Die zweite Hälfte der 1980er Jahre
Nach einem enttäuschenden 8. Platz konnte sich der KFV 1985 trotz einer aufwendigen Vorbereitung nur leicht verbessern und landete auf dem sechsten Rang. Trainer Cornelius Rastetter warf mitten in der Saison das Handtuch, sodass kurzfristig Ersatz gefunden werden musste. Im Kreispokal mussten sich die Schwarz-Roten dagegen erst im Endspiel dem FC Germania Friedrichstal (0:1) geschlagen geben (umstrittener Elfmeter). Saftig wurde es im BFV-Pokal. Gegen den frischgebackenen Meister der Oberliga Baden-Württemberg, SV Sandhausen, verlor man mit 0:13! Einen Erklärungsversuch findet man in der Vorgängerchronik des KFV: „1. Zwei Klassen Unterschied; 2. Unsere Spieler fuhren direkt von der Arbeitsstelle nach Sandhausen; 3. In den letzten drei Wochen betrug das Trainingsprogramm maximal zwei Einheiten, Sandhausen stand 5 Mal wöchentlich im Saft“. Schon Konfuzius wusste: In allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab! Auch ein Gastspiel von Hota Bavaria New York verlor der KFV mit 1:5.
Ein Jahr später ging der KFV abermals auf Verjüngungskur: 20,6 Jahre betrug das Durchschnittsalter der Mannschaft ohne die drei ältesten Spieler. Sieben A‑Jugendspieler rückten nach. Stefan Sternkopf, der Bruder des ehemaligen KSC- und FC-Bayern-Spielers Michael, kam ebenso aus der eigenen Jugend hinzu. Nur knapp und mit viel Pech verpasste der KFV die Meisterschaft. Nach 19 Spieltagen lag der KFV vorne. Dann kam das Spiel gegen Durlach-Aue. Alle anderen Spiele des Spieltages wurden wegen Unbespielbarkeit abgesagt. Auf dem mit hohem Schnee bedeckten Boden musste ein Glücksschuss her, der den Durlachern gelang. Dieses Spiel war der Knackpunkt der Saison und die unerfahrenen Karlsruher ließen sich vom FV Wiesental in der Endphase der Saison überholen. Doppelt ärgerlich: Bei den unteren als auch oberen Spielklassen durfte auch der Zweitplatzierte um den Aufstieg spielen. In der Landesliga jedoch nicht! Der KFV blieb auch weiter in der Liga.






Im Sommer 1989 verließen 25 Spieler der 1. und 2. Mannschaft den Verein, da sich der KFV keine lukrativen Auflaufgelder mehr leisten konnte. „Der KFV muss auf Sparflamme kochen“ hieß es dazu im Lokalblatt BNN. Wie so oft hatte der KFV seinen schon gut bezahlten Spielern noch einmal mehr Geld geboten, konnte es sich aber am Ende nicht leisten. Obwohl der KFV als Abstiegskandidat gehandelt wurde, überraschten die Karlsruher als Vizemeister. Trainer Rolf Müller resümierte dazu: „Nach einer beispiellosen Gesundschrumpfung haben die Spieler an der Hertzstraße die Ärmel hochgekrempelt, trainiert und diszipliniert auch teilweise begeisternden Fußball gespielt. […] Ich würde mir wünschen, dass jedes kritische Wort mit einem Spendenbeitrag für den KFV unterlegt werden würde, dann wäre die Kritik erträglicher und der Verein könnte vielleicht Abhilfe schaffen“. Die Idee wurde leider nie in die Tat umgesetzt und nicht nur deswegen ging es für den KFV weiter finanziell bergab.
Für den KFV spielten im Stadtderby:
23. Mai 1989: KFV – Karlsruher Sport-Club 3:2 (1:1)
KFV: Paul, Mangler (König), Gimmel, Schwarz, Treier (Dickelmann), Matena, Bauer, Grimm, Bronzel, Gaiser, Malsam
1:0 Malsam (13.), 1:1 Schütterle (22.), 2:1 Gaiser (47.), 3:1 Malsam (56.), 3:2 Schütterle (74.)
Zuschauer: 400, KFV-Stadion an der Telegrafenkaserne.


Anekdote: Kurioser Gast beim Jubiläumsspiel gegen Dinamo Zagreb
Zum Jubiläumsjahr 1990/91 schaffte der KFV endlich den lange ersehnten Aufstieg in die Verbandsliga. Mit einem 2:0 gegen die von Karl-Heinz Kwolek trainierte GU Pforzheim sicherten sich die Schwarz-Roten am 30. Spieltag die Meisterschaft. Zum ersten Mal seit 1976/77 (damals in der 2. Amateurliga Mittelbaden) war der KFV damit wieder viertklassig.
Am 1. Mai 1991 gastierte Dinamo Zagreb beim KFV. Vor rund 2000 Zuschauern gewannen die Kroaten mit 5:1. Nationalspieler Mladen Mladenović, der auch bei der EM 1996 für Kroatien auflaufen sollte, brachte Zagreb zweimal in Führung, ehe Cupac und zweimal Laya alles klar machten. Kurioser Gast an diesem Tag im Telegraphenstadion: Bundesligaspieler Vladimir „Vlado“ Kasalo vom 1. FC Nürnberg, der nach Eigentoren in den Spielen gegen den VfB Stuttgart sowie den Karlsruher SC einige Zeit später wegen Wettbetrugs festgenommen wurde. Er kam vermutlich, um seinen ehemaligen Kollegen von Dinamo Zagreb „Hallo“ zu sagen…






Eine 1990er KFV-Jugend — Im Gespräch mit zwei ehemaligen Jugendspielern
Arnold Dybek und Viktor Göhring spielten in ihren Jugendjahren in den 1990ern beim KFV. Dybek brachte es zu Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf, während, Göhring Kapitän von SV Waldhof Mannheim wurde und in der moldawischen Fußballnationalmannschaft spielte.
Mit beiden führten wir Kurzinterviews (2009):
Herr Dybek, wie sind Sie zum KFV gekommen und in welcher Begegnung trugen Sie zum ersten Mal das KFV-Trikot?
Ich bin mit vielen weiteren jungen Spielern von der KSC Jugend zum KFV gewechselt. Ausschlaggebend war vor allem der leider schon verstorbene Jugendtrainer Werner Tietze.
Welche Erlebnisse mit dem KFV haben sich besonders in Ihren Erinnerungen verankert?
Die letzten zwei Jugendjahre beim KFV waren ausschlaggebend für meine weitere Entwicklung. Wir konnten tolle Erfolge feiern und waren damals eine super Mannschaft.
Welche Persönlichkeit beim KFV hat Sie am meisten geprägt?
In meiner Zeit war Werner Tietze ein toller Trainer, der mich geprägt hat.
Was machten Sie nach Ihrer Zeit beim KFV ?
Mit 16 Jahren begann ich eine Ausbildung bei der Badenwerk AG (EnBW). Nach meiner Berufsausbildung leistete ich meinen Zivildienst beim ASB. Mit 21- 28 Jahren Berufsfußballspieler (Siehe oben!). Danach Lehramtsstudium. Seit 6 Jahren unterrichte ich nicht weit weg der ehemaligen Heimat des KFV in der Nordweststadt an der Werner von Siemens Schule, Sport Technik und Wirtschaftslehre.
Was hat Sie beim KFV am meisten beeindruckt?
Die Tradition des KFV und der Zusammenhaltung in der damaligen A‑Jugend sowie die damals noch relativ hoch spielende 1. Mannschaft des KFV (Verbandsliga)
Herr Göhring, wie sind Sie zum KFV gekommen und in welcher Begegnung trugen Sie zum ersten Mal das KFV-Trikot?
Nachdem ich in der B‑Jugend beim KSC nicht regelmäßig zum Einsatz kam, wechselte ich zum KFV , weil es in der näheren Umgebung die beste Alternative darstellte. An das erste Spiel kann ich mich nicht mehr erinnern.
Welche Erlebnisse mit dem KFV haben sich besonders in Ihren Erinnerungen verankert?
Keine Spezielle aber ich habe sehr gute Erinnerungen an die Zeit. Viele gute Spiele gegen den KSC oder Waldhof oder die veralteten Kabinen, der Hartplatz und das Stadion, was es ja leider nicht mehr gibt. Aus der Zeit sind mir mit Siggi Stühn und Anatol Sattel noch 2 super Kumpels geblieben.
Welche Persönlichkeit beim KFV hat Sie am meisten geprägt?
Mit Sicherheit Mister KFV Werner Titze. Nach seinem Tod ging es leider mit dem Verein bergab.
Warum ist der KFV nicht irgendein Fußballverein?
Natürlich die Tradition und der Meistertitel. Früher hätte ich noch das Stadion gesagt. Leider gibt es die Spielstätte nicht mehr was dem Verein mit Sicherheit ein gutes Stück Identität nahm.
Als Kapitän die Mannschaft des traditionsreichen SV Waldhof Mannheim auf den Platz führen – war das der größte Moment in Ihrer Spielerlaufbahn?
Kapitän wurde ich nach dem Zwangsabstieg in die Oberliga 2003/04. Im Jahr zuvor spielten wir noch in der 2. Bundesliga und ich kam insgesamt auf 8 Einsätze. Der größte Moment war mein erster Zweitligaeinsatz im November 2002 auf dem alten Aachener Tivoli vor über 12.000 Zuschauern. Das Spiel gewannen wir mit 2:1.
Was sind Ihre Erinnerungen als Nationalspieler von Moldawien ?
Ich bin in Moldawien geboren. Der Trainer zur damaligen Zeit war Viktor Pasulko, mein ehemaliger Trainer beim ASV Durlach. Wir spielten in Reichenbach gegen den KSC und verloren das Spiel durch einen zweifelhaften Elfmeter kurz vor Ende mit 2:1.
Wem drücken Sie die Daumen wenn die DFB-Elf gegen die Auswahl aus Moldawien oder Kasachstan spielt?
Natürlich der Deutschen. Ich kam im Alter von 2 Jahren nach Deutschland so dass der Bezug nach Russland bzw. Kasachstan eher gering ist.
Mit Ihrem Bruder Viktor, mit dem Sie ebenso zusammen beim KFV und dem SV Waldhof spielten, gibt es gleich zwei „Göhrings“ die es bis zur 2. Bundesliga geschafft haben, wie kam es zu der familiären Begeisterung zum Fußball?
Der Ball war halt immer im Mittelpunkt, andere Hobbys hatten wir nicht. Ein gewisses Talent war da und so wechselten wir schon früh in der Jugend zum KSC und alles nahm seinen Lauf.
Ende der Interviews



In den folgenden drei Jahren spielte der KFV in der Landesliga bis nach einer schlechten Saisonleistung das Abstiegs-Relegationsspiel zur Bezirksliga verloren wurde (1999/2000) und der Altmeister den Weg in die Bezirksliga anzutreten hatte. Dem Abstieg folgte die bisher letzte sportliche Meisterschaft des KFV und damit der Wiederaufstieg in die Landesliga, dem der erneute Abstieg in die Bezirksliga folgte. Parallel zum sportlichen Niedergang wurde nun auch die finanzielle Lage immer prekärer. Durch eine Umschuldung wurden dem Verein von einer seiner Banken teilweise Schulden erlassen, doch im Jahre 1999 machte der KFV schon einen Verlust von 33.000 DM. Das Benefizspiel zwischen dem KSC und dem VfB Stuttgart (1:2) auf dem Platz des KFV zugunsten der Schwarz-Roten zog immerhin 3.000 Zuschauer an.






Nach einer passablen Saison, zog der KFV in der Saison 2001/2002 seine Reservemannschaft zurück. Ein Tiefpunkt. KFV-Trainer Riedle legte „mangels Perspektiven“ sein Traineramt nieder. Der KFV war inzwischen nicht gerade das Lieblingskind des Fußballverbandes. Sogar Schiedsrichter waren angeekelt vom Zustand der Umkleidekabinen und schworen niemals wieder ein KFV-Spiel pfeifen zu wollen. 2001 war der Schuldenstand des KFV inzwischen auf mehr als eine halbe Millionen Mark angewachsen. Die Stadtwerke stellten kurzzeitig gar den Strom ab. Der KFV konnte sich nicht dazu durchringen, die sportlichen Ambitionen zurückzuschrauben. 2001 besaß fast die Hälfte des Kaders weiterhin einen Vertragsamateur-Status, was bedeutete, dass der Klub jedem dieser Spieler mindestens 200 Mark im Monat zahlen musste. 2002 meldete der KFV aus Personalmangel seine Jugendteams ab, sowie ein wenig später seine erste Mannschaft (nach einem 0:8 gegen FSSV Karlsruhe). Der Rückzug war nicht effektiv und brachte nicht den erhofften Neuaufschwung, denn auch in der darauf anschließenden Saison hatte der KFV nach acht Spielen nur einen Zähler auf dem Punktekonto. 2001 übernahm Gunter Dietrich das Training beim KFV, der vor der Wende beim DDR-Drittligisten Stahl Freital als Spieler und Trainer seine Sporen verdiente. In der darauffolgenden Saison stieg der KFV in der Kreisliga A ab. Die Saison 2003/04 sollte die letzte Saison vor dem zwischenzeitlichen Aus sein. Das Spieljahr 2004/05 lief für den KFV zwar noch an, aber schon im Herbst wurde der Spielbetrieb eingestellt, da man die Abgaben an den Fußballverband nicht mehr bezahlen konnte.



Verlust der sportlichen Heimat
2004 begann nicht ganz überraschend das wohl dunkelste Kapitel der Vereinsgeschichte. Der KFV konnte seine Schulden beim Fußballverband nicht mehr begleichen. Es folgten der Ausschluss aus dem Spielbetrieb und der Abriss der sportlichen Heimat. Ein Einschnitt, von dem sich der Verein bis heute erholen muss.
Doch der Reihe nach: Am 14. Juli 2004 wurde ein Insolvenzverwalter für den KFV bestellt. Im Herbst 2004 war der KFV nicht mehr in der Lage, die Verbandsabgaben zu bezahlen und wurde daraufhin vom Badischen Fußballverband vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Der Verein hatte 280.000 Euro Schulden angehäuft!
Durch die Zahlungsunfähigkeit machte die Stadt von Ihrem Erbpachtrecht Gebrauch, womit die Sportanlage zurück an die Stadt Karlsruhe fiel. Mit diesem Schritt konnte ein Deal über die Bühne gehen, der schon geraumer Zeit vorausgeplant wurde. Einige Monate zuvor verschob die Stadt Karlsruhe die Auszahlung der Sportförderung an den KFV vom Februar in den Mai des Jahres, was die Liquiditätskrise des KFV verschärft hatte.
Der Deal: „Es besteht die Möglichkeit, einen Teil des Filetgrundstücks zu vermarkten, die Betonburg von Clubhaus wäre weg“
Die Stadt Karlsruhe plante durch ihren Sportbürgermeister Harald Denecken bereits im April 2004 (der KFV nahm zu diesem Zeitpunkt noch am Spielbetrieb teil) die Verwertung des KFV-Geländes (bereits 2001 bezeichnete Denecken das KFV-Gelände als „Schandfleck“). Konkret machte die Stadt mit dem Mieter- und Bauverein Karlsruhe folgenden Deal: Die Stadt verkaufte das vom KFV frei gewordene Areal für 910.00 EUR und übernahm dafür ca. 3000 m² Rohbauland im Stadtteil Daxlanden für ca. 135.000 EUR. Aus dem damit verbleibenden Erlös von 775.000 EUR ließ die Stadt das KFV-Vereinsheim abreißen (103.000 EUR) sowie den alten Platz umgestalten (335.000 EUR). Die Platzanlage des Nachbarvereins wurde (100.000 EUR) erweitert und umgestaltet. Zwischenzeitlich wurde seitens der Stadt auch die Fusion des KFV mit dem Nachbarverein angedacht, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande kam. Es blieb etwas mehr als 100.000 EUR Gewinn aus dem Geschäft für die Stadt. Ursprünglich sah man auch für den KFV eine „Umgestaltung der Sportanlage“ vor. Letztlich wurde aber das gesamte Areal einem Nachbarverein zugeschlagen. Am 5. April 2005 wurde das Insolvenzverfahren gegen den KFV mangels Masse abgewiesen.


KFV-Notvorstand überschreitet seinen Wirkungskreis
Der KFV wurde durch den eingesetzten Notvorstand, einem inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt, vertreten. Ausweislich des Beschlusses zur Bestellung des Notvorstandes wurde bezüglich seines „Wirkungskreises“ folgendes festgelegt: „Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes wird nicht ausgesprochen. Der Notvorstand hat jedoch in erster Linie die Aufgabe, die nächste Mitgliederversammlung zur Neuwahl des Vorstandes einzuberufen.“ Die „uneingeschränkte Bevollmächtigung“ wird letztlich durch die explizite Betonung der Pflicht zur Einberufung einer Mitgliederversammlung und Neuwahl des Vorstandes präzisiert. Der eingesetzte Rechtsanwalt hat seine Verpflichtung nicht erfüllt, die darin bestand, eine Mitgliederversammlung zur Neuwahl eines Vorstandes einzuberufen. Zum anderen hat er eigenmächtig, ohne die Mitglieder zu befragen oder zu informieren, die Sportanlage des Vereins zur Disposition gestellt und damit seine Bevollmächtigung überschritten.
Verflechtungen zwischen der Stadt Karlsruhe und dem Mieter- und Bauverein
Pikanterweise war der damalige Leiter des Dezernates VI – Sport, Soziales, Ausländerfragen und Wohnungsangelegenheiten – zu jener Zeit auch Mitglied des Vorstandes des Mieter- und Bauvereins Karlsruhe eG (MBV). Der MBV konnte Kenntnis vom möglichen Freiwerden des KFV-Sportgeländes nehmen und erwarb dann tatsächlich später als Investor eines Altenpflegeheims einen Teil des ehemaligen KFV-Geländes.



Gemeinderatssitzungen — Entscheidungen unter falschen Prämissen
Inzwischen wurde spätestens durch Gemeinderatssitzungen im Jahre 2006 publik, dass der Mieter- und Bauverein als Bauherr ein Seniorenheim mit rund 100 Pflegeplätzen auf dem südlichen Teil des Geländes des ehemaligen KFV-Stadions bauen möchte. Das sogenannte „Projekt Seniorenpflegeheim Karlsruher Weg 17“. Bei den betreffenden Abstimmungen im Karlsruher Gemeinderat zu Beschlusssachen, die den Bau des Altenheims betreffen, wurde nun stets – fälschlicherweise – darauf verwiesen, dass der KFV als Verein nicht mehr existiere. „So schwer es auch fällt, […]. Ich weiß, dass vielen im Haus diese Zustimmung schwerfällt. […] Wenn ich mich recht erinnere, war er 1909 Deutscher Meister. Da geht schon ein Stück Tradition verloren“ resümierte Oberbürgermeister Fenrich im Karlsruher Gemeinderat (der sich hier auch noch im Meisterschaftsjahr des KFV irrte). Auch in ihm hatte der KFV nicht gerade einen Sympathisanten auf seiner Seite: Mit Günther Rüssel, der über Jahrzehnte die Führungsperson im KFV war, stand er jahrelang in parteiinternen Streitigkeiten. In einer Sitzung des Karlsruher Gemeinderats ging es am 24. Januar 2006 um den „Vorhabenbezogene[n] Bebauungsplan “Karlsruher Weg 17”, Karlsruhe-Nordweststadt“, also dem Bau des oben erwähnten Altenheims auf einem Teil der alten KFV-Sportanlage. Der Teil der Sportanlage, auf dem das Altenheim gebaut werden sollte, wurde wie oben schon erwähnt, von der Stadt Karlsruhe an den Mieter- und Bauverein für knapp eine Millionen EUR verkauft. In einer Beschlussvorlage (TOP 6) dieser Sitzung heißt es: „Der öffentlichen Auslegung des Projekts wurde in der Sitzung einstimmig zugestimmt“. Am 9.Mai 2006 beschäftigte man sich letztmals im Gemeinderat mit der „Fläche, die der traditionsreiche Karlsruher Fußballverein (KFV) bedauerlicherweise nicht mehr benötigt“.
Der Abriss des Geländes
Nachdem sich die Stadt durch den Planungsausschuss in einer nicht öffentlichen Sitzung am 5. Mai 2004 und einer weiteren am 8. Juli 2004, als auch im Plenum des Gemeinderats (24.01.2006) mit dem Bebauungsplanentwurf befasste und am 24. Januar 2006 die Auslegung des Bebauungsplanentwurfs beschlossen hatte, wurde einer entsprechenden Änderung des Bebauungsplans für das Projekt Karlsruher Weg 17 endgültig am 9. Mai 2006 zugestimmt. Das KFV-Stadion als bauliche Substanz war nun verloren. Mit ihm der südliche Teil des alten KFV-Geländes auf dem das Altenheim erbaut wurde.
Juni 2006 – eine paradoxe Situation: Schwarz-rot-goldene Blumenketten im ganzen Land, die deutsche Nationalmannschaft löst bereits in der Vorrunde während der Weltmeisterschaft im eigenen Land eine bundesweite Party aus. Zur gleichen Zeit wird in Karlsruhe damit begonnen, das älteste Fußballstadion des Landes, das Stadion in dem die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Sieg erringen konnte (1:0 gegen die Schweiz am 4. April 1909), abzureißen.
Stadtrat Cramer appellierte – wie später ersichtlich wurde, vergebens – einige bauliche Elemente des KFV-Geländes zu retten: „Ich habe schon vor Monaten dem Herrn Bürgermeister Denecken geschrieben und um drei Dinge gebeten. Zunächst ging es um die Schrift „KFV” über dem alten Haupteingang“, sowie dem „Mosaik […] im Eingangsbereich“. Außerdem: „Was man da hinsichtlich des Ehrenmals machen kann, dass man nicht sozusagen alles unterpflügt […]. Da möchte ich einfach noch einmal an Sie appellieren.“ Eine Bitte, die letztlich nicht erhört wurde.
Mitgliederverlust – Ein Kahlschlag beim Altmeister
Vereinsintern traten unüberbrückbare Differenzen zutage. Siegfried Schneider, Vereinsvorsitzender von 1992 bis 2000, trat empört zurück und verließ den Verein, als man ihm die finanzielle Misere anlastete. Ludolf Hyll, mehrmaliger Trainer des KFV, lag ohnehin seit den frühen 1990ern in Opposition zur KFV-Vorstandschaft. Die Tennisabteilung des KFV entwickelte sich schon lange mehr und mehr zu einem Verein im Verein und machte sich 2005 mit dem ehemaligen KFV-Vorsitzenden Dr. Wolf‑D. Koller (1984–1986) als Tennisclub West selbstständig. Der Alt-KFV-Vorsitzende (1982–1992) Peter Weingärtner wechselte zum ASV Durlach und wurde dort sportlicher Leiter. Manch einer identifizierte sich wohl so sehr mit dem alten Platz, dass er nicht mehr weiter im KFV bleiben wollte, andere wollten einfach nicht einem Verein angehören, der nochmal von vorne, in der letzten, prestigelosen Liga, beginnen musste. Andere wiederum bürgten vor dem Insolvenzverfahren für den Verein, sahen ihr Geld nie wieder und fühlten sich von anderen Mitgliedern alleine gelassen. Persönliche Verwerfungen, Verbitterungen und Streitigkeiten durchzogen den KFV.
Fast schon symbolisch war der Fall Günter Rüssels: Rüssel (1932–2010), der schon seit 1947 KFV-Mitglied war, saß von 1965 bis 2006 für die CDU im Karlsruher Gemeinderat und war 14 Jahre Partei- und 24 Jahre Fraktionsvorsitzender. Der omnipräsente und polarisierende Rüssel hatte das Karlsruher Stadtgeschehen geprägt und galt neben dem jeweiligen Oberbürgermeister jahrzehntelang lokalpolitisch als einer der mächtigsten Männer der Residenzstadt. Auch beim KFV zog er natürlich im Hintergrund die Fäden, auch wenn er selbst nie Vorsitzender des Vereins war. Durchsetzungsfähig und mit Helmut Kohl per Du, kannte er keine abweichenden Meinungen. 2000 stimmte fast die Hälfte der anwesenden KFV-Mitglieder bei der Jahreshauptversammlung gegen ihn, obwohl es nur um eine Position des Vorstandsbeisitzers ging. 2006 stolperte er schließlich über eine Affäre: Als Aufsichtsratschef der – vor allem im sozialen Wohnungsbau aktiven – Karlsruher Wohnbaugesellschaft „Familienheim” soll er Sitzungsgelder und Spesen nicht korrekt abgerechnet haben. Aufgrund seiner schweren Erkrankung kam es aber nicht zum Prozess. Eine persönliche Abneigung bestand auch zwischen Rüssel, dem „Mr. KFV“, auf der einen und Denecken und Fenrich auf der anderen Seite. Die Fäden zerliefen. Das was übrig blieb, war ein letztes Aufgebot des KFV.




Ein Kultklub im finanziellen Aus — eine historische Einordnung mit Hardy Grüne
Hardy Grüne gehört zu Deutschlands bekanntesten Fußballhistorikern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit deutscher und internationaler Fußballgeschichte. Er ist Herausgeber diverser Bücher (u. a. „Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga“ und „Enzyklopädie der europäischen Fußballvereine“) und sieht Fußballgeschichte weniger als Sportgeschichte, sondern viel mehr als „ziemlich faszinierenden Teil der Sozial- und Kulturgeschichte“. Mit ihm konnte die Redaktion zum KFV (2009) sprechen:
Herr Grüne, Sie haben so ausführlich wie kein anderer Publizist die Frühgeschichte des deutschen Fußballs unter die Lupe genommen. Wobei denken Sie, wenn Sie den Namen „KFV“, bzw. „Karlsruher FV“ hören?
Zunächst an einen der einflussreichsten Vereine in der Frühgeschichte des Fußballs in Deutschland, dann an Spieler wie Hirsch, Breunig, Fuchs und Förderer, die zu den besten Akteuren ihrer Generation gehörten. Damit war der Klub ja so etwas wie der „FC Bayern der Pionierphase“. Dazu dieser phantastische Platz an der Telegrafenkaserne mit der einzigartigen Kulisse. Der KFV war damals ein innovativer und mutiger Fußballverein, was angesichts der vielfältigen Widerstände gegen den Fußball höchst bemerkenswert war. Als Mitglied des Historikerteams von Holstein Kiel denke ich natürlich auch an die beiden Endspiele um die Deutsche Meisterschaft 1910 und 1912, zwei echte Klassiker der deutschen Fußballgeschichte.
Dann ist der KFV einer der wenigen Vereine in Deutschland, der von seiner Gründung an stets denselben Namen getragen hat, und auch das Wappen hat sich ja kaum verändert. Das ist eine erstaunliche Kontinuität. Ich habe mich sehr über die erfolgreiche Wiederbelebung des Klubs nach dem Aus 2004 gefreut und finde es vorbildlich, wie der Verein heute offensiv mit seiner reichen Fußballvergangenheit umgeht und gleichzeitig in der Gegenwart steht.
Das erste Meisterschaftsjahr 1903. Die KFV-Spieler hatten sich kurz vor der Abfahrt nach Leipzig zum Meisterschaftshalbfinale gegen Prag in der Junggesellenbude ihres Kapitäns Hans Ruzek versammelt, um gemeinsam das Ticket für die Holzklasse der Eisenbahn zu lösen, da flatterte ein Telegramm ins Haus: “Meisterschaftsspiel verlegt. DFB”. Die Akteure zweifelten nicht an der Echtheit der Depesche — schon zweimal war das Spiel wegen organisatorischer Probleme verlegt worden. Erst am nächsten Morgen flog der Schwindel auf. Der DFB erklärte den DFC zum Sieger. Denn “das Telegramm hätte Bedenken auslösen und zu einer fernmündlichen Rückfrage anregen müssen.”
Bekannt wurde diese Anekdote als die „Telegrammaffäre“, die den KFV um seine vielleicht erste Meisterschaft brachte. Wievielte „Welten“ liegen zwischen dem Chaos von 1903 und dem professionellen Fußball 2013?
So viele Welten gibt es gar nicht – das sind eher mehrere Sonnensysteme. Allerdings sprechen wir auch über zwei Extreme. 1903 war die Organisation wirklich eine Katastrophe, befand sich der DFB ja noch im Aufbau. Heute ist alles bis ins kleinste geregelt, doch ob das so schön ist, sei dahingestellt. Für mich hat der Fußball seine Leichtigkeit längst verloren, ist vor allem der Spitzenfußball Gesetzen unterworfen, die ihn grundlegend verändert haben. In meinen Augen nicht zum Vorteil. So etwas wie die Telegrammaffäre von 1903 ist heute völlig unvorstellbar, nicht zuletzt, weil so viele verschiedene wirtschaftliche Einflüsse zu spüren und zu vertreten sind.
In Ihrem Buch „Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs — Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga“ schreiben Sie noch vom „Landesligisten“ KFV. Einige Zeit später war der KFV nicht nur kein Landesligist mehr, sondern musste aufgrund der Insolvenz gar längere Zeit pausieren um danach ohne eigenen Platz, mit einer Hand voll Vereinsmitglieder in der letzten Liga zu beginnen. Hat der KFV inzwischen das Gröbste überwunden?
Das kann ich aus der Ferne schwer beurteilen. Ich find es sehr begrüßenswert, dass der Klub seine Krise überwunden hat und wieder im Spielbetrieb ist. Der Klub hat zwar die große Tradition, die man selbstbewusst tragen kann und sollte, doch die alltägliche Arbeit findet in der Gegenwart statt und da hilft einen der Ruhm von einst nicht allzu viel. Immerhin dürfte der Mythos KFV aber ein Reiz sein, für diesen Verein zu spielen. Soweit ich es beurteilen kann, ist der Klub auf einem ausgezeichneten Weg.
VfB Leipzig, Alemannia Aachen, Rot-Weiß Essen, SSV Reutlingen, SSV Ulm, SpVgg Weiden, Eintracht Bamberg, Bonner SC, FCR Duisburg, SW Essen, KFC Uerdingen, VfR Neumünster, SV Babelsberg 03, BFC Dynamo, Eisenhüttenstädter FC Stahl, FC Remscheid, FC Gütersloh, TeBe und Blau-Weiss 90 Berlin, Lüneburger SK, Dresdner SC, SV Dessau 05…
Größere und kleinere Traditionsvereine die schon (mindestens eine) Insolvenz hinter sich haben. Was machen so viele Vereine falsch? Oder sind es einfach „natürliche“ strukturelle Umbrüche?
Einen Verein haben Sie vergessen: Göttingen 05, mein eigener Klub, der 2003 wegen Insolvenz aufgelöst wurde. Ich weiß also Bescheid. Außerdem führe ich seit einigen Jahren einen „Insolvenzticker“ im Rahmen meines Blogs http://fussballglobus.blogspot.de/, in dem ich über wirtschaftliche Probleme der Klubs zwischen der 3. Und der 6. Liga berichtet. Und jede Saison habe ich mehr zu tun, melden mehr Vereine existenzielle Probleme.
Die Gründe? Vielfältig. Als ich 05-Fan wurde, spielte der Klub noch in der 2. Bundesliga-Nord. 2004 war ich dann beim Neustart in der 8. Liga dabei. Heute spielen wir wieder 5. Liga, kämpfen aber jedes Jahr ums Überleben. Einen Etat von 120.000 Euro zu stemmen ist in einer von Bildung geprägten Stadt wie Göttingen enorm schwer. Fußball ist da einfach zu teuer geworden, und die Sponsorenlandschaft hat sich ja gewaltig verschoben. Die großen Geldgeber gehen nur noch zu den führenden Bundesligisten. Der Mittelstand hat genug zu kämpfen, und die öffentliche Hand ist ja häufig selber pleite. Das merkt man häufig an der Stadionfrage – Remscheid-Lennep wird grad abgerissen, und der FC Remscheid hat kein Zuhause mehr.
Es werden aber auch bei den Vereinen zu viele Fehler gemacht. Unbedingt aufsteigen zu wollen und dafür finanziell große Risiken einzugehen ist halt immer noch eine übliche Vorgehensweise. Und häufig ist das ja auch verbunden mit Einzelsponsoren. Wir würden in Göttingen auch gerne wieder Regionalliga spielen. Dazu braucht es aber 300.–400.000 Euro, und die könnten nur von einem Außenstehenden kommen. In Goslar, nicht weit entfernt von Göttingen, gibt es einen Verein, der jahrzehntelang auf Bezirksebene spielte und seit einigen Jahren Viertligist ist. Ein einziger Geldgeber macht es möglich. Doch wenn der geht, spielte Goslar wieder auf Bezirksebene – wenn der Klub Glück hat und das Abenteuer überhaupt überlebt. Da ist viel von dem verloren gegangen, was einen Fußballverein mal in seiner ganzen Breite und Tiefe ausgemacht hat.
Was sind Ihre persönliche Eindrücke und Erlebnisse die Sie im Rahmen von Recherchen zum Karlsruher FV gemacht haben?
Als ich vor Jahrzehnten das erste Mal bei dem Klub war, existierte der schöne Platz an der Telegrafenkaserne noch. Alles war zwar etwas überwuchert, aber die Historie war überall greifbar. Das ist so ein unglaublich historisch besetzter Ort gewesen. Ich war damals dabei, die „Urplätze“ der Fußballfrühgeschichte aufzusuchen, und nirgendwo war die Geschichte derart präsent und greifbar wie beim KFV. Zudem war ich seinerzeit mit Ludwig Hyll im Kontakt, und das mich dem KFV noch näher gebracht.
In jüngster Zeit gibt es immer mehr Veröffentlichungen, Kinofilme („Der ganz große Traum“), Webshops, Archivwebseiten und Initiativen die die Frühgeschichte des (deutschen) Fußballs wieder in das öffentliche Bewusstsein rücken.
Ist das Ihrer Meinung nur ein Modetrend, eine Marktnische für Verlage und Antiquare oder tatsächlich ein gestiegenes Interesse und ein „Wiederentdecken“ der frühen Fußballvergangenheit?
Es ist ja eine regelrechte Inflation. Als ich Anfang der 1990er Jahre begann, über Fußball und Fußballgeschichte zu publizieren gab es quasi kein Material. Und es gab einen enormen Nachholbedarf. Heute hat sich das aus meiner Sicht geteilt. Ich kenne viele sehr liebevolle Projekte, die sich mit regionalen Aspekten der Fußballgeschichte beschäftigen, was ich großartig finde. Man muss die Geschichte des Fußball kleinräumig erforschen, um sie großräumig erfassen zu können. Skeptischer sehe ich Filmprojekte, bei denen die Fußballgeschichte nur als grober roter Faden nebenherläuft und eigentlich eine ganze andere Geschichte erzählt wird, die nicht selten kommerziellen Hintergrund hat. Aber das zeigt auch nur, wie sehr der Fußball und seine Geschichte in der Gesellschaft angekommen sind. Aus Verlagssicht muss ich sagen, das Fußballgeschichte tatsächlich häufig eher „Nische“ ist, die aber gerne besetzt wird, weil ihre Wichtigkeit gesehen wird. Das große Geld lässt sich mit Fußballgeschichte aber nicht machen.
Fritz Förderer, Gottfried Fuchs und Julius Hirsch, Ernst Hollstein, Max Breunig, Bekir Refet, William Townley, Walther Bensemann, Ivo Schricker . die Liste der KFV-Persönlichkeiten ist sehr lange. Welche davon hat Sie am meisten beeindruckt?
Das ist sicher zunächst das Schicksal von Julius Hirsch, das ja heute erfreulicherweise gut dokumentiert ist und selbst vom DFB gewürdigt wird. Als ich seine Geschichte vor vielen Jahren das erste Mal hörte, war ich fassungslos, wie der deutsche Fußball während des Dritten Reiches aber vor allem auch danach mit einem derart verdienten Spieler umgegangen ist.
Fasziniert war ich immer von William Townley, der für mich eine der entscheidenden Personen ist, dass sich Deutschlands Fußball seinerzeit wirklich entwickeln konnte. Ivo Schricker mit seinen Einflüssen bei der FIFA, Max Breunig als Trainer bei München 1860 und Bauherr der goldenen Löwen-Elf von 1931 haben ebenfalls großen Eindruck bei mir hinterlassen.