Legen­den zwi­schen und wäh­rend den Krie­gen 1919–1945

Auch nach der erfolg­rei­chen Meis­ter­schaft im Jahr 1910 war es mit dem erfolg­rei­chen Fuß­ball beim KFV noch lan­ge nicht vor­bei. Gera­de­zu spek­ta­ku­lär mutet das “Spie­ler­ma­te­ri­al” an, das auch nach dem 1. Welt­krieg den Weg zum Alt­meis­ter fand. Auf die­ser Sei­te haben wir ihre Por­traits durchleuchtet. 

Über­sicht

Deut­sche Nationalspieler

Lorenz „Lora“ Huber (1906–1989), Deut­scher Nationalspieler

Lud­wig Dammin­ger (1912–1981), Deut­scher Nationalspieler

Franz Immig (1918–1955), Deut­scher Nationalspieler

Emil „Mile“ Kut­te­rer (1898–1974), Deut­scher Nationalspieler

Ernst „Wil­li“ Wil­li­mow­ski (1916–1997), Deut­scher und pol­ni­scher Nationalspieler

Natio­nal­spie­ler ande­rer Nationalmannschaften

Rafet Bekir „Bom­bacı“ (1899–1977), Tür­ki­scher Nationalspieler

Fritz „Fré­dé­ric“ Kel­ler (1913–1985), Fran­zö­si­scher Natio­nal­spie­ler, WM-Teil­neh­mer 1938

Aldo Poret­ti (1906-?), Schwei­zer Nationalspieler

Wei­te­re Spie­ler des KFV:

Fritz „Spit­zer“ Mül­ler (1910–1984), Deut­scher B‑Nationalspieler

Takis Xan­tho­pou­los (?-?), Grie­chi­scher Torwart

Karl Zieg­ler (1919–2019), Bun­des­rad­trai­ner, Ent­de­cker von Rudi Altig 

Trai­ner-Por­traits:

James “Jim­my” Law­rence, frü­he­rer Rekord­spie­ler von New­cast­le United

Jack Bur­ton, aus England

Ralph Hym­men

Lud­wig Tretter

Rudolf Jans­sen


 


Fritz Mül­ler „Mül­ler-Spit­zer“ –  Enfant ter­ri­ble, Exzen­tri­ker, Fußballtalent

16. Juli 1910 in Karls­ru­he – 3. Juli 1984 in Karlsruhe

Aus der Jugend des VfB Karls­ru­he kam Mül­ler 1931 zum KFV, wo er sei­ne Feu­er­tau­fe in der ers­ten Mann­schaft in der Sai­son 1931/32 mit Bra­vour bestand: Am 13. Sep­tem­ber 1931 schoss er beim 3:0‑Sieg gegen den SC Frei­burg im ers­ten Spiel auch gleich sein ers­tes Tor. Schon sehr früh schwärm­te der KFV-Trai­ner Law­rence vom jun­gen Stür­mer­ta­lent (Der Kicker, N. 31, 28.07.1931). Mül­ler – weit­hin bekannt als „Mül­ler-Spit­zer“ – spiel­te fort­an für den nach Frank­reich abge­wan­der­ten Fritz Kel­ler auf der Posi­ti­on des Mit­tel­stür­mers. Mül­lers Vater war bei der Kri­mi­nal­po­li­zei beschäf­tigt, wäh­rend Mül­ler Juni­or als Kraft­fah­rer bei der Stadt Karls­ru­he arbei­te­te. Zu Beginn der 1930er Jah­re galt Mül­ler als einer der begab­tes­ten Fuß­ball­ta­len­te des Lan­des. Bereits 1932 lief er für die Süd­deut­sche Aus­wahl auf, mit der er der Schweiz B ein 0:0 abrang. Im Febru­ar 1933 erziel­te er in Mar­seil­le für die Süd­deut­sche Aus­wahl­mann­schaft beim 4:3 ein Tor gegen die Aus­wahl von Süd­ost­frank­reich („Der raf­fi­nier­tes­te aber von allen Stür­mern war Mül­ler. Er war Drib­bel­kö­nig die­ser süd­deut­schen Mann­schaft. Und er beherrscht die­se Kunst so voll­stän­dig, dass er es fer­tig brach­te, von der Mit­tel­li­nie aus durch die fran­zö­so­sche Hal­ves­rei­he durch­zu­bre­chen, die fran­zö­si­schen Backs zu düpie­ren und dann mit einem Bom­ben­schuß den drit­ten Tref­fer zu mar­kie­ren“; ASZ, Nr. 14, 15.02.1933). Sei­ne Dribb­lings wie auch sei­ne Spiel­wei­se wur­den von den Zeit­ge­nos­sen bestaunt: „Sei­nen rechts wie links abge­feu­er­ten glas­har­ten Schüs­sen stell­te sich kein Tor­wart ger­ne ent­ge­gen […] Wenn er gut auf­ge­legt war, spiel­te er alles in Grund und Boden“. 1933 folg­te der nächs­te, kon­se­quen­te Kar­rie­re­schritt: Mül­ler wur­de von Reichs­trai­ner Dr. Otto Nerz zu Test­spie­len der Natio­nal­mann­schaft ein­ge­la­den. In Vor­be­rei­tung auf ein Län­der­spiel in Ber­lin gegen Frank­reich wur­de er in einer „mut­maß­li­chen“ deut­schen Natio­nal­mann­schaft gegen die Frank­fur­ter Stadt­aus­wahl getes­tet. Das Spiel ende­te mit einen ent­täu­schen­den  3:3. Zwar zeig­te „Mül­ler [..] eine ganz außer­or­dent­lich gute Leis­tung“, für den Reichs­trai­ner ergab sich jedoch zunächst „kein kla­res Bild des Stur­mes“. Nerz ließ daher zunächst nicht durch­bli­cken, in wel­cher Auf­stel­lung er die fran­zö­si­sche Elf in Ber­lin emp­fan­gen wol­le („Zur Stun­de kann ich noch nichts sagen. Am Sonn­tag abend wird in Ber­lin die Ent­schei­dung gefällt wer­den“). Letzt­lich stand Mül­lers Name nicht auf dem Zet­tel des Reichs­trai­ners. Das Spiel gegen die Fran­zo­sen ende­te mit 3:3. 

Eine Anoma­lie der Natur ver­lieh Mül­ler eine beson­de­re Gabe: Mül­lers „hoher Rei­hen“, d. h. sein hoher Fußwurzelknochen/Spann, begüns­tig­te sei­ne Schuss­stär­ke (die Karls­ru­her Zeit­ge­nos­sen nann­ten es „Sau­schuss“). Im Spiel gegen Fürth (3:0) schoss er so „scharf auf das Tor von Fürth, daß der eisen­har­te Ver­tei­di­ger Hagen, der durch eine Kopf­ab­wehr ein siche­res Tor ver­hin­der­te, bewußt­los zu Boden fiel und minu­ten­lang hin­ter dem Tor behan­delt wer­den muß­te“. Das Talent, den Ball zwi­schen Abwehr­spie­lern und Kee­per hin­durch ins Tor zu „spit­zeln“, trug ihm den Namen „Spit­zer“ sein.
Obwohl er nur eini­ge Jah­re als Fuß­bal­ler in Karls­ru­he aktiv war, gelang er durch sein auf­brau­sen­des Tem­pe­ra­ment und sei­ner exzen­tri­schen Per­sön­lich­keit zu gro­ßer Popu­la­ri­tät. Sei­nen Ein­satz in der Natio­nal­mann­schaft ver­bau­te er sich aller­dings schnell durch Ver­nach­läs­si­gung der sport­li­chen Dis­zi­plin. Oft ent­schied er – im posi­ti­ven als auch nega­ti­vem Sin­ne – ein Spiel allei­ne: In einem denk­wür­di­gen Spiel zog Mül­ler die Hosen her­un­ter und prä­sen­tier­te einem Gegen­spie­ler den Aller­wer­tes­ten, um zu zei­gen, wie viel oder wenig er von einem vor­an­ge­gan­gen Kom­men­tar des Kon­tra­hen­ten hielt. Die glei­che Eska­pa­de soll er sich bei Reichs­trai­ner Otto Nerz geleis­tet haben. Wegen einer Tät­lich­keit und einer Schieds­rich­ter­be­lei­di­gung wur­de er im Spiel gegen den VfB Stutt­gart vom Platz gestellt und für vier Mona­te gesperrt. Ein her­ber Rück­schlag für den KFV! Im Jah­re 1933/34 wur­de er wegen fort­ge­setz­ter Unsport­lich­kei­ten und gro­ber Ver­stö­ße gegen die Ver­eins­dis­zi­plin vom KFV frei­ge­stellt und vom süd­deut­schen Fuß­ball­ver­band für ein Jahr gesperrt. Im Janu­ar 1934 bestritt er beim 1:2 gegen den SV Wald­hof sein letz­tes Spiel für den KFV und schloss sich nach sei­ner Sper­re dem inzwi­schen zum VfB 05 Mühl­burg fusio­nier­ten Jugend­ver­ein an, wo er den Klas­sen­er­halt mit den Mühl­bur­gern in der Gau­li­ga Baden errei­chen konn­te. Doch auch in Mühl­burg hat­te sich Mül­ler nicht im Griff: In einem Spiel in Viern­heim wur­de er gegen den Schieds­rich­ter tät­lich und dar­auf­hin „für dau­ernd“ aus dem DFB ausgeschlossen.

Abbil­dun­gen: Ziga­ret­ten-Sam­mel­bild (links) und Ehren­ur­kun­de aus Pla­nitz (rechts). Quel­le: KFV-Archiv / Die­ter Völkel.

Um 1936 zog Mül­ler nach Sach­sen, wo er nach Aus­bruch des 2. Welt­kriegs in Chem­nitz dienst­ver­pflich­tet wur­de und schloss sich dem Pla­nit­zer SC (spä­ter FSV Zwi­ckau) an. Dort spiel­te „Spit­zer“ in der erst­klas­si­gen Gau­li­ga Sach­sen. Regel­mä­ßig gehör­te er dort zu den bes­ten Sai­son­tor­schüt­zen. Höhe­punk­te sei­ner Fuß­bal­ler­lauf­bahn in Pla­nitz waren die Errin­gung der Sach­sen­meis­ter­schaft 1941/42 sowie die dar­auf­fol­gen­den Spie­le um die Deut­sche Fuß­ball­meis­ter­schaft. In allen drei Spie­len der Meis­ter­schafts­end­run­de stand er für die Sach­sen auf dem Platz. Im Ach­tel­fi­na­le gegen die Sport-Ver­ei­ni­gung Bres­lau 02 gelang ihm in der Ver­län­ge­rung der ent­schei­den­de Tref­fer zum 2:1 für die Pla­nit­zer. Im Vier­tel­fi­na­le schei­ter­ten die Sach­sen an Vien­na Wien (2:3). Bemer­kens­wert: Im Freund­schafts­spiel gegen den VfL Reins­dorf (17. Sep­tem­ber 1939 — End­stand 11:0 für den PSC) gelang ihm das Kunst­stück acht(!) Tore zu erzie­len. Ein­sät­ze in der Gau-Aus­wahl von Sach­sen – oft an der Sei­te sei­ner Ver­eins­ka­me­ra­den Heinz Croy, Her­bert Selt­mann, Hel­mut Schu­bert und Her­bert Weigel – ver­süß­ten sei­nen zwei­ten Kar­rie­re­ab­schnitt. Nach sei­ner Ver­le­gung 1942 nach Des­sau trat er dem Bereichs­meis­ter Des­sau 05 als Gast­spie­ler bei. In den Kriegs­wir­ren geriet er in bri­ti­sche Gefan­gen­schaft und lan­de­te in einem kana­di­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger. Nach Kriegs­en­de blieb er zunächst in Pla­nitz und war Spie­ler­trai­ner bei der „Sport­grup­pe“ Pla­nitz, dem Nach­fol­ger des Pla­nit­zer Sport­clubs in der dama­li­gen Ost­zo­ne. 
In der Sai­son 1947/48 errang er mit der SG Pla­nitz die ers­te Ost­zo­nen­meis­ter­schaft. Das schon ange­setz­te Spiel gegen den 1. FC Nürn­berg um die gesamt­deut­sche Fuß­ball­meis­ter­schaft in Stutt­gart wur­de auf­grund der fort­ge­schrit­te­nen poli­ti­schen Spal­tung Deutsch­lands nicht mehr aus­ge­tra­gen. Ab 1949 nann­te sich sein Ver­ein nun „Zen­tra­le Betriebs­sport­ge­mein­schaft „Horch“ Zwi­ckau (ZBSG)“. Vom 28. Novem­ber bis zum 16. Dezem­ber 1949 absol­vier­te Fritz Mül­ler den ers­ten durch­ge­führ­ten Trai­ner-Lehr­gang der noch jun­gen DDR. Dort wur­de unter ande­rem auch ein Übungs­spiel der Trai­ner-Aus­wahl gegen eine Bezirks-Aus­wahl Leip­zig durch­ge­führt (3:1): Mit „Spit­zer“ im Team: Die spä­ter bekann­ten DDR-Trai­ner-Grö­ßen Erich Die­tel, Fritz Gödi­cke, Kurt Fritz­sche sowie der spä­te­re Bun­des­trai­ner Hel­mut Schön. Auch als 1950 aus „Horch“ die BSG „Motor“ Zwi­ckau wur­de, war der nun­mehr vier­zig­jäh­ri­ge „Spit­zer“ Mül­ler immer noch dabei. Als im Dezem­ber 1950 acht(!) Zwi­ckau­er Stamm­spie­ler wegen „Ver­feh­lung gegen die demo­kra­ti­sche Sport­be­we­gung“ uner­war­tet gesperrt wur­den, sprang der unver­wüst­li­che „Spit­zer“ in die Bre­sche und schoss u.a. beim 8:1‑Sieg über Bries­ke-Ost auch noch zwei Tore. In der Sai­son 1950/51 absol­vier­te Mül­ler noch fünf DDR-Ober­li­ga-Punkt­spie­le (2 Tore), bevor der 41-Jäh­ri­ge sei­ne Kick­schu­he end­gül­tig an den Nagel hing. Nach sei­ner akti­ven Spiel­zeit über­nahm Mül­ler den Trai­ner­pos­ten bei Empor Lau­ter und führ­te die Mann­schaft 1951/52 zusam­men mit Wal­ter Gro­sam sen­sa­tio­nell in die DDR-Ober­li­ga. Die aus der BSG Kom­pres­sor Zwi­ckau her­vor­ge­gan­ge­ne BSG Motor Süd Zwi­ckau war 1953 sei­ne dar­auf fol­gen­de Trai­ner­sta­ti­on. Von April 1955 bis August 1956 trai­nier­te er die DDR-Liga­mann­schaft von Fort­schritt Meera­ne (Meera­ne liegt im Land­kreis Zwi­ckau). Zurück in Karls­ru­he enga­gier­te sich der unver­hei­ra­te­te und kin­der­lo­se Mül­ler nicht mehr im Fuß­ball­ge­schäft. Als 2. Tenor des Män­ner­chor Karls­ru­he-West ver­brach­te er einen ruhi­gen Lebens­abend. Im Jahr 1984 ist Fritz „Spit­zer“ Mül­ler in Karls­ru­he verstorben.

Abbil­dung: Kel­ler im KFV-Tri­kot. Quel­le: KFV.


 

Rafet Bekir – Tür­ki­scher Bom­ber beim KFV

22. Mai 1899 in Konstantinopel/ Istan­bul – 5. April 1977 in Karlsruhe

Am 4. Sep­tem­ber 1921 hat­ten Emil und Seppl Ober­le, Spie­ler des FC Phö­nix Karls­ru­he, die in Kon­stan­ti­no­pel auf­ge­wach­sen waren, ein Freund­schafts­spiel ihres Teams gegen Gala­ta­sa­ray Istan­bul (damals noch „Gala­ta-Serai Kon­stan­ti­no­pel“) im Karls­ru­her Fasa­nen­gar­ten orga­ni­siert. Phö­nix Karls­ru­he gewann zwar mit 1:0, doch der nur 1,60 Meter gro­ße Rafet Bekir der tür­ki­schen Mann­schaft stahl mit sei­ner „kat­zen­ar­ti­gen Geschmei­dig­keit“ und einem per­fek­ten Sal­to mit gleich­zei­ti­gen, beid­bei­ni­gen Wei­ter­lei­ten des Bal­les den Karls­ru­hern die Show. Rafet wur­de zuvor von Gala­ta­sa­ry eigens für die Aus­lands­tour­nee, die von Genf, Lau­sanne über Karls­ru­he, Frank­furt und Nord­deutsch­land führ­te, vom Lokal­ri­va­len Bes­ik­tas aus­ge­lie­hen. Als sich Bekir beim dar­auf fol­gen­den Spiel gegen den HSV ver­letz­te, wur­den die Ober­le-Brü­der aktiv: Die bei­den Phö­nix-Spie­ler, die der tür­ki­schen Spra­che noch mäch­tig waren, besuch­ten den Tür­ken im Ham­bur­ger Kran­ken­haus und über­zeug­ten ihn, nach Karls­ru­he zu zie­hen und für Phö­nix auf­zu­lau­fen. Bekir ließ sich auf das Aben­teu­er ein, zog nach Nord­ba­den, schrieb sich an der Uni­ver­si­tät ein und avan­cier­te schnell zum Star der Schwarz-Blau­en. Noch Jahr­zehn­te spä­ter schwärmt die KSC-Chro­nik von ihm: „Wie wun­der­bar sah das doch aus, wenn er als klei­ner Spie­ler, der er war, vor dem Tor oft so hoch sprang, daß sein Kopf über der Tor­lat­te auf­tauch­te, oder wenn er mit dem rech­ten oder lin­ken Fuß auch aus größ­ter Ent­fer­nung so unheim­lich scharf schoß, daß der geg­ne­ri­sche Tor­wäch­ter über­haupt nicht reagier­te“. Nach zwei Jah­ren wech­sel­te Bekir nach Pforzheim.

Abbil­dung: Bekir Rafet im KFV-Tri­kot. Quel­le: KFV-Archiv.

1926 zog es ihn schließ­lich zum KFV, wo er mit elf Jah­ren Spiel­zeit die längs­te Sta­ti­on sei­ner Kar­rie­re ein­le­gen soll­te. Für den KFV erwies sich Bekir als abso­lu­ter Glücks­griff: Der Innen­stür­mer ver­füg­te über Spiel­ver­ständ­nis, Über­sicht und Sprung­kraft. 1930 ließ er sich im Spiel gegen sei­nen Ex-Ver­ein, dem Lokal­ri­va­len FC Phö­nix, zu einem rüden Foul gegen den Tor­wart hin­rei­ßen, für das er 13 Wochen gesperrt, schließ­lich aber vor­zei­tig begna­digt wur­de („Der rit­ter­lichs­te und fairs­te Spie­ler der KFV-Mann­schaft hat­te bei einem Zusam­men­stoß mit dem Phö­nix­tor­wart ‚schlag­fer­ti­ge‘ Selbst­jus­tiz geübt oder aus­zu­üben ver­sucht. Bei­des gilt als Tät­lich­keit. Platz­ver­weis war also der Para­gra­phen­weis­heit letz­ter Schluß“, Badi­sche Pres­se). Ein Trai­ner­en­ga­ge­ment des Tür­ken beim VfR Brett­en schei­ter­te 1931, an der zu hohen Ver­gü­tung von 200 Mark pro Monat, die Bekir für sich vor­sah.
In Istan­bul hat­te der jun­ge Bekir von Eng­län­dern das Fuß­ball­spiel gelernt. Mit 19 Jah­ren bestritt er bereits sein ers­tes von ins­ge­samt drei Län­der­spie­len für die Tür­kei. Sowohl 1924 in Paris als auch 1928 in Ams­ter­dam nahm er an den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len teil. Auch für die badi­sche Ver­bands­mann­schaft lief Bekir auf. In sei­ner tür­ki­schen Hei­mat blieb er unver­ges­sen. Am Bos­po­rus wur­de er lie­be­voll „Bom­bacı“ (tür­kisch für „Bom­ber“) genannt. Für eini­ge Gast­auf­trit­te kehr­te er gele­gent­lich nach Istan­bul zurück. Sein letz­tes Pflicht­spiel für den KFV bestritt er als 38-jäh­ri­ger beim VfL Neckar­au im April 1937 in der Gau­li­ga Baden.

Nach sei­ner akti­ven Kar­rie­re führ­te Bekir jeweils einen Kiosk an der Ecke Karlsstraße/Kaiserstraße sowie an der Schüt­zen­stra­ße und leb­te mit sei­ner Frau Else (seit 1979 eben­so KFV-Mit­glied) in Ett­lin­gen. Mit 78 Jah­ren ver­starb der gro­ße Bom­ba­ci an Herz­schwä­che in Karls­ru­he und wur­de nach isla­mi­scher Tra­di­ti­on begra­ben zu der eigens der tür­ki­sche Gene­ral­kon­sul anreis­te. „Ich bin als Tür­ke gebo­ren und möch­te auch als Tür­ke ster­ben“, so Bekir, in einem Zei­tungs­in­ter­view kurz vor sei­nem Tod.

Ver­eins­sta­tio­nen: 
Fener­bah­çe Istan­bul 1913–1916                    Altı­nordu İdm­an Yur­du 1916–1918
İtt­ihatsp­or 1919–1920                                     Gala­ta­sa­ray Istan­bul 1921
FC Phö­nix Karls­ru­he 1921–1923                   1. FC Pforz­heim 1923–1926
Karls­ru­her FV 1926–1937

Abbil­dung: Zei­tungs­ar­ti­kel, Quel­le: KFV.

Link (tür­kisch): http://www.mujdatyetkiner.com/bekirrafet.htm

Link: Zei­tungs­ar­ti­kel (1960er Jah­re) über Bekir (pdf-Datei)

Abbil­dun­gen: Mann­schaft von Fener­bah­çe Istan­bul in den 1920er Jah­ren mit Rafet Bekir. Rechts: Sam­mel­bild. Quel­le:  Fener­bah­çe (links) / KFV (rechts)

Abbil­dung: Bekir (vor­de­re Rei­he in der Mit­te) mit der tür­ki­schen Natio­nal­mann­schaft bei den Olym­pi­schen Spie­len 1928. Quel­le: Wikipedia.


 

Lorenz „Lora“ Huber – Ers­ter DFB-Natio­nal­spie­ler nach dem 1. Weltkrieg

24. Febru­ar 1906 in Offen­burg — 6. Okto­ber 1989 in Karlsruhe

Der ath­le­ti­sche und kopf­ball­star­ke Ver­tei­di­ger war der ers­te KFV-Natio­nal­spie­ler nach der gol­de­nen Gene­ra­ti­on um Hirsch, Fuchs, Breu­nig und För­de­rer. Als Eck­pfei­ler einer neu­en KFV-Spie­ler­ge­nera­ti­on ließ er Publi­kum und Fans ab den 1920er Jah­ren auf erneu­te natio­na­le Erfol­ge hof­fen. Sei­ne Kar­rie­re star­te­te er beim Offen­bur­ger FV, mit dem er 1925 die Kreis­li­ga­meis­ter­schaft in Süd­ba­den gewann. Wäh­rend der dar­auf­fol­gen­den Auf­stiegs­spie­le für die Bezirks­li­ga Württemberg/Baden wech­sel­te Huber von Offen­burg zum direk­ten Mit­kon­kur­ren­ten KFV, was die Offen­bur­ger dem 19-jäh­ri­gen Defen­siv­mann durch­aus Übel nah­men. Wäh­rend die Karls­ru­her sou­ve­rän den 1. Platz der Auf­stiegs­run­de hol­ten, lan­de­ten die Offen­bur­ger abge­schla­gen auf dem 6. und damit letz­ten Platz der Auf­stiegs­run­de. Huber war bereits Ender der 1920er Jah­re ein Anwär­ter für die deut­sche Natio­nal­mann­schaft, eine Menis­kus­ver­let­zung warf ihn aber weit zurück. 1927 wur­de Huber schließ­lich von Reichs­trai­ner Nerz in den Olym­pia-Kader beru­fen, blieb aber ohne Ein­satz. Erst 1932 kam er gegen Ungarn (1:2) end­lich zu sei­nem (ein­zi­gen) Län­der­spiel „Der Karls­ru­her Huber über­rasch­te nach der guten Sei­te, obgleich er nicht ganz feh­ler­los war und vor allen Din­gen den Sie­ges­tref­fer der Ungarn auf dem Gewis­sen hat­te. Aller­dings hat­te er inso­fern dop­pelt schwer zu arbei­ten, da der vor ihm spie­len­de Janes in der ers­ten Halb­zeit so gut wie gar nicht im Bil­de war und Huber zwang, dop­pelt zu arbei­ten“; ASZ, Nr. 89, 1932). Nach dem Glanz­jahr 1932 konn­te Huber – oft­mals ver­let­zungs­be­dingt – nicht mehr an sei­ne bes­ten Leis­tun­gen anknüp­fen. Nach einer 1:6‑Niederlage gegen Neckar­au lan­de­te er 1934 sogar auf der KFV-Ersatz­bank. Nach­dem Huber kurz­zei­tig Opfer eines Expe­ri­ments des KFV-Trai­ners Eugen Link wur­de, der ihn als Mit­tel­stür­mer auf­lau­fen ließ, spiel­te Lora ab 1936 wie­der kon­stant in der Abwehr­rei­he des KFV.

Der gelern­te Kauf­mann ver­schaff­te wäh­rend des Drit­ten Reichs dem jüdi­schen Alt­na­tio­nal­spie­ler Hirsch Zutritt ins KFV-Sta­di­on und ver­sorg­te auch die Fami­lie Hirsch mit Lebens­mit­teln aus sei­nem Karls­ru­her Geschäft. Nach sei­ner Kar­rie­re blieb er dem KFV treu und war feder­füh­rend im Spiel­aus­schuss der Schwarz-Roten aktiv. Vom KFV wur­de er zum Ehren­mit­glied und Ehren­spiel­füh­rer ernannt. Der zwei­fa­che Fami­li­en­va­ter – sei­ne bei­den Söh­ne Nor­bert und Jür­gen sind bereits eben­falls ver­stor­ben – fokus­sier­te sich nach dem 2. Welt­krieg auf die Füh­rung sei­nes Lebensmittelgeschäfts.

Abbil­dun­gen: Ziga­ret­ten­sam­mel­bild und Auto­gramm­kar­te von „Lora“ Huber. Quel­le: KFV-Archiv.

Abbil­dung: Auto­gramm­kar­te von „Lora“ Huber. Quel­le: KFV-Archiv.

Abbil­dung: Huber (in der Mit­te) im Tri­kot der deut­schen Natio­nal­mann­schaft. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.

Abbil­dung: Ziga­ret­ten­sam­mel­bild von „Lora“ Huber. Quel­le: KFV-Archiv.


 

Lud­wig Dammin­ger – Nur ein Welt­krieg konn­te ihn stoppen

29. Okto­ber 1912 in Wörth am Rhein — 4. Febru­ar 1981 in Kandel

Sei­ne fuß­bal­le­ri­sche Lauf­bahn begann Dammin­ger in sei­nem Hei­mat­ort bei Bava­ria Wörth, wo er bereits mit 17 Jah­ren für die ers­te Mann­schaft auf­lief. In sei­nem Klas­sen­leh­rer, dem Schul­rek­tor Karl Sei­bel, der gleich­zei­tig Ver­eins­vor­sit­zen­der des Wör­ther Fuß­ball­ver­eins war, fand er einen frü­hen För­de­rer und Men­tor. Schon bald führ­te Dammin­ger, der mit drei Brü­dern und einer Schwes­ter auf­wuchs, die Tor­schüt­zen­lis­ten der Süd­pfalz an. Im Okto­ber 1934 wag­te er den Schritt über den Rhein und gab er sein Debüt in der ers­ten Elf des KFV beim 2:0‑Sieg über den VfR Mann­heim. Fort­an gehör­te er zur Gau­li­ga­mann­schaft des Alt­meis­ters. 1935 klopf­te nach einem Spiel der Schwarz-Roten gegen die Stutt­gar­ter Kickers Reichs­trai­ner Dr. Otto Nerz an die Kabi­nen­tür der Karls­ru­her, der den jun­gen Pfäl­zer zu einem DFB-Lehr­gang einlud.

Abbil­dung: Auto­gramm von Lud­wig Dammin­ger, Quel­le: KFV-Archiv.

Abbil­dung: Dammin­ger auf einem Ziga­ret­ten-Sam­mel­bild der 1930er Jah­re sowie auf dem Cover der Deut­schen Sport-Illus­trier­ten, Nr. 40 vom 02.10.1935, im KFV-Dress gegen Kamen­zin (VfR Mann­heim, End­stand 3:4). Quel­le: KFV-Archiv.

Abbil­dung: Dammin­ger, Quel­le: KFV


 

Franz Immig – Zwei Natio­nal­mann­schaf­ten und ein frü­her Tod

10. Sep­tem­ber 1918 in Son­dern­heim —  26. Dezem­ber 1955

Der im pfäl­zi­schen Son­dern­heim auf­ge­wach­se­ne Franz Immig genoss sei­ne fuß­bal­le­ri­sche Aus­bil­dung beim SV Son­dern­heim sowie bis 1937 bei der TSG Fried­richs­ha­fen, ehe er als 19-Jäh­ri­ger zu den Schwarz-Roten kam. Mit August Bolz und Kee­per Mar­tin Eßwein (Mar­tin Eßwein, 26. Sep­tem­ber 1912 in Son­dern­heim – 27. März 1993 eben­da, war von 1938 bis 1940 Kee­per des KFV und wur­de spä­ter Bür­ger­meis­ter der pfäl­zi­schen Gemein­de Son­dern­heim, die spä­ter nach Ger­mers­heim ein­ge­mein­det wur­de) spiel­ten damit gleich drei Spie­ler aus Son­dern­heim in der KFV-Stamm­elf. Der rech­te Ver­tei­di­ger, der durch kon­se­quen­tes Deckungs­ver­hal­ten und star­kem Spiel nach vor­ne über­zeug­te, debü­tier­te sogleich in der ers­ten Mann­schaft und stieg mit die­ser in die Gau­li­ga Baden auf. Als Debü­tant der Lan­des­aus­wahl Baden traf er im Novem­ber 1938 mit einem Frei­stoß aus 30 Metern zur Füh­rung. Reichs­trai­ner Her­ber­ger wur­de schnell auf­merk­sam auf das Talent und setz­te ihn im März 1939 gegen Luxem­burg erst­ma­lig ein (End­stand 1:2; „Nie­der­la­ge gegen Luxem­burg – Nur der Karls­ru­her Immig, Flo­tho und Rho­de kön­nen gefal­len“; ASZ Nr. 25, 27.03.1939). Auch im Test­spiel gegen die Schweiz B konn­te Immig die Pres­se von sei­nem Kön­nen über­zeu­gen: „Über­ra­gend war das Ver­tei­di­ger­paar Immig – Gram­lich […] der klei­ne KFV-ler Immig, der nicht nur für unse­re Begrif­fe eine ein­zig­ar­ti­ge Ver­tei­di­ger­kunst hin­leg­te, son­dern selbst Beru­fe­ne und Beru­fens­te ver­blüff­te“ (Boden­see-Rund­schau, 03.04.1939). Der zwei­te A‑Län­der­spiel-Ein­satz erfolg­te im dar­auf­fol­gen­den August, fünf Tage vor Aus­bruch des 2. Welt­krie­ges, in Preß­burg gegen die Slo­wa­kei (0:2). Auch in die Gau­aus­wahl Baden wur­de Immig beru­fen. Aus beruf­li­chen Grün­den zog es Immig 1940 nach Stutt­gart, wo er sich den Stutt­gar­ter Kickers anschloss. Als Gau­li­ga­meis­ter von Würt­tem­berg spiel­te er mit den Kickers zusam­men mit den Natio­nal­spie­lern Edmund Conen und Albert Sing in der End­run­de der deut­schen Meis­ter­schaft. Als Wahl-Stutt­gar­ter wur­de Immig wei­ter­hin zu DFB-Lehr­gän­gen und B‑Elf-Test­spie­len eingeladen.

Abbil­dung: Ein­be­ru­fungs­schrei­ben an Immig. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.

Zu einem offi­zi­el­len A‑Länderspiel kam er aller­dings nicht mehr. 1942 wur­de der Län­der­spiel­be­trieb ein­ge­stellt und Immig, der inzwi­schen an der Front war, geriet in Kriegs­ge­fan­gen­schaft, aus der er erst im Novem­ber 1947 zurück­kehr­te. Im Janu­ar 1948 stand er wie­der für die Kickers auf dem Platz. Im Mai 1948 zog es ihn schließ­lich ins Saar­land, wo er beim 1. FC Saar­brü­cken end­lich wie­der zu alter Form fand. 1948/49 wur­de der Ver­ein von der fran­zö­si­schen Besat­zungs­macht der 2. Fran­zö­si­schen Divi­si­on zuge­ord­net, in der sich die Saar­län­der erfolg­reich behaup­ten konn­ten. Da das Saar­land ein eigen­stän­di­ges FIFA-Mit­glied wur­de, kam er zwölf Jah­re nach sei­nem letz­ten Ein­satz auf inter­na­tio­na­ler Büh­ne zu einem wei­te­ren Län­der­spiel, das die „saar­län­di­sche Natio­nal­mann­schaft“ mit 5:2 gegen die B‑Auswahl der Schweiz gewann. Zwei wei­te­re Saar­län­der­spie­le folg­ten. 1951/52 wur­de das letz­te gro­ße Jahr für Immig: Mit dem 1. FC Saar­brü­cken gewann er die süd­west­deut­sche Meis­ter­schaft und qua­li­fi­zier­te sich für die deut­sche Meis­ter­schafts­end­run­de, in der die Saar­brü­cker das Fina­le erreich­ten und dem VfB Stutt­gart nur knapp unter­la­gen (2:3). Doch im Fina­le war Immig schon gar nicht mehr dabei: „Vor­bo­ten einer schlim­men Krank­heit“ mach­ten sich schon in der lau­fen­den Meis­ter­schafts­end­run­de bemerk­bar. Immig kehr­te nur noch kurz auf den grü­nen Rasen zurück. 1953/54 bestritt er letzt­mals ein Pflicht­spiel in der Ober­li­ga Süd­west, ehe er am zwei­ten Weih­nachts­fei­er­tag des Jah­res 1955 im Alter von nur 37 Jah­ren an einem Krebs­lei­den starb. Im Mai 1957 fand Immig zu Ehren ein Bene­fiz­spiel zwi­schen dem 1. FC Saar­brü­cken und der Borus­sia Neun­kir­chen statt.

Abbil­dun­gen: Akro­ba­ti­scher Immig: Hier im Tri­kot der Stutt­gar­ter Kickers, Quel­le: kickersarchiv.de.


 

Fritz „Fré­dé­ric“ Kel­ler – Tra­gi­scher Stürmerstar

21. August 1913 in Stras­bourg – 8. Juni 1985 in Strasbourg

1913 wur­de Kel­ler als Sohn einer Elsäs­se­rin aus Plob­sheim und eines Deut­schen im dama­li­gen „Reichs­land Elsaß-Loth­rin­gen“, in Straß­burg gebo­ren. Sei­ne Fami­lie wan­der­te nach dem 1. Welt­krieg aus wirt­schaft­li­chen Grün­den nach Karls­ru­he aus, wo Fritz‘ Vater eine Ziga­ret­ten­fa­brik betrieb. Die acht Kin­der der Kel­lers erhiel­ten teils deut­sche, teils fran­zö­si­sche Vor­na­men. Im Alter von zwölf Jah­ren trat er 1925 in den KFV ein und durch­lief alle Jugend­mann­schaf­ten. Der schnel­le, beid­fü­ßig star­ke Flü­gel­stür­mer wur­de sowohl Rechts- als auch Links­au­ßen sowie als Mit­tel­stür­mer ein­ge­setzt und war – trotz sei­ner 1,74 m – kopf­ball­stark. Mit sei­ner Schuss­stär­ke gelan­gen ihm sogar Tore aus 25 m Ent­fer­nung! Sein Debüt in der ers­ten KFV-Elf soll­te nicht lan­ge auf sich war­ten las­sen: Schon mit 16 Jah­ren, vier Jah­re nach sei­nem Ver­eins­ein­tritt, leis­te­te er einen wesent­li­chen Bei­trag zum Gewinn der Badi­schen Meis­ter­schaft 1929. Zusam­men mit Fritz Mül­ler bil­de­te er den rech­ten Flü­gel der Schwarz-Roten. 1931 ent­schlos­sen sich die Eltern Kel­lers nach Frank­reich zurück­zu­keh­ren. Im April 1932 lief der Rechts­au­ßen das letz­te Mal beim Der­by gegen den FC Phö­nix für den KFV auf (3:2). Zusam­men mit sei­nem älte­ren Bru­der Albert (*1911) und sei­nem jün­ge­ren Curt (1918–1992), die eben­so begab­te Fuß­bal­ler waren, schloss er sich dem Racing Club de Stras­bourg an. Racing führ­te 1933 den Pro­fi­fuß­ball­spiel­be­trieb ein und stieg mit den drei Kel­ler-Brü­dern 1933/34 aus der Divi­si­on 2 (Nord) – der 2. Liga Frank­reichs – in die Divi­si­on 1 auf. Als Mit­tel­stür­mer eta­blier­te sich Fritz Kel­ler bald zum gefei­er­ten Hel­den der Mann­schaft. Die fran­zö­si­sche Sport­zeit­schrift „Foot­ball“ schrieb 1934 nach einem Spiel gegen Metz: „Stras­bourg hat eine groß­ar­ti­ge Stür­mer­rei­he, wor­un­ter F. Kel­ler der gro­ße Star ist“. Auf Anhieb wur­den die Straß­bur­ger nach ihrem Auf­stieg Vize­meis­ter Frank­reichs und lan­de­ten nur einen Punkt hin­ter dem Meis­ter FC Soch­aux. Im Mai 1934 bestritt Kel­ler bereits ein Spiel für die fran­zö­si­sche B‑Nationalmannschaft (gegen die Schweiz). Bru­der Albert wur­de der­weil fran­zö­si­scher Mili­tär­meis­ter mit dem 158. Regi­ment von Stras­bourg. Am 10. Mai 1934 wur­de Fritz Kel­ler als ers­ter Spie­ler von Racing zum Län­der­spiel der Equi­pe Tri­co­lo­re gegen die Nie­der­lan­de in Ams­ter­dam beru­fen, wo er sofort mit einem Tor erfolg­reich war (End­stand 5:4). 1934 wur­de der ehe­ma­li­ge KFV-Recke in den Welt­meis­ter­schafts­ka­der der Fran­zo­sen beru­fen. Im Ach­tel­fi­na­le der WM wur­den Kel­lers Fran­zo­sen dort von Öster­reichs „Wun­der­team“ gestoppt (2:3). Sein letz­tes Län­der­spiel mach­te Fritz Kel­ler 1937 – aus­ge­rech­net gegen Deutsch­land – in Stutt­gart (0:4). Ins­ge­samt brach­te er es auf acht Län­der­spie­le, in denen er drei Tore erziel­te. In der ers­ten fran­zö­si­schen Liga erziel­te er in 130 Spie­len 56 Tore für Racing und wur­de 1937 Vize-Pokal­sie­ger Frank­reichs. Fritz‘ jün­ge­rer Bru­der Curt wur­de zunächst in die fran­zö­si­sche Ama­teur­na­tio­nal­mann­schaft auf­ge­nom­men, bestritt 1937 sein ein­zi­ges A‑Länderspiel für Frank­reich und wur­de mit dem FC Soch­aux fran­zö­si­scher Meis­ter. Mit dem Kriegs­aus­bruch änder­te sich alles für den 26-jäh­ri­gen Elsäs­ser. Nach der Anne­xi­on des Elsas­ses durch Deutsch­land im Jahr 1939 wur­den die fran­zö­si­schen Ver­ei­ne auf­ge­löst oder „ein­ge­deutscht“. Aus Racing Stras­bourg wur­de der Rasen­sport­club Straß­burg, der in der neu auf­ge­stell­ten „Gau­li­ga Elsass“ teil­nahm. Eine For­ma­ti­on der deut­schen Schutz­staf­fel (SS), wel­che die Kon­trol­le über den frü­he­ren „Sport-Club Red-Star Stras­bourg“ über­nahm und die­sen in „SG SS Straß­burg“ umbe­nann­te, ver­such­te von nun an Spit­zen­spie­ler des Lokal­ma­ta­dors Racing zu rekru­tie­ren. Dabei griff die SS auch auf erpres­se­ri­sche Metho­den zurück: Man droh­te den ins Auge gefass­ten Spit­zen­spie­lern mit Gefäng­nis­stra­fe oder Front­ein­satz an der Ost­front, wenn sie sich nicht frei­wil­lig der SG SS Straß­burg anschlie­ßen woll­ten. Wohl mehr aus Furcht als aus oppor­tu­nis­ti­schen Grün­den wech­sel­te auch Fritz Kel­ler zum SS-Klub (Kel­lers Mann­schafts­kol­le­gen Armand Voil­let und Ernest Waech­ter bezeich­ne­ten sich als „Zwangs­re­kru­tier­te SGSS’ler“). Der SS-Ver­ein nahm – ohne ein Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel bestrit­ten zu haben – in der höchs­ten regio­na­len Liga, der Gau­li­ga Elsass, teil. Die Ver­eins­far­ben des Klubs waren schwarz-weiß und der rote Stern auf dem Tri­kot des Vor­gän­ger­klubs wur­de durch einen Toten­kopf mit SS-Runen ersetzt. Die Der­bys zwi­schen Kel­lers ehe­ma­li­gen Ver­ein, Racing, hin­ter dem die Straß­bur­ger Stadt­be­völ­ke­rung stand und der ver­hass­ten SG Schutz­staf­fel ent­wi­ckel­ten sich zu emo­tio­na­len und patrio­tisch-gefärb­ten Fuß­ball­schlach­ten. Aus Furcht vor der Besat­zungs­macht wag­te aber nie­mand auf­zu­fal­len oder gar die SG SS aus­zu­pfei­fen, wie sich Kel­lers Nach­fol­ger auf dem rech­ten Flü­gel von Racing, Robert Schnei­der, noch im Jahr 2014 erin­ner­te. Wäh­rend Rasensport/Racing die „résis­tance pas­si­ve“ ver­kör­per­te, stand die SG Schutz­staf­fel-Elf für die Kol­la­bo­ra­teu­re unter den Fran­zo­sen. Auch im rest­li­chen Reich war die SS-Mann­schaft auf­grund ihrer Pri­vi­le­gi­en als Mili­tär­mann­schaft unbe­liebt. Der SS-Ver­ein konn­te kei­nes der direk­ten Duel­le gegen Rasensport/Racing gewin­nen. 1942 qua­li­fi­zier­te sich die SG SS jedoch für die deut­sche Meis­ter­schafts­end­run­de, wo Kel­lers Team erst im Vier­tel­fi­na­le dem FC Schal­ke 04 unter­lag (0:6). Im Spät­herbst 1944 wur­de nach dem Rück­zug der Wehr­macht aus dem Elsass, der Ver­ein schließ­lich auf­ge­löst. Sein erzwun­ge­nes Enga­ge­ment im SS-Ver­ein bezahl­te Kel­ler nun teu­rer: Im Juli 1945 beschloss der wie­der­ge­grün­de­te Ver­band der elsäs­si­schen Liga LAFA (Ligue d’Alsace de foot­ball asso­cia­ti­on) die Kol­la­bo­ra­ti­on fran­zö­si­scher Fuß­ball­spie­ler zu unter­su­chen. Wäh­rend die meis­ten der 1940 ver­setz­ten Spit­zen­spie­ler von Racing reha­bi­li­tiert wur­den, sperr­te man Fritz „Fré­dé­ric“ Kel­ler zunächst lebens­lang. Die Sper­re wur­de jedoch schon im fol­gen­den Jahr auf­ge­ho­ben. Kel­ler ließ nun in den Jah­ren 1946 bis 1949 sei­ne Kar­rie­re als Spie­ler­trai­ner beim FC Saver­ne 1906 aus­klin­gen. Bei Racing erlang­te er voll­stän­di­ge Reha­bi­li­ta­ti­on und einem Platz auf der Ehren­tri­bü­ne. Zusam­men mit sei­ner Frau führ­te er im belieb­ten Straß­bur­ger Stadt­teil Neu­dorf ein Lokal. Heu­te resü­miert der elsäs­si­sche His­to­ri­ker Pierre Per­ny – der über den elsäs­si­schen Fuß­ball pro­mo­vier­te – über die schick­sal­haf­te Kar­rie­re Fritz Kel­lers: „Die Zeit, in der Geg­ner und Freun­de die­sen und jenen weiß oder schwarz mach­ten, ist vor­bei. Was von Fritz Kel­ler zu behal­ten ist, ist die Tat­sa­che, dass er ein groß­ar­ti­ger Fuß­bal­ler war“.

Abbil­dung: Kel­ler im KFV-Tri­kot (links), Quel­le: KFV-Archiv. Rech­tes Bild: Die fran­zö­si­sche Natio­nal­mann­schaft bei der WM 1938 mit Kel­ler vor dem Spiel gegen Öster­reich, Quel­le: KFV-Archiv.

 


 

Emil „Mile“ Kut­te­rer – Auf den KFV folg­ten die Bay­ern und die Nationalelf

11. Novem­ber 1898 in Karls­ru­he — 13. Juli 1974

Emil Kut­te­rer wuchs in Dax­lan­den auf, wo er beim hei­mi­schen Fuss­ball­ver­ein das Fuß­ball­spie­len lern­te. Da sein Talent auf Dau­er nicht die not­wen­di­ge, för­dern­de Her­aus­for­de­rung fand, wech­sel­te er 1916 zunächst zum FV Bei­ert­heim und im Som­mer 1920 schließ­lich zum KFV. Unter Trai­ner Max Breu­nig gelang dem KFV mit Kut­te­rer in der Sai­son 1921/22 der Gewinn der Süd­west­kreis­meis­ter­schaft. Nach zwei Jah­ren beim KFV wech­sel­te Emil Kut­te­rer zum FC Bay­ern Mün­chen. In Mün­chen blieb er bis zu sei­nem Kar­rie­re­en­de 1931. 1925 bis 1928 wur­de Kut­te­rer acht­mal in der deut­schen Natio­nal­mann­schaft ein­ge­setzt und gehör­te 1928 dem Olym­pia-Auf­ge­bot an. Ende der 1930er Jah­re wur­de er Sport­leh­rer von Tura Leip­zig und schnür­te für das Jubi­lä­ums­spiel sei­nes ers­ten Ver­eins, FV Dax­lan­den, gegen den FC Bay­ern noch ein­mal die Kickstiefel.

Abbil­dung: Kut­te­rer nach sei­nem Wech­sel nach Mün­chen auf dem Cover des Kickers (mitt­le­rer Spie­ler) und auf einem Sam­mel­bild. Quel­le: KFV-Archiv.


 

Aldo Poret­ti – Schwei­zer Natio­nal­stür­mer beim KFV

30. Novem­ber 1906 – Ster­be­da­tum unbekannt

Abbil­dung: Aldo Poret­ti aus der Schweiz. Quel­le: KFV-Archi­v/ Badi­sche Presse.

Der Tes­si­ner Aldo Poret­ti kam vom FC Luga­no zum KFV, wo er in der Sai­son 1929/30 25 Tore für Schwarz-Rot erziel­te. Ab 1. Dezem­ber 1928 ver­füg­te der Schwei­zer Stür­mer Spiel­erlaub­nis für den KFV und schlug bei sei­nem Debüt sofort ein: Mit 7:0 (3:0) schoss der KFV den SC Frei­burg ab. Am 22. Sep­tem­ber 1929 gab er bereits wie­der sei­nen Abschied in Karls­ru­he. Poret­ti, der beruf­lich für ein Jahr in Karls­ru­he weil­te, kehr­te wie­der zurück nach Luga­no, wo er im elter­li­chen Geschäft tätig wur­de. Spä­ter war der Stür­mer wie­der in Luga­no aktiv (1931–36) und wur­de u.a. mit einem 2:1 gegen die Gras­shop­per Zürich Schwei­zer Pokal­sie­ger (Poret­ti erziel­te den Sieg­tref­fer im Fina­le). Als ver­läss­li­cher Tor­schüt­ze gehör­te er spä­ter zur Stamm­elf der Young Boys Bern (1935–1939). Zwi­schen 1926 und 1936 bestritt er elf Län­der­spie­le für die Schweiz, in denen er vier Tore erziel­te. Nach dem Kriegs­aus­bruch im Jah­re 1939 ver­lie­ren sich sei­ne Spu­ren. Damals rück­ten zahl­rei­che jun­ge Schwei­zer in den Aktiv­dienst (Grenz­be­set­zung) ein und die schwei­ze­ri­sche Fuß­ball­meis­ter­schaft wur­de vor­erst als Mobi­li­sa­ti­ons­meis­ter­schaft (ohne Auf- und Abstei­ger) weitergeführt

Abbil­dung: Die Schwei­zer Mann­schaft, die am 12.Dezember 1926 gegen Deutsch­land in Mün­chen 3:2 sieg­te. Poret­ti ist der zwei­te Spie­ler von links. Quel­le: sportalbum.ch


 

Takis Xan­tho­pou­los – Hel­le­ne im KFV-Tor

28. März 1923, Ein­tracht Frank­furt – KFV: „Bei Karls­ru­he über­rasch­te der neu ein­ge­stell­te Tor­hü­ter Xan­tho­pou­los (ein Grie­che), der ein gera­de­zu über­ra­gen­des Kön­nen an den Tag leg­te und durch Gewandt­heit und Wag­hal­sig­keit jeder Lage gewach­sen war“ (Fuß­ball, Aus­ga­be 13/1923 vom 28.03.1923). Der ver­mut­lich ers­te grie­chi­sche Aus­lands­fuß­bal­ler in Deutsch­land stand 1922/23 in der Aus­wahl der Schwarz-Roten. Nach­dem Xan­tho­pou­los nach dem 2. Welt­krieg fast schon in Ver­ges­sen­heit geriet, besuch­te er im Mai 1954 zur gro­ßen Über­ra­schung sei­nen Ex-Ver­ein in Karls­ru­he. Bei die­ser Gele­gen­heit bekam er im Gar­ten­saal des Monin­ger die sil­ber­ne Ehren­na­del des Ver­eins verliehen.

Abbil­dun­gen: Takis und Dr. Kess­ler. Quel­le: KFV (links) und Stadt­ar­chiv Karls­ru­he (rechts.)


 

Ernst Wil­li­mow­ski — Ein Super­star als Gast­spie­ler: Ernst Wil­li­mow­ski spiel­te für zwei Natio­nal­teams, erziel­te 1175 Tore – und kick­te wäh­rend des Krie­ges beim KFV

  1. Juni 1916 in Kat­to­witz — 30. August 1997 in Karlsruhe

von Tho­mas Staisch

Die Mel­dung in der „Klei­nen Sporte­cke“ der Badi­schen Pres­se vom Janu­ar 1944 war nur fünf Zei­len kurz, aber eine ech­te Sen­sa­ti­on. Dort wur­de ver­kün­det, dass ein gewis­ser Wil­li­mow­ski vom Poli­zei­sport­ver­ein Chem­nitz sei­ne Gar­ni­sons­zeit in Karls­ru­he ver­brin­gen und als Gast­spie­ler beim KFV mit­wir­ken wer­de – am 16. Janu­ar sei sein ers­ter Ein­satz beim „Pri­vat­spiel“ gegen Forch­heim geplant. Was damals bekannt war, heu­te aber fast völ­lig ver­ges­sen ist: Ernst Wil­li­mow­ski war ein ech­ter Super­star des Fußballsports.

Das Leben des Rekord-Kickers und Para­dies­vo­gels liest sich wie ein Hol­ly­wood-Dreh­buch: Am 23. Juni 1916 wur­de Wil­li­mow­ski (mit einem pol­ni­schen oder zwei deut­schen „l“ geschrie­ben) als Ernst Otto Pra(n)della im dama­lig ober­schle­si­schen Kat­to­witz gebo­ren – mit sechs Zehen am lin­ken Fuß. Die Behin­de­rung erwies sich als Glücks­fall: Obwohl er rechts här­ter schie­ßen konn­te, erziel­te „Ezi“ die meis­ten Tref­fer mit sei­ner „Glücks­ze­he“ – und das natür­lich ohne Spezialschuh.

Wil­li­mow­ski wur­de von sei­ner Mut­ter auf­ge­zo­gen, der Vater war im Welt­krieg gefal­len, und erhielt den Nach­na­men sei­nes Stief­va­ters. Das Super­ta­lent heu­er­te beim „deut­schen Club“ 1. FC Kat­to­witz an, wo er bis 1934 bereits Tore im Akkord schoss. Der gro­ße Durch­bruch kam mit dem Wech­sel zum heu­ti­gen Ruch Chor­zów (deutsch: Königs­hüt­te), wo er in 86 Spie­len 112 Tref­fer erziel­te. Lohn der Mühe: Als pol­ni­scher „Ernest“ wur­de er 1934 und 1936 Tor­schüt­zen­kö­nig, gewann mit sei­nem Team von 1933 bis 1939 in Fol­ge die Meis­ter­schaft. Für den Ver­eins­wech­sel hat­te Kat­to­witz 1000 Zlo­ty erhal­ten – damals das Jah­res­ge­halt eines Brief­trä­gers. „Er hat ein­fach immer Fuß­ball gespielt, hat­te dadurch eine expo­nier­te Stel­lung“, berich­te­te sei­ne Toch­ter Sylvia.

Wil­li­mow­ski hat­te vie­le Talen­te, er spiel­te in der ober­schle­si­schen Eis­ho­ckey-Aus­wahl und war Mit­glied im Hand­ball- sowie im Ski-Team. Bei einer Berg­tour freun­de­te er sich mit einem Ski­fah­rer namens Karol Woj­ty­la an – der spä­ter als Papst Johan­nes Paul II. berühmt wer­den soll­te. Ob mit oder ohne päpst­li­chen Segen, der „dop­pel­te Ernst“ wur­de 1934 mit 17 Jah­ren in die pol­ni­sche Natio­nal­mann­schaft beru­fen, wo er auf (ver­mut­lich) 25 Ein­sät­ze kam und dabei beein­dru­cken­de 25 Tore schoss. An sei­ner Treff­si­cher­heit könn­te ein klei­nes Hei­li­gen­me­dail­lon „Schuld“ gehabt haben, dass der aber­gläu­bi­sche „Ezi“ bei jedem Match im Stut­zen ver­steck­te. Aller­dings warf ihn der Ver­band 1936 auch für 12 Mona­te aus dem Kader – weil er zu viel feierte.

Welt­weit bekannt wur­de Wil­li­mow­ski durch das Ach­tel­fi­nal­spiel bei der Welt­meis­ter­schaft 1938: Bei der 5:6‑Niederlage nach Ver­län­ge­rung gegen Bra­si­li­en hol­te der 22-jäh­ri­ge Ober­schle­si­er nicht nur den Elf­me­ter zum 1:0 her­aus, son­dern traf zudem vier Mal – er schoss damit als ers­ter Fuß­bal­ler über­haupt vier Tore in einem WM-Spiel. Nach­spiel: Par­ty­lö­we Wil­li­mow­ski war nach der Nie­der­la­ge aus dem Mann­schafts­quar­tier aus­ge­büxt und hat­te in einem Nacht­club gefei­ert – und dabei sowohl bei Racing Paris als auch bei zwei bra­si­lia­ni­schen Ver­ei­nen Ver­trä­ge unter­schrie­ben. Der Legen­de nach soll er sei­ne nack­ten Füßen auf den Tisch gepackt und den Gäs­ten das Ergeb­nis des Spiels anhand sei­ner Zehen (5:6) gezeigt haben! Bei Tages­licht konn­te sich der arme Ernst aller­dings an nichts mehr erin­nern und die pol­ni­schen Fuß­ball­funk­tio­nä­re dach­ten gar nicht dar­an, ihren Top-Stür­mer weg­zu­ge­ben – er muss­te zurück nach Polen.

Abbil­dung: Das unschein­ba­re Grab Wil­li­mow­skis auf dem Karls­ru­her Haupt­fried­hof (links) und Wil­li­mow­ski 1980 in Karls­ru­he. Quel­le: Tho­mas Staisch.

Fuß­bal­le­risch war der Rot­haa­ri­ge mit den Som­mer­spros­sen und den mar­kan­ten Segel­oh­ren ein fei­ner Tech­ni­ker, der sei­ne Gegen­spie­ler rei­hen­wei­se mit Kör­per­täu­schun­gen oder Dre­hun­gen narr­te und dann ent­we­der hart mit rechts, aber vor allem gefühl­voll mit links ein­netz­te – Kopf­bäl­le ver­mied er fast völlig.

Nach der Beset­zung Polens wur­de der Ober­schle­si­er Deut­scher und nann­te sich Ernst Wil­li­mow­ski. „Er hat sich nie viel aus Natio­na­li­tä­ten gemacht. Er war mal der Pole, mal Deut­scher, so wie er am bes­ten durch­kam“, so Toch­ter Syl­via. „Ezi“ wech­sel­te zum PSV Chem­nitz und traf wie gewohnt nach Belie­ben: „Wil­li­mow­ski hat für Chem­nitz schon so viel Tore geschos­sen wie oft ein Ver­ein im gan­zen Jahr zusam­men“, wun­der­te sich das „Reichs­sport­blatt“. Kein Wun­der: Nach sie­ben Spie­len hat­te Ernst bereits 35 Tore erzielt.

Dann begann sei­ne zwei­te Kar­rie­re: Sepp Her­ber­ger, der Wil­li­mow­ski beim 5:6 gegen Bra­si­li­en live gese­hen hat­te, berief den „Volks­deut­schen“ 1941 in die Natio­nal­mann­schaft. Mit Erfolg: In acht Län­der­spie­len erziel­te er 13 Tore. Sein Geheim­re­zept? Vor jedem Spie­len trank er But­ter­milch und schlürf­te rohe Eier! Laut der Bio­gra­phie „Sport ohne Gren­zen: Die Lebens­ge­schich­te des Fuß­ball-Alt­na­tio­nal­spie­lers Ernst Wil­li­mow­ski“ (von sei­nem Schwie­ger­sohn ver­fasst) muss­te „Ezi“ dabei ein bizar­res Auf­nah­me­ri­tu­al über sich erge­hen las­sen. Jedem Neu­ling wur­de näm­lich tra­di­tio­nell der „Hei­li­ge Geist“ ver­ab­reicht – in Form von Schlä­gen auf den nack­ten Po. Trotz der „Abrei­bung“ war Wil­li­mow­ski kaum zu bän­di­gen. Obwohl ihn Her­ber­ger stän­dig ermahn­te („Vor dem Spiel kei­ne Lie­be und kein Alko­hol!“), war das Schlitz­ohr oft vor wich­ti­gen Matches unter­wegs. Aber egal was er ange­stellt hat­te, das Tor-Phä­no­men war spä­tes­tens beim Anpfiff top­fit. Beson­ders den star­ken Eid­ge­nos­sen lehr­te „Ezi“ das Fürch­ten: Gegen den berüch­tig­ten „Schwei­zer Rie­gel“ traf er beim 5:3‑Sieg gleich vier Mal – der Schwei­zer Tor­wart Erwin Bal­la­bio soll sich danach beim Ban­kett aus Kum­mer fürch­ter­lich betrun­ken haben. 

Um dem Front­ein­satz zu ent­ge­hen, spiel­te der Wun­der­stür­mer in der Sol­da­ten­elf „Die Roten Jäger“ (nach ihren roten Tri­kots so genannt), die sich der bekann­te Jagd­flie­ger Her­mann Graf leis­te­te. „Für mich der größ­te aller Tor­jä­ger“, urteil­te Fuß­ball-Legen­de Wal­ter über sei­nen Mit­spie­ler. Und: „Er hat­te kei­ne Ner­ven, er war eis­kalt. Er war der ein­zi­ge Stür­mer, den ich je gese­hen habe, der mehr Tore mach­te als er Chan­cen hat­te“. Der Kon­takt zu Graf ret­te­te Wil­li­mow­skis Mut­ter Pau­li­ne das Leben: Als sie nach einer Lie­bes­be­zie­hung zu einem Juden nach Ausch­witz abtrans­por­tiert wur­de, konn­te er ihre Ent­las­sung arran­gie­ren. Sie starb erst 1981 in Karls­ru­he. Ende 1942 war der Jahr­hun­dert­fuß­bal­ler bei 1860 Mün­chen gelan­det, wo er sei­nen Ver­ein mit 13 Toren bis in Fina­le des „Tscham­mer-Pokals“ schoss (dem Vor­gän­ger des DFB-Pokals) und dort vor 80.000 Zuschau­ern auch einen Tref­fer zum 2:0‑Sieg gegen den Favo­ri­ten Schal­ke 04 bei­trug. 14 Tore im Pokal­wett­be­werb – die­sen Rekord hält Ernst Wil­li­mow­ski bis heu­te. Beim 15:1‑Sieg im Ach­tel­fi­na­le gegen Straß­burg hat­te „Ezi“ allein sie­ben bis zehn Tore (je nach Quel­le) beigesteuert.

Über sei­ne Zeit beim KFV ist dage­gen wenig über­lie­fert. Immer­hin wur­de über Wil­li­mow­skis Ein­satz bei der Begeg­nung in Ras­tatt am 5. März 1944 berich­tet: Beim letz­ten Gau­li­ga­spiel der Schwarz­ro­ten avan­cier­te der Natio­nal­spie­ler gleich zum Match­win­ner – beim 4:3‑Auswärtssieg steu­er­te „Wil­li“ drei Tore bei. Das NS-Pres­se­or­gan „Der Füh­rer“ jubel­te: „Ent­schei­den­den Anteil des Erfol­ges der Gäs­te hat­te zwei­fel­los Wil­li­mow­ski, der alle sei­ne Kame­ra­den über­rag­te, nicht nur, weil alle Direk­ti­ven von ihm aus­gin­gen, son­dern weil er dar­über hin­aus noch voll­ende­te Fuß­ball­kunst mit allen Fein­hei­ten demons­trier­te, die ihn zum bes­ten Spie­ler auf dem Platz stempelte“.

Nach Kriegs­en­de tin­gel­te Glo­be­trot­ter Wil­li­mow­ski von Ver­ein zu Ver­ein (ins­ge­samt bal­ler­te er für knapp 20 Clubs), bevor er in Süd­ba­den sess­haft wur­de – 1949/50 wur­de er Spie­ler­trai­ner beim Offen­bur­ger FV, bis 1959 kick­te er für den Keh­ler FV. Wie sehr Ernst den Fuß­ball lieb­te, zeigt auch die Geschich­te, dass er 1951 zu sei­ner Hoch­zeit mit dem Auto vom Trai­ning abge­holt wer­den musste!

Der „Deut­sche aus Polen“, der im Natio­nal­dress sowohl gegen Deutsch­land als auch für Deutsch­land spiel­te (also den wei­ßen und den schwar­zen Adler auf der Brust trug), konn­te gar nicht auf­hö­ren zu spie­len – und Tore zu schie­ßen. 1955 wur­de er mit 39 Jah­ren noch Tor­schüt­zen­kö­nig beim VfR Kai­sers­lau­tern in der Ober­li­ga Süd­west, die damals zur höchs­ten deut­schen Spiel­klas­se zähl­te. „Er konn­te fast andert­halb Stun­den auf dem Platz her­um­ste­hen und kaum etwas tun, um anschlie­ßend doch noch das ent­schei­den­de Tor zu schie­ßen“, so Fritz Walter.

In Karls­ru­he arbei­te­te er spä­ter bei den Pfaff-Wer­ken und war auch öfters im Wild­park­sta­di­on zu sehen. Sei­nen Lebens­abend ver­brach­te er mit sei­nen Kat­zen und Hund „Hus­kie“ – er starb am 30. August 1997 mit 81 Jah­ren, sein Grab ist auf dem Haupt­fried­hof zu fin­den. In Polen galt er bis 1990 noch als „Vater­lands­ver­rä­ter“, sein Name und sei­ne Tore wur­den aus allen Sta­tis­ti­ken getilgt – heu­te zählt er dort zu den bes­ten pol­ni­schen Fuß­bal­lern aller Zei­ten. Und fast jedes Jahr an sei­nem Todes­tag legen Fans sei­nes ehe­ma­li­gen Ver­eins Ruch Chor­zów Blu­men an sei­nem Grab in Karls­ru­he nie­der. In den (nie ein­deu­ti­gen) ewi­gen Tor­jä­ger­lis­ten der bes­ten Schüt­zen aller Zei­ten steht Ernst Wil­li­mow­ski mit 1175 Pflicht­spiel­to­ren hin­ter den bra­si­lia­ni­schen Gigan­ten Arthur Arthur Frie­den­reich und Pelé – aber noch vor den Super­stars Ferenc Pus­kás und Alfre­do Di Stéfano.

 

Karl Zieg­ler – Der spä­te­re Rad­bun­des­trai­ner beim KFV

geb. 1. Dezem­ber 1919 in Mann­heim — 29. Mai 2019 in Mannheim

„Außer­or­dent­lich erfolg­reich und für drei arbei­tend auch der tech­nisch gute Halb­lin­ke Zieg­ler, der sich mit dem anpas­sungs­fä­hi­gen Links­au­ßen Bach­mann gut ver­stand“, wür­dig­te das Blatt „Der Füh­rer“ das Enga­ge­ment des jun­gen Mann­hei­mer Stür­mers Zieg­ler im Spiel gegen Dax­lan­den (4:3), der seit dem Früh­jahr 1944 für den KFV am Ball war. Eigent­lich woll­te Zieg­ler Fuß­ball­tor­wart wer­den, doch dafür war der zier­li­che Zieg­ler zu klein. 1926 ent­schied er, sich pri­mär auf den Rad­sport kon­zen­trie­ren zu wol­len, spiel­te neben­her aber immer noch Fuß­ball. Zum KFV kam er durch sein Maschi­nen­bau­stu­di­um in Karls­ru­he. Angeb­lich soll Wil­li­mow­ski den jun­gen Mann­hei­mer davon über­zeugt haben, zum KFV zu wech­seln. Zuvor war er als Sol­dat bereits in der Bre­ta­gne und in Kras­no­dar sta­tio­niert. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg mach­te Zieg­ler eine Aus­bil­dung zum Fuß­ball-Trai­ner und eröff­ne­te 1950 ein Fahr­rad­ge­schäft in der Mann­hei­mer Neckarstadt.

Abbil­dung: Zieg­ler, Quel­le: KFV.

Abbil­dung: Zieg­ler, Quel­le: KFV.

Als Rad­trai­ner ent­deck­te er Rudi und Wil­li Altig. Ers­te­ren betreu­te er bei des­sen Welt­meis­ter­schafts­sieg 1959. 1961 wur­de Karl Zieg­ler vom Bund Deut­scher Rad­fah­rer (BDR) zum Bun­des­trai­ner beru­fen. Die von ihm betreu­ten Renn­rad­fah­rer Klaus May und Bernd Rohr gewan­nen 1962 Gold bei den Welt­meis­ter­schaf­ten. Der BDR beur­laub­te Zieg­ler, nach dem sich die­ser über man­geln­de Unter­stüt­zung beklag­te. 1976 wur­de er erneut Bun­des­trai­ner, erlitt jedoch einen Zusam­men­bruch, nach dem die Bun­des­re­pu­blik die Olym­pi­schen Spie­le in Mos­kau 1980 boy­kot­tier­te. Als 90-jäh­ri­ger fuhr Zieg­ler 2009 noch täg­lich 50 Kilo­me­ter mit dem Fahrrad (!)

 

Wei­te­re Spieler:

Leo­pold „Bol­de“ Kast­ner (1901–1982) wur­de wie­der­holt zu DFB-Vor­be­rei­tungs­kur­sen beru­fen, kam aber nie zu einem Län­der­spiel. Der Stür­mer schloss sich im Jahr 1923/24 dem KFV an. Berühmt waren die „Kast­ner-Bom­ben“, sein gefürch­te­ter Schuss mit rechts. Wil­li Nagel, Ver­tei­di­ger der Stutt­gar­ter Kickers wur­de bei einer Kopf­ab­wehr 1925 Opfer einer sol­chen Bom­be und zog sich eine Gehirn­er­schüt­te­rung zu. Tor­wart Peter Rie­se vom Sport­club Stutt­gart brach sich gar die Hand beim Ver­such Kast­ners Schuss abzu­weh­ren. 1934–36 war der Fleisch- und Vieh­be­schau­er aus Hags­feld noch ein­mal als Trai­ner des KFV aktiv. Der Blond­schopf Wal­ter Finn­ei­sen (01. 04. 1904 — 1985) spiel­te schon mit 18 Jah­ren in der 1. Mann­schaft des KFV und wur­de prompt Meis­ter. Der blon­de All­roun­der spiel­te zunächst als Links­au­ßen und rück­te dann in die halb­lin­ke Posi­ti­on vor, bis ihn Trai­ner Law­rence in die Läu­fer­rei­he stell­te. Finn­ei­sen war beid­fü­ßig, gewandt und ver­füg­te über ein aus­ge­zeich­ne­tes Kopf­ball­spiel. Wäh­rend sei­ner Lauf­bahn von 1921 bis 1933 errang er 8 Meis­ter­schaf­ten und 3 Vize­meis­ter­schaf­ten. 1933 stopp­te eine Menis­kus­ver­let­zung die Kar­rie­re des KFV-Ehren­spiel­füh­rers (seit 1934). Auch sein Bru­der Leo­pold war für die Schwarz-Roten aktiv. Quel­le: KFV-Archiv.

Abbil­dung: Der aus Hei­del­berg stam­men­de Kauf­mann Karl „Bubi“ Waß­manns­dorf („Der jugend­li­che Tor­hü­ter, der Karls­ru­her Waß­manns­dorf ist ein gro­ßes Talent. Wir sehen hier auf unse­rem Bil­de, wie er in mäch­ti­gem Sprun­ge einen hohen Ball über die Lat­te hebt. Das macht kein alter bes­ser“) der von 1926 bis 1930 das KFV-Tor hüte­te, Bern­hard „Jean“ Vogel und Wil­helm „Wil­ly“ Quas­ten auf Ziga­ret­ten-Sam­mel­bil­dern. Jean Vogel, nach sei­ner Zeit als KFV-Spie­ler noch Trai­ner der Spiel­ver­ei­ni­gung Sand­ho­fen (1936) sowie Spie­ler­trai­ner bei Ger­ma­nia Dur­lach und fiel wie sein Mann­schafts­kol­le­ge Quas­ten im 2. Welt­krieg. Nach dem Urteil des KFV-Trai­ners Law­rence war Quas­ten „der per­fek­tes­te Spie­ler“ und hoch­be­gabt. Auf­grund sei­nes Jobs als Ver­tre­ter waren sei­ne kör­per­li­chen Kräf­te jedoch lei­der oft nicht auf der Höhe, sodass er „häu­fig etwas lang­sam und nicht stoß­kräf­tig genug“ war. Quel­le: KFV-Archiv.
Wei­te­re ver­dien­te Spie­ler der Epo­che, die alle­samt zu Ehren­spiel­füh­rern des KFV ernannt wur­den, waren Karl Link (geb. 24.01.1908), der lin­ke Läu­fer Eugen Nagel (14. 11. 1906–1983), Otto Raupp (15. 11.1897–1971, in der Frei­zeit ein enga­gier­ter Feu­er­wehr­mann), Alfred Reeb (23. 01. 1899–1975, beruf­lich Werks­meis­ter in Rint­heim) und Herr­mann Grei­ler (1895–1968).

Abbil­dung: Ziga­ret­ten­sam­mel­bild des KFV-Tor­hü­ter Eber­lein, um 1925. Quel­le: KFV.


 

Her­aus­ste­chen­de KFV-Trai­ner der 1920- und 30er Jahre

Robert Kraft – Karls­ru­her Fußballpionier

9. Janu­ar 1894 in Karls­ru­he – 9. Dezem­ber 1973 in Karlsruhe

„Boba“ Kraft schloss sich bereits 1907 im Alter von 13 Jah­ren dem KFV an und spiel­te nach sei­ner Rück­kehr aus dem Ers­ten Welt­krieg von 1919 bis 1923 in der 1. Mann­schaft des Ver­eins. 1921 war er Spiel­füh­rer der ers­ten Mann­schaft und wur­de schon 1923 zum Ehren­spiel­füh­rer ernannt. Als Assis­tent von KFV-Coach Jim­my Law­rence mach­te er sei­ne ers­ten Trai­ner­er­fah­run­gen. Nach­dem er durch einen schwe­ren Sport­un­fall gezwun­gen war, sei­ne Kar­rie­re als Spie­ler auf­zu­ge­ben, war er ab 1927 beim FC Mühl­burg bzw. spä­ter beim VfB Mühl­burg als Trai­ner tätig. Die Mühl­bur­ger führ­te Kraft in die ers­te Liga und leg­te damit den spä­te­ren sport­li­chen Grund­stein des KSC, der 1952 auf der Mann­schaft des VfB Mühl­burg auf­bau­te. 1949 wech­sel­te er für ein Jahr zum FC Phö­nix, ehe er wie­der zum KFV zurück­kehr­te. Neben sei­nen Prü­fun­gen für das Lehr­amt erwarb er ihm Jah­re 1935 auch das Diplom für Fuß­ball­leh­rer des DFB (Deut­scher Fuß­ball­bund). „Boba“ Kraft fei­er­te sei­ne größ­ten Erfol­ge als Trai­ner nach dem Zwei­ten Welt­krieg: 1951 betreu­te er den KFV beim End­spiel um die Deut­sche Ama­teur­meis­ter­schaft in Ber­lin. 1962 errang der KFV unter sei­ner Lei­tung die Badi­sche Pokalmeisterschaft.

 

Abbil­dung: Zum Tod von Boba Kraft, Quel­le: KFV.

  


Jack Bur­ton – Der Unbe­kann­te aus England

(*1887 in Eng­land — † in England)

Zu sei­nem Abschied schrieb Bur­ton einen herz­li­chen Brief an sei­ne Mann­schaft: „Lie­be Freun­de! Ver­gönnt mir nur eine Zei­le, um Euch den bes­ten Erfolg für die Fuß­ball­sai­son 1925/26 zu wün­schen. Ver­geßt nicht, so hart wie mög­lich zu trai­nie­ren. Tut alles, was Herr Hirsch oder Euer Trai­ner von Euch ver­langt. Seid Kame­ra­den zu ein­an­der und spielt mit rest­lo­ser Auf­op­fe­rung. Denkt immer dar­an, dass ich jeden Mon­tag nach den Resul­ta­ten des KFV schaue und dass ich hof­fe, Euch stets auf der Gewinn­sei­te zu fin­den.“ Über Bur­tons Leben ist fast nichts bekannt. Den KFV ver­ließ der Eng­län­der bereits nach einer Sai­son (1924/25). Im Okto­ber 1926 ist Bur­ton wie­der zurück in Karls­ru­he: Jetzt als Trai­ner des Lokal­ri­va­len FC Phö­nix, den er aber wie­der im Früh­som­mer 1927 ver­ließ. 1925 taucht Jack Bur­ton beim HSV als Trai­ner auf und ver­schwin­det eben­so schnell wie­der: „Mis­ter Bur­ton aus Eng­land, der fabel­haf­tes­te Fuß­ball-Leh­rer aller Zei­ten, bedacht mit einem Minis­ter­ge­halt für drei­ßig Tage Nichts­tun im Monat, ist abhan­den gekom­men. Futsch, weg. […] Ich weiß nicht, ob der HSV über die­sen plötz­li­chen Ver­lust eher trau­rig ist, ich weiß auch nicht, wel­che Umstän­de ihn her­bei­ge­führt haben. Ein­sich­ti­ge wuss­ten von vorn­her­ein, dass die­sem Glück nur kur­ze Dau­er beschie­den sein wür­de; ein Mann, der die deut­sche Spra­che so gut wie gar nicht beherrscht, kann nicht Leh­rer einer so eigen­wil­li­gen Schü­ler­schar sein, wie es die jün­ge­ren und älte­ren Leu­te in der HSV-Ober­pri­ma sind (Ham­bur­ger Anzei­ger, 5. 11. 1925). (Nach­for­schun­gen von Jens R. Prüß, Ham­burg. Es ist nicht abschlie­ßend geklärt, ob es sich bei dem Ham­bur­ger Jack Bur­ton, um den Bur­ton des KFV handelt.)

Abbil­dung: Jack Bur­ton. Quel­le: Stadt­ar­chiv Karlsruhe.

James „Jim­my“ Law­rence –
Rekord­spie­ler bei New­cast­le United / Rekord­trai­ner beim KFV

16. Febru­ar 1885 in Glas­gow  — Novem­ber 1934 in Glasgow

“It is with a hea­vy heart that I ave to record the death of the Chair­mann of Stran­raer Foot­ball Club, Mr. James Law­rence, who pas­sed away on Wed­nes­day last in the Vic­to­ria Infir­ma­ry, Glas­gow, after an ope­ra­ti­on. Jim­mie Law­rence lived for the game of foot­ball and it is no exag­ge­ra­ti­on to say that he died for it. His trou­ble was cau­sed through over-trai­ning while he was in char­ge of a foot­ball team in Ger­ma­ny and he was forced to reti­red pre­ma­tu­re­ly. Over enthu­si­asm and eager­ness to show the young Ger­mans the finer points of the game strai­ned his heart.” (Wig­town Free Press News­pa­per, 29. 11. 1934, S. 2)

Mit nur 49 Jah­ren erlag der schot­ti­sche Trai­ner einem Herz­lei­den, nach­dem er sich als Trai­ner lan­ge Zeit völ­lig ver­aus­gabt hat­te.
Begon­nen hat­te Law­ren­ces Weg in der Indus­trie­me­tro­po­le Glas­gow bei Patrick Ath­le­tic und Glas­gow Perthshire. In jener Zeit ver­trat er auch gele­gent­lich beim Erst­li­gis­ten Hiber­ni­an Edin­burgh in der schot­ti­schen Haupt­stadt deren Stamm­tor­wart Har­ry Ren­nie. Im Jahr 1904 wur­de er vom eng­li­schen Erst­li­gis­ten New­cast­le United ver­pflich­tet, für den er dann bis April 1922 spiel­te. Wäh­rend die­ser 18 Jah­re absol­vier­te er ins­ge­samt 432 Spie­le in der Liga und 64 Spie­le im Pokal, bis heu­te Ver­eins­re­kord! Die Anzahl der Spie­le wäre noch weit höher gewe­sen, wenn nicht der Spiel­be­trieb wegen des Ers­ten Welt­krie­ges zwi­schen 1915 und 1919 aus­ge­setzt gewe­sen wäre. Sein Debüt zwi­schen den Pfos­ten bei New­cast­le United fei­er­te er – schon nach zwei Pro­be­spie­len – im Heim­spiel am 1. Okto­ber 1904 mit einem 2:0 Sieg gegen Man­ches­ter City FC. Bereits in der ers­ten Sai­son gewann er mit den Nord­eng­län­dern die eng­li­sche Fuß­ball­meis­ter­schaft und damit den ers­ten Titel der Ver­eins­ge­schich­te. In den Jah­ren 1907 und 1909 folg­ten zwei wei­te­re Meis­ter­schaf­ten sowie 1910 auch der FA Cup – im vier­ten Anlauf, nach­dem man 1905, 1906 und 1908 als Ver­lie­rer vom Platz ging. 1907 lern­te Law­rence den KFV ken­nen: New­cast­le United gas­tier­te in Karls­ru­he und schlug den über­for­der­ten KFV mit 7:0. Law­rence galt als „an intellec­tu­al joker in the dres­sing-room and off the field […]. He was a fine, con­sis­tent goal­kee­per, always attemp­ting to rai­se spi­rits, he was cool, con­fi­dent and extre­me­ly popu­lar, both with Tyneside‘s sup­port­ers and his col­le­agues.” Am 1. April 1911 bestritt James Law­rence im Goodi­son Park in Liver­pool, beim 1:1 gegen Eng­land vor 38.000 Zuschau­ern sein ein­zi­ges Län­der­spiel für Schott­land. Als er im April 1922 mit einer 1:2 Nie­der­la­ge gegen Brad­ford City AFC sein letz­tes Spiel für New­cast­le bestritt, war er bereits stol­ze 42 Jah­re alt. Law­rence war, für einen Pro­fi-Fuß­bal­ler unge­wöhn­lich, auch poli­tisch aktiv. Beim Auf­bau der Spie­ler­ge­werk­schaft „Asso­cia­ti­on Foot­ball Play­ers Uni­on“ (dem Vor­gän­ger der heu­ti­gen Pro­fes­sio­nal Foot­bal­lers Asso­cia­ti­on) spiel­te er eine bedeu­ten­de Rol­le. Von 1921 bis 1922 wur­de er zu zum Prä­si­den­ten der Fuß­baller­ge­werk­schaft gewählt. Vom Mai 1922 bis Janu­ar 1923 manag­te Law­rence den dama­li­gen Zweit­li­gis­ten South Shields FC sowie anschlie­ßend bis Juli 1925 den eng­li­schen Tra­di­ti­ons­ver­ein Pres­ton North End FC.

Dann der Sprung auf den Kon­ti­nent: James Law­rence wur­de im August 1925 vom KFV als Nach­fol­ger für sei­nen Lands­mann Bur­ton ver­pflich­tet. Bei sei­nem Amts­an­tritt stell­te er ent­schlos­sen klar: „Ich will arbei­ten, in dem Bestre­ben, dem Pio­nier des Fuß­ball­spor­tes in Süd­deutsch­land Erfolg und Ehre zu ver­schaf­fen“. Nach­dem Wil­liam Town­ley 1909 das 2–3‑5-Spielsystem nach Karls­ru­he brach­te, war es mit Law­rence wie­der­um ein Bri­te, der einen fuß­bal­le­ri­schen Para­dig­men­wech­sel auf dem Kon­ti­nent – zumin­dest lokal – ein­läu­te­te: Das soge­nann­te WM-Sys­tem. Das WM-Spiel­sys­tem ist eine Reak­ti­on auf die 1925 geän­der­te Abseits­re­gel: Statt drei muss­ten nun nur noch zwei Gegen­spie­ler bei einem Zuspiel der angrei­fen­den Mann­schaft näher zum Tor ste­hen. Auf die­se Regel­än­de­rung hin zog man (zunächst nur in Eng­land) den Mit­tel­läu­fer zurück und hat­te erst­mals drei Ver­tei­di­ger. Die bei­den Halb­stür­mer (auch Ver­bin­dungs­stür­mer genannt) zog man eben­so zurück, so dass die For­ma­ti­on auf der Tak­tik­ta­fel den Buch­sta­ben „W“ und „M“ ähnel­te (sie­he Abbildung).

Nach und nach form­te auch Law­rence die Karls­ru­her Mann­schaft gemäß der bri­ti­schen Fuß­ballin­no­va­ti­on. Die Spiel­sys­tem­um­stel­lung fand jedoch nicht nur Freun­de: „Das neue Dog­ma Law­ren­ces wirk­te in Karls­ru­he, wo man mit allen Fasern des Fuß­ball­her­zens am alten Stil hing, direkt revo­lu­tio­nie­rend. Der lan­ge Eng­län­der [Anmer­kung d. Redak­ti­on: Law­rence war Schot­te], der mit sei­ner umstürz­le­ri­schen Metho­de hei­li­ges Karls­ru­her Fuß­ball­gut ver­schan­deln woll­te, war dar­um viel umstrit­ten“ (Badi­sche Pres­se, 22.7.1942, No. 169). Law­rence wird in den Karls­ru­her Chro­ni­ken oft­mals damit gerühmt, das WM-Sys­tem als Ers­ter in Deutsch­land ein­ge­führt zu haben. Die Wahr­heit liegt bekannt­lich auf dem Platz: „Wir wis­sen, daß er mit die­ser neu­en Tak­tik beim KFV viel erreich­te, aber doch nicht zum letz­ten gro­ßen Erfolg vor­stieß, und zwar des­halb, weil sei­ne Leh­re Anfangs- und Ueber­gangs­schwie­rig­kei­ten begeg­ne­te. […] So war es eben: Das damals Neue […] setz­te sich erst all­mäh­lich durch“. Dass das WM-Sys­tem nie in sei­ner theo­re­ti­schen Rein­form auf dem Platz über­tra­gen wer­den konn­te, lag an den Spie­lern, die noch zu sehr am offen­si­ve­ren 2–3‑5 haf­te­ten: Ein „Mit­tel­läu­fer (Gro­ke), dem in sei­nem Hang zum Ball­trei­ben und in sei­nem ein­ge­fleisch­ten Drang nach vor­wärts die Stop­per­rol­le wenig zusag­te, und in sei­nem ein­ge­fleisch­ten Drang nach vor­wärts die Stop­per­rol­le wenig zusag­te, und 2 Ver­bin­dungs­stür­mer (Kast­ner und Bekir), denen das Tor­schie­ßen über das Ope­rie­ren im Mit­tel­feld und über das Ball­schlep­pen ging, bewirk­ten Sys­tem­ver­mi­schun­gen und ‑ver­zer­run­gen […].“

Abbil­dung: Das WM-Sys­tem beim KFV (so spiel­te die Mann­schaft bspw. im Febru­ar 1928 gegen die Stutt­gar­ter Kickers) mit der ange­deu­te­ten Spiel­sys­tem­än­de­rung: Die blas­sen Num­mern und Pfei­le machen die (defen­si­ve­ren) Ver­än­de­run­gen zum 2–3‑5-System deut­lich. Quel­le: KFV-Archiv.

Erfol­ge fei­er­te Law­rence den­noch in Karls­ru­he: Bis zu sei­nem Weg­gang vom KFV im Jah­re 1931 gewann der Schot­te mit dem KFV 1925/1926 die Meis­ter­schaft von Württemberg/Baden und 1928, 1929 sowie 1931 den Titel des Badi­schen Meis­ters. Mit einer Amts­zeit von sechs Jah­ren am Stück ist Law­rence Rekord­hal­ter in der 125-jäh­ri­gen Geschich­te des KFV. Legen­där war Law­ren­ces bri­ti­scher Akzent und sein gebro­che­nes Deutsch. Ver­moch­te ein Spie­ler sei­nen Anwei­sun­gen nicht fol­gen, frag­te er vehe­ment „Du Gras im Kopf?, Du Gras im Kopf?“ Nach­dem er aus Deutsch­land nach Schott­land zurück­kehr­te, wur­de er 1933 Prä­si­dent des Stran­raer FC, der sei­ner­zeit jedoch noch nicht am schot­ti­schen Liga­be­trieb teil­nahm. 1934 ver­starb er dort im Amt.

Aus­führ­li­che Bio­gra­fie (in eng­lisch): JamesLawrence.pdf


 

Ralph Hym­men – Bel­gi­scher Offensivtrainer

24. Dezem­ber 1893 in Antwerpen — ??

Hym­mens Eltern stamm­ten aus dem Raum Dort­mund und zogen ver­mut­lich aus beruf­li­chen Grün­den nach Ant­wer­pen. Hym­men stu­dier­te in Ant­wer­pen und trat am 8. Sep­tem­ber 1909 dem Roy­al Ant­werp FC, dem ältes­ten Fuß­ball­klub des Lan­des, der des­we­gen auch „The Gre­at Old“ genannt wird, bei. Dort spiel­te er 1911 in der Jugend­mann­schaft sowie in der zwei­ten Mann­schaft, ehe er zu Beer­schot AC (Beer­schot Ant­wer­pen Club) wech­sel­te, einem Ver­ein aus einem süd­li­chen Rand­be­zirk von Ant­wer­pen. 1911/12 absol­vier­te Hym­men dort eini­ge Pflicht­spie­le in der ers­ten bel­gi­schen Liga und ent­kam mit dem Klub knapp dem Abstieg. Auch bei den Young Boys Bern soll er gespielt haben (Fuß­ball Nr. 35, 31. 08. 1937). In der Gau­li­ga Nie­der­sa­chen betreu­te er als Trai­ner zunächst die „Wun­der­dorf­mann­schaft“ SV Alger­mis­sen und wech­sel­te dar­auf­hin nach Schle­si­en zu Vor­wärts Rasen­sport Glei­witz. Von dort aus zog es ihn an den Nor­den nach Pom­mern, wo er sich für zwei Jah­re dem SV Vik­to­ria 09 Stolp anschloss. Als Trai­ner gewann er 1936 und 1937 dort die Pom­mern­meis­ter­schaft und führ­te das Team zur deut­schen Meis­ter­schafts­end­run­de. In der Meis­ter­schaft setz­te es jedoch schon in der Grup­pen­pha­se hohe Nie­der­la­gen gegen Schal­ke 04, Her­tha BSC und Wer­der Bre­men. Beim KFV trat Hym­men am 20. Juli 1937 sei­ne Trai­ner­stel­le an.
In der Karls­ru­her Lokal­zei­tung (Badi­sche Pres­se, 3.6.1937, No. 150) ließ er zuvor sei­nen Lebens­lauf in einem Arti­kel zum Amts­an­tritt ver­klä­ren: Als bel­gi­scher Lan­des­meis­ter (er spiel­te nur für die zwei­te Mann­schaft) soll er für Furo­re gesorgt haben und zudem als Spie­ler von West Ham United auf Welt­tour­nee gegan­gen sein (zu die­ser Sta­ti­on fin­det sich kein Nach­weis). Die Stär­kung des Sturms war das Haupt­au­gen­merk des Bel­gi­ers wäh­rend sei­ner Tätig­keit in der Resi­denz­stadt. Der Nicht-Rau­cher, der auch kei­nen Trop­fen Alko­hol trank, war Vor­bild in der Lebens­füh­rung für die Akti­ven. Hym­men blieb bis 1939 beim KFV. Von 1943 bis zum Ende des Spiel­be­triebs im August 1944 war Hym­men Trai­ner der Ale­man­nia Aachen, die als ers­te deut­sche Stadt zwei Mona­te spä­ter von den Alli­ier­ten ein­ge­nom­men wurde.

Abbil­dung: Trai­ner­ver­trag Hym­men, Quel­le: KFV.


 

Lud­wig Tret­ter – Bay­ri­scher „Hans Dampf“ und Wandervogel

19. August 1900 in Platt­ling – gest. in Regensburg

Als Spie­ler trat der Nie­der­bay­er für Jahn Regens­burg gegen das Leder. Nach dem 1. Welt­krieg arbei­te­te er für eini­ge Tages­zei­tun­gen, war aber schon zu die­ser Zeit als frei­be­ruf­li­cher Sport­leh­rer und „Wan­der­leh­rer“ aktiv. Sei­ne Fuß­ball-Trai­ner­kar­rie­re begann er beim FC Bay­ern Hof (1928–30) und dem SSV Elber­feld. Sei­ne ers­ten renom­mier­ten Sta­tio­nen waren Leip­zig, FV Saar­brü­cken (1936/37), Ulm (1938/39), ehe er über die Stutt­gar­ter Kickers schließ­lich 1939 beim KFV lan­de­te. Tret­ters Start beim KFV stand unter kei­nem guten Stern. KFV-Ver­eins­füh­rer Kün­kel wur­de nach Tret­ters Ver­pflich­tung unter­stellt, er hät­te ein schlech­tes Zeug­nis der Stutt­gar­ter Kickers bei der Ent­schei­dung für einen neu­en Trai­ner absicht­lich unter­schla­gen und somit den Vor­stands­kol­le­gen nicht genü­gend zur Kennt­nis gebracht. Grund für sein schlech­tes Zeug­nis bei den Stutt­gar­tern waren wohl  „Zwis­tig­kei­ten“ zwi­schen ihm und dem dama­li­gen Stutt­gar­ter Ver­eins­füh­rer. In Karls­ru­he war der Vater von vier Kin­dern außer­dem pri­va­ter Sport­leh­rer am Hum­boldt- sowie am Kant­gym­na­si­um. Er gehör­te dem Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Leh­rer­bund an.
Ende 1946 for­der­te er – inzwi­schen Aus­hilfs­kraft an einer bay­ri­schen Schu­le – ver­bit­tert vom „Lan­des­be­zirk Baden, Abt. Kul­tus u. Unter­richt“ ihm doch end­lich Zeug­nis­se und Papie­re aus sei­ner Arbeits­zeit in Karls­ru­he zuzu­sen­den, ohne die er nir­gend­wo eine Anstel­lung fin­den kön­ne: „Nach­dem ich nur Anti­fa­schist war, wie­der­holt von der Gesta­po geholt wur­de und nur durch Zufall dem KZ ent­ging (der Zufall lau­te­te Ein­be­ru­fung, Krank­heit, Krieg, Ver­wun­dung und zuletzt Gefan­gen­schaft, wun­dert mich Ihre Hand­lungs­wei­se nicht mehr. Mein Freund Orf. Alfred Kanz­ler hat­te nicht unter sol­chen Zufäl­lig­kei­ten zu lei­den und starb im KZ. Ich selbst kehr­te als kran­ker Mensch heim und konn­te an mei­ner ehe­ma­li­gen Wir­kungs­stät­te (Kant­schu­le Hum­boldt- und Ras­tatt) nicht ankom­men, wäh­rend man gute Nazis ohne wei­te­res beschäftigt.“

Abbil­dung: Die ers­te Mann­schaft des KFV in den spä­ten drei­ßi­ger Jah­ren mit Trai­ner Hym­men (ganz rechts): Spiel­aus­schuss und Meis­ter­spie­ler Tscher­ter, Weckel, Tor­hü­ter Stad­ler, Natio­nal­spie­ler Immig, Bolz I, Bolz II, Wünsch, Helm, und Wein­del. Knie­end von links: Brecht, Benz, Rapp, Walz und Natio­nal­spie­ler Dammin­ger. Quel­le: KFV-Archiv.

Nach dem Krieg tin­gel­te Lud­wig Tret­ter durch die deut­sche Fuß­ball­welt: 1947/48 trai­nier­te er Wacker Mün­chen, in der Ober­li­ga Süd schließ­lich den BC Augs­burg (1948/49), den TSV Schwa­ben Augs­burg (1949–1951) und 1952 erneut kurz­zei­tig den FC Bay­ern Hof. Über den VfR Mann­heim (1952/53) kam er zum SV Sodin­gen. Der Ver­ein aus dem Berg­manns­städt­chen konn­te sich unter Tret­ter für die End­run­de der deut­schen Meis­ter­schaft qua­li­fi­zie­ren. Gegen den HSV ver­lor der SV Sodin­gen dort in der Grup­pen­pha­se knapp mit 1:0 in der 81. Minu­te und ver­pass­te damit die K.O.-Phase. Ein ver­meint­li­cher Aus­gleich, der wegen Hand­spiels des Sodin­ger Spie­lers Wäch­ter aberkannt wur­de, brach­te Trai­ner Tret­ter in einem Inter­view mit dem Kicker in Rage: „Da will doch nicht etwa ein Mensch behaup­ten, es sei ein Hand­spiel Wäch­ters gewe­sen. Unse­rem Wäch­ter fehlt doch der Unter­arm über­haupt. Ich habe kei­ne Wor­te mehr!”. 1953/54 wech­selt Tret­ter schließ­lich zu Preu­ßen Münster.

 


Rudolf Jan­sen – Glück­lo­ser Rheinländer

Der um 1895 gebo­re­ne Rhein­län­der soll sich als Schü­ler der Borus­sia Mön­chen­glad­bach (damals noch Mün­chen-Glad­bach) ange­schlos­sen und schon mit 16 Jah­ren in der Erst­li­gaelf gestan­den haben. 1912 – mit 17 Jah­ren – spiel­te er bereits reprä­sen­ta­tiv für den West­deut­schen Fuß­ball­ver­band. Der Mit­tel­läu­fer wech­sel­te jedoch bald zum VfR Köln 04 (Vor­rei­ter der heu­ti­gen Vik­to­ria Köln) und dien­te im 1. Welt­krieg als Sol­dat. Nach dem Krieg zog es ihn angeb­lich in die Nie­der­lan­de zu Go Ahead Deven­ter. Laut einem Arti­kel der Badi­schen Pres­se zur Vor­stel­lung des Trai­ners gehör­te er zum Team, das zwei­mal die hol­län­di­sche Meis­ter­schaft (1917 und 1922) hol­te. Nach­ge­wie­sen ist in Deven­ter aber nur ein Jan­sen, der in der zwei­ten Mann­schaft spiel­te. Ob Jan­sen sei­nen Lebens­lauf fri­sier­te oder der KFV absicht­lich dick auf­trug, ist nicht bekannt. Von 1924 bis 1927 soll er Trai­ner von MVV Maas­tricht gewe­sen sein. Auch das ist nir­gend­wo ver­bürgt. Über Bre­men, Borus­sia Rhei­ne (heu­te: FC Ein­tracht Rhei­ne), Preu­ßen Müns­ter und VfB 03 Bie­le­feld (heu­te: VfB Fich­te Bie­le­feld) kam Jan­sen schließ­lich zum KFV. Jan­sen lehn­te strikt die damals neue WM-For­ma­ti­on aus Eng­land ab und gehör­te damit zu den fuß­bal­le­ri­schen Tra­di­tio­na­lis­ten, die dem 2–3‑5-System nahe stan­den. Im Abstiegs­jahr des KFV wur­de er schon früh ent­las­sen und in der KFV-Mit­glie­der­ver­samm­lung als „unge­eig­ne­te Per­son“ abgestempelt.


 

Die Tra­di­ti­ons­mann­schaft des KFV – bestehend aus frü­he­ren und aktu­el­len Spie­lern des Alt­meis­ters – reis­te bereits am frü­hen Mor­gen mit dem Bus nach Bern und besuch­te davor gemein­sam mit dem Schwei­zer Gast­ge­ber das Muse­um der Young Boys Bern im Sta­di­on, wo sich die Karls­ru­her Mann­schaft in das Gäs­te­buch ein­trug. Den Karls­ru­hern wur­de schnell klar: Der zwölf­ma­li­ge Schwei­zer Meis­ter wur­de wie der KFV von Gym­na­si­as­ten gegrün­det und blickt auf eine sehr lan­ge Tra­di­ti­on zurück.
Eini­ge mit­ge­reis­te KFV-Fans und Ange­hö­ri­ge feu­er­ten die Schwarz-Roten im anschlie­ßen­den Spiel im Sta­di­on an. Nach der Par­tie wur­den Wim­pel und Geschen­ke aus­ge­tauscht. Im Sta­di­on­re­stau­rant „Ele­ven“ speis­ten bei­de Mann­schaf­ten schließ­lich zusam­men.
Wolf­gang Ade, Koor­di­na­tor der KFV-Tra­di­ti­ons­mann­schaft, orga­ni­sier­te die Rei­se der Karls­ru­her in die Schweiz. „Wir dan­ken den Senio­ren 40+ des BSC Young Boys Bern/Wyler für das tol­le und fai­re Freund­schafts­spiel“, so der frü­he­re Spie­ler und Trai­ner des KFV. „Das kom­plet­te Bern-Wochen­en­de war ein unver­gess­li­ches Erleb­nis“. Rüdi­ger Herr – stets eng in Kon­takt mit Ade – orga­ni­sier­te auf Sei­ten der Ber­ner Vete­ra­nen­elf das Freundschaftsspiel.