Jüdische Fußballgeschichte des KFV

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Erst in den vergangenen Jahren fanden die Verdienste und Erfolge von Spielern, Trainern oder Funktionären um den deutschen Fußball, eine größere Anerkennung.

Kein anderer Fußballverein Deutschlands ist enger verwoben mit dieser oft vergessenen und bewegten Geschichte

Übersicht:

  • Mit Julius Hirsch und Gottfried Fuchs stellte der Verein die einzigen deutschen Nationalspieler jüdischen Glaubens 
  • Walther Bensemann entstammte einer jüdischen Bankiersfamilie und gründete den KFV sowie spätere Vorgängervereine der SG Eintracht Frankfurt sowie des FC Bayern München. 1920 rief er das heute noch populäre Sportmagazin „Kicker“ ins Leben
  • August Marx war ein Cousin Albert Einsteins, jüdischer Gymnasiallehrer in Karlsruhe und in den Anfangsjahren des KFV ein streitbarer und zugleich prägender Ziehvater der jungen KFV-Spieler 
  • Vereinsausschluss, Paragraph, Arrangement – die zeitgeschichtlichen Hintergründe zur NS-Zeit, das Verhalten des Vereins gegenüber jüdischen Mitgliedern und Behörden wird ausführlich in der Rubrik „Chronik – 1933-1945“ dargestellt

Auf dieser Seite möchten wir weniger bekannte Schicksale jüdischer KFV-Mitglieder näher bringen sowie die wesentlichen Elemente der heutigen Erinnerungskultur:

  • Liste der jüdischen KFV-Vereinsmitglieder von 1935 – Einzelschicksale & Hintergründe
  • MaxLeopold und Walter Ransenberg – Eine Jüdische Fußballerfamilie im KFV
  • Das Wirken des KFV heute – Mit Nachdruck für eine Erinnerungskultur
  • Der Julius-Hirsch-Preis des DFB, der Walther-Bensemann-Preis der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur und Jugendpreis Gottfried Fuchs des Badischen, Südbadischen und Württembergischen Fußballverband
1935 vom KFV erstellte Liste mit jüdischen Mitgliedern des KFV. Quelle: KFV.

Einzelschicksale & Hintergründe

Die Schicksale der jüdischen Mitglieder des KFV sind nicht vollständig bekannt. Aus dem Nachlass des Vereins ist aus dem Jahr 1935 eine Liste von Vereinsmitgliedern jüdischen Glaubens erhalten. Die Liste wurde wahrscheinlich von einem Verantwortlichen des Vereins zum Zweck der Vorbereitung eines „Arierparagrafen“ zum Ausschluss jüdischer Mitglieder erstellt. Im Zuge dieser Vorbereitungen wurden Schreiben an die gelisteten Mitglieder verfasst, um diese von der wahrscheinlichen Einführung eines solchen Paragrafens zu „informieren“, d. h. einen Ausschluss anzudrohen. Die konkrete Umsetzung des Arierparagrafen erfolgte wohl nicht, da Exemplare dieser Satzung erhalten sind, die einen solchen Paragrafen nicht aufweisen

Im Folgenden sollen die Schicksale einzelner KFV-Mitglieder dieser Liste skizziert werden.

Namen der Liste:

Fritz Bär, Oskar Behr, Dr. Bill Fuchs, Gottfried Fuchs, Philipp Fuchs, Oskar Fuchs, Dr. Fritz Hertz (geb. 1901, 1938 in die USA ausgewandert und dort als Versicherungsagent aktiv), Karl Hehs, Heinrich Hirsch (geb. 1879, flüchtete in die USA über Kuba), Adolf Löwe, J. Löwe, K. Levis, Heinrich Mahler, Hugo Marx (geb. 23.3.1884), Paul Mayer, Dr. Fritz Spanier (Kieferchirurg, wanderte nach Verkauf seiner Klinik im Sonmmer 1937 in die USA aus), Oskar Schäfer (22. 07.1890 in Tarnopol, Kaufmann, 1939 in die Niederlande ausgewandert, kam in das Lager Westerbork, 1942 nach Auschwitz und wurde für tot erklärt), Hugo Steim / Stein (1887-1951, Rechtsanwalt, Deportation nach Gurs), Oskar Stern, Julius Straus (im November 1938 im KZ Dachau verzeichnet), Walter Stern, Dr. Erwin Weil, Dr. Artur Weilbauer, Dr. Fritz Weile und Julius Hirsch.

 

Adolf Emil Löwe

Adolf Löwe, der am 12. März 1894 in Karlsruhe geboren wurde war schon als Kind begeisterter Sportler und Fußballer, von 1903 an war er Mitglied des KFV.
Vom 11. November 1938 bis zum 22. Dezember 1938 wurde er im Konzentrationslager Dachau in „Schutzhaft“ (Häftlingsnummer 20915) genommen. Adolf konnte im Gegensatz zu Isidor Loewe noch nach Beginn des Krieges erfolgreich in die USA auswandern und kamen am 18. April 1940 in New York an. Doch nach der Auswanderung hatte die Familie finanzielle Probleme, da Adolf Loewe es nicht schaffte, Fuß zu fassen. Adolf Bruder isidor starb in Auschwitz.

Hugo Marx

Quelle: Wolfgang Strauß / Gedenkbuch für Karlsruhe Juden (http://gedenkbuch.informedia.de)

Hugo Marx‘ Personalakte des Oberlandesgerichtes Karlsruhe ist verschollen, 1952 gab es die Akte noch (belegt aus dem Wiedergutmachungsvorgang).
Mary begann im Wintersemester 1902/03 mit dem Jura-Studium in Heidelberg. Zwei Semester studierte er in Heidelberg, danach drei Semester in München und dann wieder zwei Semester in Heidelberg (diese Studienzeiten sind belegt). Die 1. Staatsprüfung legte er im März 1906 mit der Bewertung „genügend“ ab als 5. unter 78 Kandidaten. Über die Stationen seiner praktischen Berufsausbildung als „Rechtspraktikant“ liegen keine Informationen vor. Im März 1910, also vier Jahre später, legte er seine 2. Staatsprüfung ebenfalls mit „genügend“ ab, als 10. von 39 Kandidaten. Im November 1910 wurde er antragsgemäß als Rechtsanwalt beim Landgericht Karlsruhe und der Kammer für Handelssachen in Pforzheim zugelassen. Hugo Marx war zeitweilig Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bzw. (nach 1930) der Nachfolgepartei Deutsche Staatspartei – wie viele Juden auch. Ob es mehr als nur eine nominelle Parteizugehörigkeit war, konnte nicht festgestellt werden.

In den Jahren bis 1925 hatte er wechselnde Wohnungen in Karlsruhe, sein Büro hatte er bis 1920 in der Lammstraße 8, in den folgenden Jahren bis 1927 in der Herrenstraße 17. Auch während der Kriegszeit hatte er Wohn- und Büro-Adresse, obwohl er von August 1914 bis November 1918 Soldat war (Leibgrenadier-Regiment 109 Karlsruhe – das Leibregiment des Großherzogs (!) – und Bad. Trainbataillon Nr. 14 in Durlach; Abgang als Gefreiter). Hugo Marx wohnte all diese Jahre zusammen mit seiner Mutter. Von 1929 bis 1935 hatte er sein Büro in der Kaiserstraße 122. Nachdem der Bruder der Mutter, Dr. Theodor Homburger, Kinderarzt, der seit 1917 im Hause Schlossplatz 9 wohnte, im Dezember 1935 mit seiner Frau nach Palästina emigriert war, die Kinder waren bereits 1933 nach Palästina emigriert, und die Wohnung frei geworden war, zog Bertha Marx mit ihrem Sohn Hugo in diese Wohnung. Nach seiner Heirat am 28. August 1936 mit Emmy Cohen (s.u.) zog er jedoch mit seiner Frau in die Adlerstraße 55 und unterhielt in der – großen – Wohnung seiner Mutter nur sein Büro, so lange er mit Frau noch in Karlsruhe lebte.

1930 hatte Hugo Marx eine Sozietät mit dem Rechtsanwalt Paul Ebertsheim (Dauer nicht bekannt). Dessen Ehefrau, ebenfalls Rechtsanwältin, war weitläufig mit den Homburgers verwandt.

Eine Auswanderung kam für ihn nicht in Betracht, auch nicht als der Bruder seiner Mutter, der Kinderarzt Dr. Theodor Homburger Ende 1935 nach Palästina auswanderte und danach mehr und mehr ihm bekannte, vielleicht sogar befreundete jüdische Familien aus Karlsruhe und andernorts das Land verließen – zumeist in die USA, nach England und nach Palästina. Ein gewichtiger Grund dafür sei aber auch gewesen, dass er seine kränkelnde, mittellose Mutter und seine Schwester Hedwig, die mit der Mutter zusammen wohnte und diese betreute, ebenfalls ohne Einkommen, finanziell vollen Umfangs unterstützte.

Hugo Marx war in besonderem Maße in die jüdische Religion und deren zahlreichen Organisationsformen eingebunden: er war seit 1920 Mitglied des Oberrates der Israeliten Badens und Synoden-Abgeordneter, seit 1936 zudem auch Mitglied des lokalen Synagogenrates (Gemeindevorstand); natürlich war er auch Mitglied verschiedener jüdischer sozialer und Wohlfahrts-Organisationen, auch Organisationen der Israelitischen Religionsgesellschaft (orthodox), obwohl er hier nie Mitglied war – als gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wie für ungezählte andere auch. Er war auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der „M. A. von Rothschild’schen Lungenheilstätte“ in Nordrach /Schwarzwald (seit wann ist nicht bekannt).

Mit Schreiben des Justizministeriums vom 17. Oktober 1938 wurde Hugo Marx’ noch immer bestehende Zulassung als Anwalt per 30. November 1938 zurück genommen, mit ihm auch für die restlichen elf jüdischen Anwalte in Karlsruhe, die noch eine Zulassung hatten. Damit war ihnen die Lebensgrundlage völlig entzogen. Zwar erhielt Hugo Marx durch Verfügung des OLG-Präsidenten in Karlsruhe vom 28. November 1938 noch eine Zulassung als so genannter „Konsulent“ (nur für jüdische Klientel) für den Landgerichts-Bezirk Karlsruhe mit Wirkung vom 1. Dezember 1938, jedoch von vornherein nur befristet bis 31. Januar 1939.

Er wurde in Dachau inhaftiert (Häftlings-Nr. 22183). Nach der Freilassung floh er über Holland nach London. Hugo Marx konnte in seinem Anwaltsberuf natürlich nicht mehr arbeiten. Erst im April 1943 bekam er überhaupt eine Anstellung , und zwar in dem vorerwähnten Anwaltsbüro Dr. Horovitz, in dem er bis April 1944 Hilfsarbeiten verrichtete, danach bekam er eine Anstellung als Buchhalter in einem Textilhaus, das einem Neffen von dem oben erwähnten Dr. Dannenberg gehörte. Im Januar 1948 stellte sich bei ihm eine schwere Herzerkrankung ein, die ihn fortan an seine Wohnung fesselte, den langen, beschwerlichen Weg ins Büro konnte er nicht mehr auf sich nehmen, daher wurde ihm die Arbeit in seine Wohnung gebracht, fast drei Jahre lang. Sein letztes Lebensjahr, 1950, verbrachte er fast nur noch im Bett, arbeitete aber gleichwohl weiterhin. Am 3. Februar 1951 starb er in London mit knapp 67 Jahren. Marx Frau Emmy heiratete nach Hugo Marx‘ Tod ein weiteres Mal und starb 2005 im Alter von 99 Jahren.

 

Erinnerungskultur beim KFV

In der Heimatstadt der beiden jüdischen Nationalspieler Hirsch und Fuchs, Karlsruhe, gab es lange Zeit es nur einen „Stolperstein“ der an die Ermordung von Julius Hirsch erinnert. „Das ist viel zu wenig und wird der herausragenden Persönlichkeit Hirschs und seinen großen Verdiensten um „seine“ Stadt Karlsruhe bei weitem nicht gerecht“, erklärte Andreas Reifsteck, ehemaliger KFV-Jugendspieler und heutiger dritter Vorsitzender des Vereins. In seiner Funktion als Vorsitzender der CDU Weststadt forderte er in einer Pressemitteilung vom 12. Juni 2012  eine angemessene Würdigung des Nationalspielers Hirsch. Am 19. Juni 2012 wiederholte Reifsteck in einem Interview in der SWR Landesschau-aktuell seine Forderung nach einer Ehrung der beiden KFV-Nationalspieler. Durch Reifstecks Druck und Engagement übernahm die Gemeinderatsfraktion seiner Partei die Anregung und stellte einen Antrag im Karlsruhe Gemeinderat. Am 14. Juni 2013 stimmte der Karlsruher Gemeinderat dem Antrag parteiübergreifend und einstimmig zu.
Ein Teilstück des Karlsruher Wegs (in Julius Hirsch-Straße) und die Freifläche nördlich davon (in Gottfried Fuchs-Platz) an der Ecke Berliner Straße wurden entsprechend umbenannt.

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