paradigmenwechsel auf dem Kontinent – zumindest lokal – einläutete: Das sogenannte WM-System. Das WM-Spielsystem ist eine Reaktion auf die 1925 geänderte Abseitsregel: Statt drei mussten nun nur noch zwei Gegenspieler bei einem Zuspiel der angreifenden Mannschaft näher zum Tor stehen. Auf diese Regeländerung hin zog man (zunächst nur in England) den Mittelläufer zurück und hatte erstmals drei Verteidiger. Die beiden Halbstürmer (auch Verbindungsstürmer genannt) zog man ebenso zurück, so dass die Formation auf der Taktiktafel den Buchstaben „W“ und „M“ ähnelte (siehe Abbildung).[1]
Nach und nach formte auch Lawrence die Karlsruher Mannschaft gemäß der britischen Fußballinnovation. Die Spielsystemumstellung fand jedoch nicht nur Freunde: „Das neue Dogma Lawrences wirkte in Karlsruhe, wo man mit allen Fasern des Fußballherzens am alten Stil hing, direkt revolutionierend. Der lange Engländer [Anmerkung d. Redaktion: Lawrence war Schotte], der mit seiner umstürzlerischen Methode heiliges Karlsruher Fußballgut verschandeln wollte, war darum viel umstritten“ (Badische Presse, 22.7.1942, No. 169). Lawrence wird in den Karlsruher Chroniken oftmals damit gerühmt, das WM-System als Erster in Deutschland eingeführt zu haben. Die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Platz: „Wir wissen, daß er mit dieser neuen Taktik beim KFV viel erreichte, aber doch nicht zum letzten großen Erfolg vorstieß, und zwar deshalb, weil seine Lehre Anfangs- und Uebergangsschwierigkeiten begegnete. […] So war es eben: Das damals Neue […] setzte sich erst allmählich durch“. Dass das WM-System nie in seiner theoretischen Reinform auf dem Platz übertragen werden konnte, lag an den Spielern, die noch zu sehr am offensiveren 2-3-5 hafteten: Ein „Mittelläufer (Groke), dem in seinem Hang zum Balltreiben und in seinem eingefleischten Drang nach vorwärts die Stopperrolle wenig zusagte, und in seinem eingefleischten Drang nach vorwärts die Stopperrolle wenig zusagte, und 2 Verbindungsstürmer (Kastner und Bekir), denen das Torschießen über das Operieren im Mittelfeld und über das Ballschleppen ging, bewirkten Systemvermischungen und -verzerrungen […].“
[1] Herbert Chapman, Trainer vom FC Arsenal London gilt als Erfinder des WM-Systems.
Erfolge feierte Lawrence dennoch in Karlsruhe: Bis zu seinem Weggang vom KFV im Jahre 1931 gewann der Schotte mit dem KFV 1925/1926 die Meisterschaft von Württemberg/Baden und 1928, 1929 sowie 1931 den Titel des Badischen Meisters. Mit einer Amtszeit von sechs Jahren am Stück ist Lawrence Rekordhalter in der 125-jährigen Geschichte des KFV. Legendär war Lawrences britischer Akzent und sein gebrochenes Deutsch. Vermochte ein Spieler seinen Anweisungen nicht folgen, fragte er vehement „Du Gras im Kopf?, Du Gras im Kopf?“ Nachdem er aus Deutschland nach Schottland zurückkehrte, wurde er 1933 Präsident des Stranraer FC, der seinerzeit jedoch noch nicht am schottischen Ligabetrieb teilnahm. 1934 verstarb er dort im Amt.



