Pilgerstein der deutschen Fußballgeschichte (2013) – Auf den Spuren der ersten deutschen Fußballmeisterschaft – Die Initiative 1903

Diesen Beitrag teilen

von Sebastian Bona

Der kommerzielle Fußball ist für die Clubs ein teils sehr kurzlebiges Geschäft, in dem der sportliche Erfolg über die eigene wirtschaftliche Existenz entscheidet. Nicht erst seit RB Leipzig oder dem VFL Wolfsburg dominiert das Kapital diesen Sport. Es gehört zu den Spielregeln des modernen Fußballs, sorgfältig zu haushalten, denn mit dem Budget kommt auch der Pokal. Folglich gelingt es finanzstarken Vereinen bzw. mittlerweile GmbHs und AGs eher, Erfolge einzufahren und mit Titeln zu glänzen als konventionell wirtschaftenden Clubs, die ihr einziges Heil in den sportlichen und traditionsreichen Werten des Sports um das runde Leder suchen. Dieser rapiden Entwicklung ist es auch geschuldet, dass traditionsreiche Fußballvereine wie etwa Victoria Berlin, Altona 93, Holstein Kiel oder aber auch der Karlsruher FV durch ausbleibenden Erfolg den Anschluss verloren und ein bescheidenes Schattendasein ohne jedwede nennenswerte Beachtung führen, wenn man mal von Holstein Kiel absieht, die es wenigstens in die Dritte Liga geschafft haben..

Sich der Traditionsclubs der „ersten Stunde“ anzunehmen, ist eines der Ziele des gemeinnützigen Vereins Initiative 1903. Bereits 2010 von zwei Fußballfreunden aus Brandenburg und Hessen gegründet, verfolgt dieser bundesweite Zusammenschluss von Fußballenthusiasten die Wahrung der traditionellen Werte des Fußballsports. Der Fokus liegt dabei auf der ersten deutschen Fußballmeisterschaft, welche im Jahr 1903 ausgetragen wurde. In diesem Rahmen möchte die Initiative 1903 auch an die Teilnehmervereine dieser Endrunde erinnern. Qualifiziert für die Endrunde waren einst die Meister der dem DFB angeschlossenen Regionalverbände. Sechs Verbände schickten ihre Meisterclubs ins Rennen um den Wanderpokal „Victoria“. Neben Altona 93, der Magdeburger Viktoria, dem VfB Leipzig, Britannia Berlin und dem DFC Prag nahm auch der Karlsruher FV an dieser Endrunde teil.

Die Anzahl der Mitstreiter der Initiative 1903 stieg sehr schnell an, insbesondere in Leipzig, wo mit dem 1. FC Lok Leipzig der Nachfolger des ersten deutschen Meisters beheimatet ist, welcher noch heute über die Stadtgrenzen hinaus große Bekanntheit genießt. Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung startete die Initiative 1903 eine bislang einmalige Denkmalserie: Jeder der sechs Vereine, ob noch existent oder nicht, sollte posthum mit einer Denkmalweihe und einem historischen Fußballfest seine ganz besondere Würdigung und Wertschätzung erfahren. Dafür wurde eigens der einstige Finalplatz in Hamburg Altona lokalisiert, wo am 3. September 2011 das erste Pilgerdenkmal seinen Ehrenplatz erhalten sollte, an der Straßenkreuzung Marlowring/Rondenbarg. Diese individuell gestalteten Denkmäler tragen die historischen Logos der Vereine und sollen an entsprechenden Orten an die jeweiligen Endrundenpartien erinnern. Im Jahresturnus sollte es von nun an weiter gehen nach Leipzig, Karlsruhe, Berlin, Prag und schließlich Magdeburg. Umrahmt wurden die Denkmalweihen dabei stets von einem zeitgenössischen Programm, welches aus Lesungen, Vorträgen, Begehungen historischer Orte und Spielen der Initiative 1903-Traditionsmannschaft bestand. Diese Traditionsmannschaft, die sich aus Freunden des Fußballsports, Profis und Historikern zusammensetzt, kam am 1. Juni 2013 in Karlsruhe erstmals zusammen, um in einem Freundschaftsspiel gegen den KFV anzutreten. Zünftig in Schnürkragenleibchen mit zeitgenössischem Fahnenlogo gekleidet und in der Formation 2-3-5 mit einem braunen Lederball spielend, stellte sich die bunt zusammen gewürfelte Truppe tapfer ihrem badischen Kontrahenten. Gegen den Ball traten dabei auch zwei Profispielerinnen, darunter mit Angelina Lübcke eine Juniorennationalspielerin sowie mit Hans Richter ein ehemaliger DDR-Nationalspieler. Einen seiner letzten großen Auftritte hatte jedoch an diesem Tag der letzte KFV-Nationalspieler und Olympiateilnehmer Kurt „Kaddel“ Ehrmann, der das Freundschaftsspiel mit seinem Ehrenanstoß eröffnete.

Zu den weiteren Programmpunkten in Karlsruhe zählten an jenem Tag auch ein Vortrag des Buchautors Werner Skrentny (Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.), eine Ausstellung verschiedener Fußballmemorabilien, darunter der komplette Erstjahrgang des „Kicker“-Magazins aus dem Jahre 1920 sowie die Ausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden“ des Berliner Centrum Judaicum. Die Weihe des Denkmals bot den Abschluss des kulturellen Veranstaltungsteils, welcher in der Mensa Moltke abgehalten wurde. Der Denkmalstein fand seinen Platz in unmittelbarer Nähe zum Engländerplatz, über den er seitdem wacht.

Einweihung des Karlsruher Fußball-Pilgersteins mit Andreas Reifsteck, Michael Obert und Sebastian Bona (v.l.n.r.). Quelle: KFV-Archiv.

Hier gibt's noch mehr zu lesen

Weitere historische Geschichten vom KFV

Hier für den Newsletter des KFv anmelden:

Herzlichen Glückwunsch!

Dein Antrag ist erfolgreich bei uns eingegangen. Die Bearbeitungszeit dauert aktuell bis zu 10 Werktage. Im Anschluss schicken wir dir eine Bestätigung per Email mit allen Informationen zu deiner neuen Mitgliedschaft.

Wir freuen uns auf dich!