3.Epoche |
1919–1932

1919 bis 1933: Der KFV unter süd­deut­schen Spitzenmannschaften 

von Stef­fen L. Herberger

1918 erfolg­te der schwe­re Neu­auf­bau des Ver­eins. Schnell wur­de klar: Der KFV gehört nicht mehr zur Speer­spit­ze des deut­schen Fuß­balls. In den bei­den Jahr­zehn­ten zwi­schen den Krie­gen soll­ten es vor allem der 1. FC Nürn­berg, die SpVgg Fürth und der Ham­bur­ger SV sein, die um die deut­sche Meis­ter­schaft strit­ten. Auch in Süd­deutsch­land ver­la­ger­te sich das fuß­bal­le­ri­sche Gewicht vom Wes­ten in den Osten (nach Bay­ern).
Süd­deutsch­land – nun ohne das Elsass, dass Frank­reich zufiel – orga­ni­sier­te sich nach dem 1. Welt­krieg in 10 Kreis­li­gen. Der KFV spiel­te in der „Kreis­li­ga Süd­west“, die wie­der­um in meh­re­ren Grup­pen für die Regio­nen Würt­tem­berg, Oden­wald und Baden unter­glie­dert war. Die Elf des KFV bestand zur „Stun­de null“ nach dem Welt­krieg nur noch aus einem Rumpf­ka­der der altern­den Meis­ter­schafts­ge­ne­ra­ti­on und neu­en, hoff­nungs­vol­len Talen­ten. Einer der Stür­mer­ta­len­te war Emil Mel­cher (geb. 25. Okto­ber 1895 in Karls­ru­he), der sich aber weni­ger als Spie­ler son­dern in der Fol­ge­zeit nur in einer illus­tren Trai­ner­kar­rie­re, in der er Ein­tracht Frank­furt, die Stutt­gar­ter Kickers, Ale­man­nia Aachen, Schwa­ben Augs­burg, VfL Bochum, Bay­er 04 Lever­ku­sen, den Frei­bur­ger FC und den Wup­per­ta­ler SV trai­nier­te, einen grö­ße­ren Namen machen soll­te (als Trai­ner blieb er aller­dings sel­ten mehr als ein Jahr einem Ver­ein treu). Eine ande­re KFV-Per­so­na­lie war dafür umso ent­schei­den­der für die ers­ten Tage nach dem Welt­krieg: Karl Eget­mey­er (geb. 21. Sep­tem­ber 1875 in Karls­ru­he), der bereits von 1900 bis 1909 für den KFV spiel­te, sowie in der Nach­kriegs­zeit von 1919 an noch ein­mal zusam­men mit Hirsch und Tscher­ter in der ers­ten Elf stand, leis­te­te sei­nen wich­tigs­ten Bei­trag zur KFV-Ver­eins­ge­schich­te 1914 auf einem Ver­bands­tag. Als Ver­hand­lungs­füh­rer des KFV bewahr­te er den Alt­meis­ter am grü­nen Tisch vor einem erst­ma­li­gen Abstieg in die Zweit­klas­sig­keit! Eini­ge Jah­re nach sei­ner Hel­den­tat am Ver­hand­lungs­tisch, wur­de er der ers­te Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zen­de des VfR Mann­heim. Im Juli 1948 ging er als Mann­hei­mer Gas­di­rek­tor nach 48 Jah­ren im Dienst der Stadt Mann­heim in den Ruhe­stand. Auch sein Bru­der Alfred Eget­mey­er war Spie­ler des KFV, ehe er im Dezem­ber 1908 als Leh­rer nach Furt­wan­gen ver­setzt wur­de. Dort bescher­te er dem FC 07 Furt­wan­gen einen star­ken Auf­schwung, wur­de aber bereits nach einem Jahr wie­der ver­setzt. Er fiel im 1. Weltkrieg.

Die KFV-Mann­schaft mit v.l.n.r. August Kist­ner, Weiss, Fritz Tscher­ter, Her­mann Grei­ler, Juli­us Hirsch, Max Gro­ke, Wil­helm Würz­bur­ger, Zieg­ler, Wolz, Anton Dafer­ner, Kraft und Bur­ger. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.
Freund­schafts­spiel gegen Young Fel­lows Zürich (KFV im dunk­len Dress) in Davos im Jah­re 1921, Quel­le: Kicker Nr. 45 v. 7.11.1921, Recher­che v. Micha­el Quell.

Ungarn­meis­ter gegen KFV – Ein ver­schos­se­ner Elf­me­ter als Geschenk an die Gäs­te
Es war eines der ers­ten Nach­kriegshigh­lights: Vor über 6.000 Zuschau­ern spiel­te der KFV 1919 gegen den unga­ri­schen Meis­ter MTK Buda­pest, noch mit den Meis­ter­spie­lern För­de­rer (der dafür aus Hal­le gekom­men war), Tscher­ter, Fuchs und Hirsch in sei­nen Rei­hen. Kurz vor Schluss bekam der KFV wegen eines Hand­spiels eines Ungarns einen Elf­me­ter zuge­spro­chen, den die Buda­pes­ter par­tout nicht akzep­tie­ren woll­ten. Jedes Mal, wenn der Ball von einem KFV-Spie­ler auf den Elf­me­ter­punkt gelegt wur­de, stieß ihn ein MTK-Spie­ler wie­der weg. Erst als der umsich­ti­ge För­de­rer den Ungarn klar mach­te, dass er absicht­lich dane­ben schie­ßen wür­de, konn­te der Elf­me­ter aus­ge­führt wer­den. Das Publi­kum schrie und pfiff zunächst, spen­de­te dem sport­li­chen Tun För­de­rers jedoch schließ­lich Bei­fall. Nach drei pas­sa­blen, aber an Meis­ter­schafts­eh­ren dürf­ti­gen Nach­kriegs­jah­ren, gewan­nen die Schwarz-Roten 1922 die Kreis­li­ga Süd­west und spiel­ten als stärks­tes badi­sches Team gegen die Sport­freun­de Stutt­gart um die Meis­ter­schaft im Bezirk Württemberg/Baden, ver­lo­ren aber das Rück­spiel knapp mit 0:1, nach einem vor­ran­ge­gan­gen 1:1.

 

KFV-Mannschaft in der Saison 1924/25. V.l.n.r.: Burton (Trainer), Vogel, Würzburger, Finneisen, Kastner, Xanthopoulus,Trauth, Weida, Reeb, Schiedsrichter; untere Reihe: Greiler, Gort, Raupp, Kugelstadt, Groke. Quelle: KFV.
KFV-Mann­schaft in der Sai­son 1924/25. V.l.n.r.: Bur­ton (Trai­ner), Vogel, Würz­bur­ger, Finn­ei­sen, Kast­ner, Xanthopoulus,Trauth, Wei­da, Reeb, Schieds­rich­ter; unte­re Rei­he: Grei­ler, Gort, Raupp, Kugel­stadt, Gro­ke. Quel­le: KFV.
1924; KFV-Frei­burg
Stadt­rund­fahrt der KFV-Mann­schaft in Köln am 22. August. 1926. Grund der Rei­se war ein Freund­schafts­spiel in der Stadt (5:1). Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.

ckkehr auf die deut­sche Fuß­ball­büh­ne
1923 wur­de das Liga­sys­tem refor­miert und die Kreis­li­gen durch „Bezirks­li­gen“ ersetzt, die dem süd­deut­schen Fuß­ball wie­der stär­ker einen über­re­gio­na­len Cha­rak­ter und damit Attrak­ti­vi­tät ver­lie­hen. Aus­ge­rech­net in der Sai­son 1922/23, als es galt einen Platz in der neu ent­ste­hen­den Liga zu sichern, schwä­chel­te der KFV und beleg­te nur den 5. Platz in der Kreis­li­ga. Wäh­rend Pforz­heim, der Frei­bur­ger FC und die Stadt­ri­va­len Phö­nix und Mühl­burg sich für die neue erst­klas­si­ge Liga qua­li­fi­zier­ten, schmach­te­te der KFV noch wei­ter in der nun zweit­klas­si­gen Kreis­li­ga Mit­tel­ba­den.
Zu die­ser Zeit eta­blier­te sich mit Max Gro­ke (2.11.1893 ‑1968) ein neu­er Füh­rungs­spie­ler im KFV-Team. „Mit sei­ner Pfer­de­lun­ge war er nicht her­un­ter­zu­krie­gen und drib­beln konn­te er über das hal­be Spiel­feld. Die­se Gabe ver­lei­te­te ihn aber zum zu lan­gen Ball­hal­ten“. Ab 1919 war Gro­ke schon für den KFV aktiv und von 1925 bis 1930 Spiel­füh­rer der Schwarz-Roten. Für Süd­deutsch­land spiel­te er 1923 reprä­sen­ta­tiv gegen die Schweiz (auch sein Sohn Heinz Gro­ke spiel­te in der Nach­kriegs­zeit im KFV-Sturm und wur­de in den 1990er Jah­ren noch ein­mal Spiel­aus­schuss­vor­sit­zen­der). In der Sai­son nach dem schwa­chen 5. Platz wur­de Spie­ler Gro­ke gleich­zei­tig Trai­ner der KFV-Elf. Mit ihrem neu­en Spie­ler­trai­ner errang die Mann­schaft zwar die Meis­ter­schaft der zweit­klas­si­gen Kreis­li­ga, schei­ter­te aber in den Auf­stiegs­spie­len am VfB Stutt­gart und dem SC Frei­burg. Mit aller Macht klapp­te der ersehn­te Auf­stieg nach zwei Jah­ren Zweit­klas­sig­keit 1924/25. Der Auf­stieg brach­te den KFV nun end­lich wie­der der Welt näher, in der sich die KFV-Anhän­ger in ihrer sub­jek­ti­ven Gefühls­welt noch immer befan­den: Auf der gro­ßen Büh­ne des deut­schen Fuß­balls! Der KFV trat nun in der Bezirks­li­ga Würt­tem­berg-Baden, Grup­pe Baden, an. Der Meis­ter der Grup­pe Baden spiel­te im jähr­li­chen Tur­nus gegen den Meis­ter der Grup­pe Würt­tem­berg die Würt­tem­ber­g/­Ba­den-Meis­ter­schaft aus. Die bes­ten Mann­schaf­ten Süd­deutsch­lands, d. h. die Meis­ter der Bezir­ke Main/Hessen, Rhein/Saar, Bay­ern und eben Württemberg/Baden spiel­ten um die Süd­deut­sche Meis­ter­schaft, die wie­der­um – wie schon in frü­he­ren Zei­ten – die Qua­li­fi­ka­ti­on zur deut­schen Meis­ter­schafts­end­run­de sicher­te. Inso­fern bestand für den KFV wie­der die rea­le Opti­on, ein Wort in der deut­schen Fuß­ball­meis­ter­schaft mitzureden.

Wie schon im Jahr­zehnt davor, wirk­te erneut ein bri­ti­scher Trai­ner nach einer Kri­sen­zeit als Kata­ly­sa­tor für den sport­li­chen Erfolg: James Law­rence wur­de im August 1925 ver­pflich­tet. Law­rence bewies weni­ger päd­ago­gi­sches Gespür, als fuß­ball­theo­re­ti­sches Wis­sen. Den KFV-Recken soll er das soge­nann­te W‑System bzw. WM-Sys­tem, das im bri­ti­schen Fuß­ball seit 1925 prak­ti­ziert wur­de, gelehrt haben. Das Ergeb­nis von Law­ren­ces Wir­ken glich einer Sen­sa­ti­on: Der KFV wur­de als fri­scher Auf­stei­ger Meis­ter der Liga Würt­tem­berg-Baden und qua­li­fi­zier­te sich prompt für die süd­deut­sche Meis­ter­schaft! Die größ­te Glück­se­lig­keit für die Schwarz-Roten brach­te schließ­lich ein 9:0‑Kantersieg im Lokal­schla­ger gegen den FC Phö­nix: „Das Rezept, das den kran­ken KFV wie­der gesund mach­te, heißt unter dem neu­en Trai­ner uner­müd­li­ches Trai­ning, sport­li­che Einig­keit, Dis­zi­plin und stren­ge Ent­halt­sam­keit“, urteil­te eine Zei­tung abschlie­ßend über den neu­en Geist beim KFV.

In der End­run­de der süd­deut­schen Meis­ter­schaft ging dem KFV, der inner­halb einer Jah­res­frist die stra­pa­ziö­sen Auf­stiegs­spie­le für die Bezirks­li­ga bestritt sowie in der Bezirks­li­ga selbst Meis­ter wur­de, jedoch die Luft aus. Ersatz­ge­schwächt und ohne Fri­sche konn­te der KFV in der End­run­de der süd­deut­schen Meis­ter­schaft nicht mit Geg­nern wie dem FC Bay­ern Mün­chen oder dem Vor­jah­res­vi­ze­meis­ter FSV Frank­furt mit­hal­ten. Auch gegen den spä­te­ren deut­schen Meis­ter in die­ser Sai­son, die SpVgg Fürth, konn­te der KFV zuhau­se nicht gewinnen:

So., 07.03.1926: End­run­de der Süd­deut­schen Meis­ter­schaft – 5. Spiel­tag
KFV – SpVgg Fürth 1:2 (1:0)

KFV: Hans Eber­lein, Huber, Her­mann Trauth, Wolz, Max Gro­ke, Her­mann Grei­ler, Wil­helm Würz­bur­ger, Her­mann Ege, Jean Vogel, Leo­pold Kast­ner, Wal­ter Finn­ei­sen
Fürth: Neger – Mül­ler, Hagen – Klein­lein, Lein­ber­ger, H. Krauß – Auer, Franz, Sei­de­rer, Ascherl, Kieß­ling
1:0 Würz­bur­ger (8.), 1:1 Sei­de­rer (46.), 1:2 Lein­ber­ger (75.)
Sta­di­on an der Tele­gra­fen­ka­ser­ne, Zuschau­er: 8000, Schieds­rich­ter: Herr­mann (Lud­wigs­ha­fen)

Son­der­num­mer der Ver­eins­zei­tung des KFV mit den Aus­lands­spie­len in Bor­deaux auf dem Cover (1924/25). Quel­le: KFV-Archiv.
Die aller­ers­te Kicker-Aus­ga­be dem KFV und den “Karls­ru­her Kickers” (kurz­zei­ti­ge Abspal­tung des KFV, sie­he oben) auf dem Cover. Die bekann­te Zeit­schrift selbst wur­de von KFV-Grün­de Ben­se­mann gegrün­det. Quel­le: KFV. 
1927, KFV — Phö­nix Karls­ru­he 6:1 aus “Der Sport­be­richt”. Quel­le: 100 Jah­re KSC. 
Titel­sei­te des Kicker vom 23. Juni 1925 mit einer Spiel­sze­ne der Par­tie VfR Mann­heim – KFV mit KFV-Kee­per Xan­tho­pou­lus und Ver­tei­di­ger Trauth. Quel­le: Ebner (2016).

Im fol­gen­den Jahr lan­de­te der KFV knapp hin­ter dem VfB Stutt­gart auf dem zwei­ten Tabel­len­platz der Bezirks­li­ga Württemberg/Baden. In der Trost­run­de der Zweit­plat­zier­ten der deut­schen Bezirks­li­gen, die noch ein­mal das Tor zur Meis­ter­schafts­end­run­de weit auf­riss, star­te­te der KFV als Favo­rit. Ein stark umkämpf­tes und äußerst hart geführ­tes Spiel gegen den VfR Mann­heim stell­te jedoch einen ent­schei­den­den Wen­de­punkt zu Unguns­ten der Karls­ru­her dar: „Zum Spie­le gegen den VfR fuh­ren wir mit einer außer­or­dent­lich star­ken Mann­schaft nach Mann­heim. Es hät­te ein packen­des und span­nen­des Tref­fen wer­den kön­nen, wenn nicht… Die Zuschau­er kamen aus dem Stau­nen nicht her­aus. Unse­re Spie­le der letz­ten Jah­re gegen Mann­heim zähl­ten stets zu den bes­ten und fairs­ten. Was sich aber da ent­wi­ckel­te und abwi­ckel­te, hat­te mit die­ser Kenn­zeich­nung nichts mehr gemein. Kaum waren 5 Minu­ten ver­gan­gen, da war Gün­ther so gut wie erle­digt. Wenig spä­ter hum­pel­te Fer­di­nand Lan­ge bedenk­lich. Bekir ging bei der Pau­se mit einer Gesichts­ver­let­zung in die Kabi­ne, als ob er eben aus einem Box­ring käme. Und kurz vor Spiel­schluß wur­de Kast­ner ins Exil geschickt, als er die dau­ern­den Hin­ter­häl­tig­kei­ten und Gemein­hei­ten des geg­ne­ri­schen Mit­tel­läu­fers Desch­ner abzu­weh­ren ver­such­te. Es war schau­er­lich. Ins­be­son­de­re die Her­ren Desch­ner und Engel­hardt II haben sich als voll­ende­te, Sports­leu­te‘ erwie­sen; wir wür­den nichts ver­mis­sen, wenn wir die­sen Leu­ten künf­tig nicht mehr begeg­nen wür­den.“ KFV-Spie­ler Kast­ner war jedoch nicht ganz unschul­dig an den erhitz­ten Gemü­tern: Der „KFV führ­te schon 5:0. Alle Tore hat­te Kast­ner geschos­sen. Dann rede­te er! Und aus dem Glücks­pilz wur­de ein Unglücks­pilz. Mann­heim hol­te noch auf!“ (Badi­sche Pres­se, 12.9.1935). Der KFV gewann zwar mit 5:4, konn­te ersatz­ge­schwächt aller­dings nur noch den zwei­ten Platz in der Trost­run­de der Bezirks­li­ga­zwei­ten, knapp hin­ter dem TSV 1860 Mün­chen, bele­gen. Haar­scharf ver­pass­te der KFV damit nach 15 Jah­ren Abs­ti­nenz sein Come­back in der deut­schen Meisterschaftsendrunde. 

Im Juli 1927 – kurz nach der ver­pass­ten Meis­ter­schafts­end­run­de – fand der wohl eigent­li­che Höhe­punkt der Sai­son statt: Im Karls­ru­her Wild­park­sta­di­on fan­den sich 15.000 Zuschau­er ein, um die Pokal­par­tie KFV gegen den frisch­ge­ba­cke­nen deut­schen Meis­ter, den 1. FC Nürn­berg, zu ver­fol­gen. Eine Vor­schau zu dem Spiel zeigt, wie groß der Event­cha­rak­ter des Fuß­balls bereits in den 1920er war: „Der Wett­spiel­ball wird vor­aus­sicht­lich von einem Flug­zeug abge­wor­fen. Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Fin­ter wird den Deut­schen Meis­ter im Namen der Stadt begrü­ßen und die gesam­te Feu­er­wehr­ka­pel­le spielt ab 1.00 Uhr unter Lei­tung des Musik­di­rek­tors Irr­gang. Als Vor­spiel fin­det eine Begeg­nung zwi­schen den Junio­ren des KFV und des FC Phö­nix statt“. Der Anstoß ver­zö­ger­te sich zunächst, da die Nürn­ber­ger Stars Kalb und Stuhl­fauth erst gegen 3.00 Uhr mit dem Flug­zeug in Karls­ru­he anka­men. Nach der regu­lä­ren Spiel­zeit eines span­nen­den Spiels stand es immer noch 0:0. Zur Ver­län­ge­rung erschie­nen kurio­ser­wei­se nur noch die Karls­ru­her. Die Nürn­ber­ger konn­ten nicht zum Wei­ter­spie­len bewegt wer­den. Da der sat­zungs­ge­mä­ße Gewin­ner, der KFV, nach der Par­tie auf den Sieg ver­zich­te­te, bestritt der 1. FC Nürn­berg die wei­te­ren Pokal­spie­le.

In der Sai­son 1927/28 erleb­te man den ver­mut­lich stärks­ten Nach­kriegs-KFV. Gereift durch die ers­ten Jah­re auf hohem Niveau, gewann der KFV sou­ve­rän die Bezirks­li­ga und schlug Lokal­ri­va­le FC Phö­nix im Ent­schei­dungs­spiel um die Meis­ter­schaft im Bezirk Württemberg/Baden, Grup­pe Baden sou­ve­rän mit 6:1. In der süd­deut­schen Meis­ter­schaft lan­de­te der KFV auf dem guten aber undank­ba­ren Platz 4 hin­ter den Bay­ern, Ein­tracht Frank­furt und der SpVgg Fürth.

Auch in der Fol­ge­sai­son blieb das Der­by gegen den Lokal­ri­va­len FC Phö­nix ein Zuschau­er­ma­gnet. Vor 10.000 Zuschau­ern spiel­te der KFV im Novem­ber 1928 gegen die Blau-Schwar­zen, die das Hin­spiel mit 3:2 gewan­nen. Der KFV war auf Rache aus. In einem ras­si­gen Spiel kämpf­ten die bei­den Lokal­ri­va­len ver­bis­sen gegen­ein­an­der. Nach drei ver­häng­ten Elf­me­tern (zwei für den KFV und einen für Phö­nix) sieg­te die KFV-Elf mit 4:2. In einem der fol­gen­den Der­bys, im Janu­ar 1930, übte KFV-Star Bekir schlag­fer­ti­ge Selbst­jus­tiz am Phö­nix-Kee­per Krim­mer, flog vom Platz und wur­de für 13 Wochen gesperrt (mit Wir­kung vom 12.04.1930 aber wie­der begna­digt). Krim­mer selbst wur­de noch kurz vor Spie­len­de vom Platz ver­wie­sen. Mit 4:1 errang der KFV im emo­tio­na­len Der­by erneut den Sieg. Beim Stan­de von 4:1 ver­fehl­te Eugen Nagel – bekannt als siche­rer Elf­me­ter­schüt­ze – mit zitt­ri­gen Knien bei einem Straf­stoß das Tor. Trotz aller Emo­tio­nen und lan­ger Dis­pu­te des Unpar­tei­ischen mit den Spie­lern bei­der Sei­ten, blieb es bei den Der­bys den­noch meist bei rela­tiv fair geführ­ten Partien.

Neben den Der­bys waren ins­be­son­de­re die Spie­le gegen den mehr­fa­chen deut­schen Meis­ter Nürn­berg von hohem Publi­kums­in­ter­es­se. 15.000 Zuschau­er sahen 1929 das 0:0 zwi­schen dem KFV und dem 1. FC Nürn­berg im KFV-Sta­di­on. Auch im März 1930 konn­ten die „Club­be­rer“ vor 12.000 Zuschau­ern nicht gewin­nen (1:1). „Für bei­de Ver­ei­ne besitzt die KFV-Kampf­stät­te his­to­ri­sche Bedeu­tung. Der »Club« fand hier immer sei­nen Meis­ter, noch nie konn­te er auf die­sem für ihn gera­de­zu ver­häng­nis­vol­len Boden einen Sieg errin­gen“, urteil­te ein Reporter. 

Süd­deut­sche Meis­ter­schaft; End­run­de der Zweit- und Dritt­plat­zier­ten:
9. 3. 1930: KFV – 1. FC Nürn­berg 1:1

KFV: Theo Stad­ler, Lorenz Huber, Her­mann Trauth, Fer­di­nand Lan­ge, Alfred Reeb, Eugen Nagel, Alfred Reisch, Juli­us Sic­card, Leo­pold Kast­ner, Karl Link, Wil­helm Quas­ten
Nürn­berg: Stuhl­fauth, Popp, Kug­ler, Weik­mann, Kalb, Fuchs, Rein­mann, Oehm, Schmidt, Wie­der, Kundt
Tore: 0:1 (unbe­kannt), 1:1 Kast­ner
KFV-Sta­di­on, Zuschau­er: 12.000.

Bur­ton Abschied Goo­dy­bye Mr. Bur­ton! Der KFV-Chef­trai­ner wird am Karls­ru­her Bahn­hof nach lang­jäh­ri­ger Tätig­keit ver­ab­schie­det. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe. 
Das KFV-Team 1931. V.l.n.r.: Finn­ei­sen, Sic­card J., Trauth, Nagel, Link, Lan­ge, Kast­ner, Wünsch; knie­end: Kel­ler, Stadt­ler, Mül­ler, Zwei­gert, Sic­card W., Quel­le: KFV.
40-jäh­ri­ges Bestehen fei­er­te der KFV 1931. Quel­le: Badi­sche Pres­se, 12.10.1931, Montagausgabe.

KFV inter­na­tio­nal
Nach­dem der KFV bereits in sei­nen Anfangs­jah­ren im regen Aus­tausch mit aus­län­di­schen Ver­eins­mann­schaf­ten stand, führ­te der KFV die­se Tra­di­ti­on auch in den Zwi­schen­kriegs­jah­ren fort. Über die Oster­fei­er­ta­ge 1930 reis­ten die Karls­ru­her unter der Füh­rung von Ivo Schri­cker nach Hol­land. Sla­via Prag gas­tier­te im Mai 1930 in Karls­ru­he. Sogar gegen eine Mann­schaft aus Über­see ging es zwei Mona­te spä­ter, als der DSV Mil­wau­kee New York in Karls­ru­he gas­tier­te. Eine erneu­te Frank­reich­rei­se führ­te die KFV­ler an Weih­nach­ten 1930 unter der aber­ma­li­gen Lei­tung von Ivo Schri­cker zusam­men mit Meis­ter­spie­ler Tscher­ter nach Mar­seil­le, Nan­cy und Paris. An Ostern 1928 wur­de der KFV-Tur­nier­sie­ger in einem gut besetz­ten inter­na­tio­na­len Wett­be­werb in Luxem­burg. Über Sil­ves­ter 1932 ging es für den KFV erneut nach Frank­reich, wo der KFV gegen den fran­zö­si­schen Cup-Sie­ger Mont­pel­lier mit 3:1 gewann und gegen Olym­pi­que Mar­seil­le vor 10.000 Zuschau­ern 0:0 spielte.

KFV gegen Enotria Goli­ar­do Mai­land, 8. Mai 1921 (2:2), Quel­le: KFV. 

Wie­ner Schu­le in Karls­ru­he? Die Sys­tem­fra­ge
Zum 1. Juli 1931 ver­ließ James Law­rence nach sechs­jäh­ri­ger erfolg­rei­cher Tätig­keit den KFV. Als Nach­fol­ger ver­pflich­te­ten die Karls­ru­her den Wie­ner Franz „Ben­ja­min“ Sedlacek (geb. 15. Dezem­ber 1893). Sedlacek war kein Unbe­kann­ter für den Alt­meis­ter: Mit dem DFC Prag stand der Wie­ner einst im ers­ten Fina­le der deut­schen Fuß­ball­meis­ter­schaft (2:7 gegen den VfB Leip­zig) und spiel­te von 1913 bis 1921 beim Wie­ner AC, mit dem er 1914 öster­rei­chi­scher Fuß­ball­meis­ter wur­de. Zwi­schen 1913 und 1918 brach­te er es auf 11 Län­der­spie­le für Öster­reich, die er bis auf eine ein­zi­ge Aus­nah­me (Ita­li­en) kurio­ser­wei­se alle gegen Ungarn bestritt. Auch in die Nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Ver­bands­aus­wahl wur­de er beru­fen. Nach Trai­ner­sta­tio­nen bei Vicen­za Cal­cio (1922/23), AC Vene­zia (1924–27), Lazio Rom (1929/30) und Gar­bar­nia Kra­kau wur­de er ab der Sai­son 1931/32 offi­zi­el­ler Trai­ner des KFV. 

Sedlacek ver­kör­per­te als Kadett der „Wie­ner Schul­er“ des berühm­ten öster­rei­chi­schen Natio­nal­trai­ners Hugo Meisl die gegen­sätz­li­che Spiel­kul­tur sei­nes bri­ti­schen Amts­vor­gän­gers Law­rence. Die öster­rei­chi­sche Fuß­ball­phi­lo­so­phie, wel­che auf Ball­be­herr­schung, Kurz­pass­spiel und gerin­gen Kör­per­ein­satz beruh­te, war in vie­ler­lei Hin­sicht inkom­pa­ti­bel mit dem bri­ti­schen „W‑System“ oder „WM-Sys­tem“, das Law­rence zuvor lehr­te. Nach dem sehr glück­li­chen 2:2 des 1. FC Nürn­berg beim KFV schrieb der Kicker zum Sys­tem­wech­sel beim KFV: „Der KFV stand in sei­ner Stutt­gar­ter Beset­zung im Gefecht. Wie­ner Schu­le? Die hat­te es beim KFV am Anfang der Grup­pen­spie­le an sage und schrei­be zwei Sonn­ta­gen auf hohem Niveau gege­ben. Dann aber ver­schwand sie eben­so rasch und voll­kom­men wie­der, wie sie gekom­men war. Seit­her irren die Karls­ru­her zwi­schen zwei Sys­te­men her­um. Die Spiel­wei­se des KFV vege­tiert zwi­schen Law­rence und Sedlacek“. 1932 las sich der Kicker wie­der freund­li­cher, als der KFV „mit fei­nen typisch Wie­ner Kom­bi­na­ti­ons­fuß­ball“ gegen den fran­zö­si­schen Pokal­sie­ger Mont­pel­lier ein Freund­schafts­spiel gewann.

Ab den 1930er Jah­ren ent­brann­te in Deutsch­land eine fast schon ideo­lo­gisch geführ­te Debat­te, ob das bri­ti­sche „WM-Sys­tem“ (3–2‑2–3) oder die „Wie­ner Schu­le“ (eine Wei­ter­ent­wick­lung des 2–3‑5-Systems) zu bevor­zu­gen sei. KFV-Urge­stein Schri­cker stell­te sich auf die Sei­te der Öster­rei­cher, wies auf die „unge­heu­re pro­pa­gan­dis­ti­sche Wir­kung des Offen­siv­fuß­balls“ hin und nann­te neben dem 1. FC Nürn­berg, Fürth und dem FC Bay­ern auch den KFV als Bei­spiel für eine gelun­ge­ne Umset­zung des Wie­ner Spiel­kon­zepts. Letzt­lich setz­te sich aber spä­tes­tens in den 1940ern das WM-Sys­tem als Stan­dard durch – auch beim KFV. Dass mit Hans Kou­de­la und Prei­sin­ger 1940 zwei Öster­rei­cher im Kader des KFV stan­den, konn­te nichts dar­an ändern. Einen nach­hal­ti­gen Gewinn erhielt die KFV-Trup­pe durch das Enga­ge­ment des Wie­ners Sedlacek nicht. Per­so­nell konn­ten die Karls­ru­her jedoch auf immer stär­ke­re Spie­ler zurück­grei­fen: Erfah­re­ne Kräf­te um den tür­ki­schen Stür­mer Bekir wur­den durch neue, hoff­nungs­vol­le Talen­te wie Fritz Mül­ler und Fritz Kel­ler ergänzt. Das zeig­te sich auch schon bald in den Ergeb­nis­sen: In der Vor­run­de der süd­deut­schen Meis­ter­schaft 1932 lag der KFV auf dem 2. Rang. Doch Abstel­lun­gen wich­ti­ger Spie­ler zu Reprä­sen­ta­tiv-Spie­len (Län­der- und Ver­bands­spie­le), Ver­let­zungs­pech und oft­mals unnö­ti­ge Sper­run­gen von Leis­tungs­trä­gern ver­hin­der­ten grö­ße­re Erfol­ge der Schwarz-Roten in die­ser Pha­se. Von der zwei­ten Hälf­te der 1920er Jah­re bis zur Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten 1933, errang der KFV in den badi­schen bzw. baden-würt­tem­ber­gi­schen Meis­ter­schaf­ten meist den Titel, zumin­dest aber die Vize­meis­ter­schaft. In den End­run­den um die Süd­deut­sche Meis­ter­schaft konn­te der KFV sich aber dann schließ­lich nicht gegen die star­ken Ver­ei­ne aus Bay­ern durch­set­zen, die zu die­ser Zeit den gesamt­deut­schen Fuß­ball domi­nier­ten. Die Süd­deut­schen Meis­ter­schafts­end­run­den umfass­te zu einem Groß­teil die bes­ten Mann­schaf­ten des Deut­schen Reichs: Von Kriegs­en­de bis zur Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten stell­te Süd­deutsch­land acht deut­sche Fuß­ball­meis­ter und vier Vize­meis­ter! Auch wenn auf natio­na­ler Ebe­ne die Kon­kur­renz zu stark war, behielt der KFV in Karls­ru­he meist die Ober­hand. Doch auch in Baden soll­te sich in dar­auf­fol­gen­den Jah­ren ein Sze­nen­wech­sel abspie­len: Die Mann­schaf­ten aus Mann­heim – ins­be­son­de­re der SV Wald­hof und der VfR – lan­de­ten von nun an meist vor den Karls­ru­her Traditionsklubs.

Der KFV beim FC Wacker München (3:0) am 24. April 1927 mit (stehend von links) Jean Vogel, Keeper Karl Waßmannsdorf, Alfred Reeb, Wilhelm Quasten, der kampfkräftige und schussgewaltige Rechtsaußen Wilhelm Würzburger, Rafet Bekir, Leopold Kastner, Walter Finneisen, Hannes Günther und kniend von links Huber, Hermann Trauth, Hermann Ege und Lange. Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe.
Der KFV beim FC Wacker Mün­chen (3:0) am 24. April 1927 mit (ste­hend von links) Jean Vogel, Kee­per Karl Waß­manns­dorf, Alfred Reeb, Wil­helm Quas­ten, der kampf­kräf­ti­ge und schuss­ge­wal­ti­ge Rechts­au­ßen Wil­helm Würz­bur­ger, Rafet Bekir, Leo­pold Kast­ner, Wal­ter Finn­ei­sen, Han­nes Gün­ther und kniend von links Huber, Her­mann Trauth, Her­mann Ege und Lan­ge. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.
Im dichten Schneetreiben trennen sich der FC Bayern München und KFV an Dreikönige 1929 unentschieden 3:3. Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe.
Im dich­ten Schnee­trei­ben tren­nen sich der FC Bay­ern Mün­chen und KFV an Drei­kö­ni­ge 1929 unent­schie­den 3:3. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.
Das KFV-Team im Herbst 1931. V.l.n.r.: Fritz Keller, Leopold Kastner, Karl Link, Eugen Nagel, Eugen Wünsch, Fritz Müller, Julius Siccard, Ferdinand Lange, Trainer Sedlaczek, Lorenz Huber, Keeper Theo Stadler, Hermann Trauth. Quelle: KFV-Archiv.
Das KFV-Team im Herbst 1931. V.l.n.r.: Fritz Kel­ler, Leo­pold Kast­ner, Karl Link, Eugen Nagel, Eugen Wünsch, Fritz Mül­ler, Juli­us Sic­card, Fer­di­nand Lan­ge, Trai­ner Sedlac­zek, Lorenz Huber, Kee­per Theo Stad­ler, Her­mann Trauth. Quel­le: KFV-Archiv.